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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 14ten April.

Auf der dritten Post von diesem Nacht=Quartier, nemlich zu Tolentino
verließen wir das Apenninische Gebürge völlig, und gelangeten in eine frucht-
bare und wohl bebauete Gegend. Die erste Stadt, welche man in die-
ser Gegend passiret, ist Macerata, auf einer Höhe gelegen. Sie hat
ein gantz feines Aussehen, und wohnet darinn viel noblesse, wie
wir denn vor denn Posthause einen hier ansäßigen starck chamarirten
Conte zu Fuß vorbey passiren sahen, dem sein Lauffer einen großen
Englischen Hund an einer grünen, mit 2 großen Quasten Behengten
Corde sehr gravitaetisch nachführete. In der Stadt Recanati,
welche ebenfals auf einen fruchtbaren ziemlich hohen Berge gele-
gen, und nur noch 3 millien von Loretto ist, fanden wir ein
Spanisches Lazaret, und roch das Lazaret-Stroh, welches vor
dem Thor verbrennet, und an einem Ort in der Stadt, wo wir
Durst halber stille hielten, aus einem Hause geräumet wurde,
eben nicht zum besten. Die auf der Straße sich hin und wieder
zeigende Spanische Soldaten sollen meist von der Kälte auf den march
kranck worden seyn. Sobald man zum Stadt Thor gegen Loretto zu hinaus
ist, praesentiret sich das Adriatische Meer, und ist der prospect über
das wohl angebauete Land bis dahin unverbeßerlich, von Loretto aber
kan man nur die Cupula der Kirche sehen, weil das übrige des Orts
durch eine Anhöhe, unter welcher derselbe nach dem Meer zu gelegen ist,
bedecket wird. Je näher man Loretto komt, je mehr wird man
durch die häuffigen Bettler, und sonderlich durch die Kinder ange-
schrien, welche alle per la Santissima Madonna, per questa
gran madre di Dio p. ihre Betteley erhörlich zu machen, sich angelegen
seyn laßen. Wir langeten an diesem Weltberuffenen Ort Nachmittags
um 3 Uhr glücklich an, Gedencken aber davon, als von einer allzubekannten
Sache, keine ausführliche Beschreibung zu machen. Unser erster Weg
war nach der Kirche, welche ein schönes FrontiSpicium hat, inwendig
aber gantz Simple ist. Weil die Geistlichkeit sich eben zur Vesper an-
schickte, so wurden wir wegen eigentlicher Besichtigung der schönen
raritaeten auf morgen früh vertröstet, beschaueten also nur den
auswendigen kostbaren Überzug der sogenannten casa Santa, und

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Den 14ten April.

Auf der dritten Post von diesem Nacht=Quartier, nemlich zu Tolentino
verließen wir das Apenninische Gebürge völlig, und gelangeten in eine frucht-
bare und wohl bebauete Gegend. Die erste Stadt, welche man in die-
ser Gegend passiret, ist Macerata, auf einer Höhe gelegen. Sie hat
ein gantz feines Aussehen, und wohnet darinn viel noblesse, wie
wir denn vor denn Posthause einen hier ansäßigen starck chamarirten
Conte zu Fuß vorbey passiren sahen, dem sein Lauffer einen großen
Englischen Hund an einer grünen, mit 2 großen Quasten Behengten
Corde sehr gravitaetisch nachführete. In der Stadt Recanati,
welche ebenfals auf einen fruchtbaren ziemlich hohen Berge gele-
gen, und nur noch 3 millien von Loretto ist, fanden wir ein
Spanisches Lazaret, und roch das Lazaret-Stroh, welches vor
dem Thor verbrennet, und an einem Ort in der Stadt, wo wir
Durst halber stille hielten, aus einem Hause geräumet wurde,
eben nicht zum besten. Die auf der Straße sich hin und wieder
zeigende Spanische Soldaten sollen meist von der Kälte auf den march
kranck worden seyn. Sobald man zum Stadt Thor gegen Loretto zu hinaus
ist, praesentiret sich das Adriatische Meer, und ist der prospect über
das wohl angebauete Land bis dahin unverbeßerlich, von Loretto aber
kan man nur die Cupula der Kirche sehen, weil das übrige des Orts
durch eine Anhöhe, unter welcher derselbe nach dem Meer zu gelegen ist,
bedecket wird. Je näher man Loretto komt, je mehr wird man
durch die häuffigen Bettler, und sonderlich durch die Kinder ange-
schrien, welche alle per la Santissima Madonna, per questa
gran madre di Dio p. ihre Betteley erhörlich zu machen, sich angelegen
seyn laßen. Wir langeten an diesem Weltberuffenen Ort Nachmittags
um 3 Uhr glücklich an, Gedencken aber davon, als von einer allzubekannten
Sache, keine ausführliche Beschreibung zu machen. Unser erster Weg
war nach der Kirche, welche ein schönes FrontiSpicium hat, inwendig
aber gantz Simple ist. Weil die Geistlichkeit sich eben zur Vesper an-
schickte, so wurden wir wegen eigentlicher Besichtigung der schönen
raritaeten auf morgen früh vertröstet, beschaueten also nur den
auswendigen kostbaren Überzug der sogenannten casa Santa, und

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[0734] 360 Den 14ten April. Auf der dritten Post von diesem Nacht=Quartier, nemlich zu Tolentino verließen wir das Apenninische Gebürge völlig, und gelangeten in eine frucht- bare und wohl bebauete Gegend. Die erste Stadt, welche man in die- ser Gegend passiret, ist Macerata, auf einer Höhe gelegen. Sie hat ein gantz feines Aussehen, und wohnet darinn viel noblesse, wie wir denn vor denn Posthause einen hier ansäßigen starck chamarirten Conte zu Fuß vorbey passiren sahen, dem sein Lauffer einen großen Englischen Hund an einer grünen, mit 2 großen Quasten Behengten Corde sehr gravitaetisch nachführete. In der Stadt Recanati, welche ebenfals auf einen fruchtbaren ziemlich hohen Berge gele- gen, und nur noch 3 millien von Loretto ist, fanden wir ein Spanisches Lazaret, und roch das Lazaret-Stroh, welches vor dem Thor verbrennet, und an einem Ort in der Stadt, wo wir Durst halber stille hielten, aus einem Hause geräumet wurde, eben nicht zum besten. Die auf der Straße sich hin und wieder zeigende Spanische Soldaten sollen meist von der Kälte auf den march kranck worden seyn. Sobald man zum Stadt Thor gegen Loretto zu hinaus ist, praesentiret sich das Adriatische Meer, und ist der prospect über das wohl angebauete Land bis dahin unverbeßerlich, von Loretto aber kan man nur die Cupula der Kirche sehen, weil das übrige des Orts durch eine Anhöhe, unter welcher derselbe nach dem Meer zu gelegen ist, bedecket wird. Je näher man Loretto komt, je mehr wird man durch die häuffigen Bettler, und sonderlich durch die Kinder ange- schrien, welche alle per la Santissima Madonna, per questa gran madre di Dio p. ihre Betteley erhörlich zu machen, sich angelegen seyn laßen. Wir langeten an diesem Weltberuffenen Ort Nachmittags um 3 Uhr glücklich an, Gedencken aber davon, als von einer allzubekannten Sache, keine ausführliche Beschreibung zu machen. Unser erster Weg war nach der Kirche, welche ein schönes FrontiSpicium hat, inwendig aber gantz Simple ist. Weil die Geistlichkeit sich eben zur Vesper an- schickte, so wurden wir wegen eigentlicher Besichtigung der schönen raritaeten auf morgen früh vertröstet, beschaueten also nur den auswendigen kostbaren Überzug der sogenannten casa Santa, und

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/734>, abgerufen am 21.11.2024.