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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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so sage der Pabst durch sein excommunicamus weiter nichts,
als was wir selbst zu gestünden, und durch unsre Absonderung
auch mit der That selbst an den Tag gelegt hätten. Ein andrer
meinte, der Pabst thue dergl: aus keiner animositaet, sondern
zum Zweck der Bekehrung. Item: nicht der Pabst, sondern
Gott verdamme uns, und sey iener nur das Werckzeug, durch
welches dieser sein Urtheil ausspreche. Noch ein andrer hielt
davor, wir hätten nicht Ursach uns darüber en particulier
zu beschwehren, denn wir befänden uns in sehr großer
und guter Gesellschafft, weil fast kein Catholischer sich außer
dem Bann befinden würde, wenn man diese Bulle in
ihrem rigeur verstehen wolte. Hauptsächlich zielete dieser
Mann wohl auf den darinn wieder alle diejenigen hohen
und niedern ausgesprochenen Bann, welche im allerge-
ringsten der Jurisdictioni ecclesiasticae Eingriff thun,
solche schmählern und einschräncken, oder dazu auf einige
Weise helffen und rathen pp in welchem cas sich gewiß,
wenigstens ietzo, alle catholische Printzen mit ihren
civil- und militair-Bedienten befinden, sonderlich Franckreich.
Wiederum ein anderer adoucirte diese gantze Handlung
also: Es sey eine alte Ceremonie, und das anathema werde
durch die darauf folgende benediction wieder aufgehoben.
Man siehet aus denen zwey letztern raisonnemens genug-
sam, daß das Kirchen-Volck selbst aus diesem Wesen eine
raillerie mache, ohnerachtet es nur allzu ernstlich gemei-
net ist, und die effecte davon nachdrücklich zu spühren
seyn würden, wenn die auctoritaet des Pabsts in denen
Gemüthern derer Catholischen großen Herrn noch in dem
alten Credit stünde. Wie denn ein kluger praelat, bey
Erblickung der auf dem Peters-Platz versamleten entsetzli-
chen Menge Volcks, gegen uns die vor einen praelaten
zieml: bedenckliche reflexion machte, daß es lauter schlechtes
armes Volck sey, in deßen Hertzen allein sich der alte
Glaube noch conserviret habe. Nach geendeter dieser respective
Fluch- und Seegens-Function, begaben wir uns in die Sala

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so sage der Pabst durch sein excommunicamus weiter nichts,
als was wir selbst zu gestünden, und durch unsre Absonderung
auch mit der That selbst an den Tag gelegt hätten. Ein andrer
meinte, der Pabst thue dergl: aus keiner animositaet, sondern
zum Zweck der Bekehrung. Item: nicht der Pabst, sondern
Gott verdamme uns, und sey iener nur das Werckzeug, durch
welches dieser sein Urtheil ausspreche. Noch ein andrer hielt
davor, wir hätten nicht Ursach uns darüber en particulier
zu beschwehren, denn wir befänden uns in sehr großer
und guter Gesellschafft, weil fast kein Catholischer sich außer
dem Bann befinden würde, wenn man diese Bulle in
ihrem rigeur verstehen wolte. Hauptsächlich zielete dieser
Mann wohl auf den darinn wieder alle diejenigen hohen
und niedern ausgesprochenen Bann, welche im allerge-
ringsten der Jurisdictioni ecclesiasticae Eingriff thun,
solche schmählern und einschräncken, oder dazu auf einige
Weise helffen und rathen pp in welchem cas sich gewiß,
wenigstens ietzo, alle catholische Printzen mit ihren
civil- und militair-Bedienten befinden, sonderlich Franckreich.
Wiederum ein anderer adoucirte diese gantze Handlung
also: Es sey eine alte Ceremonie, und das anathema werde
durch die darauf folgende benediction wieder aufgehoben.
Man siehet aus denen zwey letztern raisonnemens genug-
sam, daß das Kirchen-Volck selbst aus diesem Wesen eine
raillerie mache, ohnerachtet es nur allzu ernstlich gemei-
net ist, und die effecte davon nachdrücklich zu spühren
seyn würden, wenn die auctoritaet des Pabsts in denen
Gemüthern derer Catholischen großen Herrn noch in dem
alten Credit stünde. Wie denn ein kluger praelat, bey
Erblickung der auf dem Peters-Platz versamleten entsetzli-
chen Menge Volcks, gegen uns die vor einen praelaten
zieml: bedenckliche reflexion machte, daß es lauter schlechtes
armes Volck sey, in deßen Hertzen allein sich der alte
Glaube noch conserviret habe. Nach geendeter dieser respective
Fluch- und Seegens-Function, begaben wir uns in die Sala

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[0710] 348 so sage der Pabst durch sein excommunicamus weiter nichts, als was wir selbst zu gestünden, und durch unsre Absonderung auch mit der That selbst an den Tag gelegt hätten. Ein andrer meinte, der Pabst thue dergl: aus keiner animositaet, sondern zum Zweck der Bekehrung. Item: nicht der Pabst, sondern Gott verdamme uns, und sey iener nur das Werckzeug, durch welches dieser sein Urtheil ausspreche. Noch ein andrer hielt davor, wir hätten nicht Ursach uns darüber en particulier zu beschwehren, denn wir befänden uns in sehr großer und guter Gesellschafft, weil fast kein Catholischer sich außer dem Bann befinden würde, wenn man diese Bulle in ihrem rigeur verstehen wolte. Hauptsächlich zielete dieser Mann wohl auf den darinn wieder alle diejenigen hohen und niedern ausgesprochenen Bann, welche im allerge- ringsten der Jurisdictioni ecclesiasticae Eingriff thun, solche schmählern und einschräncken, oder dazu auf einige Weise helffen und rathen pp in welchem cas sich gewiß, wenigstens ietzo, alle catholische Printzen mit ihren civil- und militair-Bedienten befinden, sonderlich Franckreich. Wiederum ein anderer adoucirte diese gantze Handlung also: Es sey eine alte Ceremonie, und das anathema werde durch die darauf folgende benediction wieder aufgehoben. Man siehet aus denen zwey letztern raisonnemens genug- sam, daß das Kirchen-Volck selbst aus diesem Wesen eine raillerie mache, ohnerachtet es nur allzu ernstlich gemei- net ist, und die effecte davon nachdrücklich zu spühren seyn würden, wenn die auctoritaet des Pabsts in denen Gemüthern derer Catholischen großen Herrn noch in dem alten Credit stünde. Wie denn ein kluger praelat, bey Erblickung der auf dem Peters-Platz versamleten entsetzli- chen Menge Volcks, gegen uns die vor einen praelaten zieml: bedenckliche reflexion machte, daß es lauter schlechtes armes Volck sey, in deßen Hertzen allein sich der alte Glaube noch conserviret habe. Nach geendeter dieser respective Fluch- und Seegens-Function, begaben wir uns in die Sala

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/710>, abgerufen am 17.09.2024.