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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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347

Die Worte Venetae reipublicae beneficio hat Pabst Paul. V. bey denen
bekannten mit denen Venetianern gehabten Händeln auslöschen
laßen; ein Nachfolger aber, der mit ihnen beßer dran gewesen,
solche wieder hin gesetzet. Dergl: Auslöschen und wieder anschreiben
ist fast eben so beschaffen, wie das Verhalten eines SchulMstrs, der
nach Befinden seinen Kindern die Ruthe vorzeiget, oder auch
wieder verstecket. Aber wieder auf die geistl: Handlungen zu
kommen, so wurde nach geendeter Meße in obgedachter ca-
pella Sixtina das mit einem weißen Tuch überdeckte Vene-
rabile von dem Pabst selbst über den Saal nach der Capella Paulina getragen,
und in das sogenannte heil: Grab verschloßen. Diese Art
heil: Gräber bestehen hier bloß darinn, daß die gantze
Capelle und besonders der Altar, in deßen Tabernacul die
Hostie verschloßen wird, mit unzähln Wachs-Lichtern illumi-
niret ist: gemahlte theatralische Illuminationes aber, wie
man solche in Teutschland zu machen pfleget, sind nicht
üblich. Uns fiel zwar bey dieser vermeinten Begräbniß-
Ceremonie ein, daß unser Heiland bey solchergestalt einen Tag
vor seinem Sterben begraben werde; wir erinnerten
uns aber auch des obengeführten Unterrichts, daß eine
solche Ceremonie nicht eben in allen Umständen mit
demjenigen harmoniren müße, was sie vorstelle. Aus
der Paulinischen Capelle wurde der Pabst auf seinem Stuhl
unter Vortretung der Praelaten und Cardinäle auf die große
Galerie getragen, welche sich über dem Portique der
Peters-Kirche befindet, und aus welcher man auf den großen
Balcon über der Haupt-Thüre dieser Kirchen den Austritt
hat. In solcher Galerie unmittelbar vor dem Eingange
in diesen Balcon war eine große mit Tapeten behän-
gete Loge aufgeschlagen, in welcher man den Pabst
zuvörderst umkleidete, bey welcher Umkleidung wir gantz
nahe vor ihm stunden, u. von ihm auf das fleißigste
betrachtet wurden. Sodann setzte er sich auf den in
der Mitte des Balcons stehenden Thron zwischen die 2 großen
Sonnen-Schirme von bunten Federn, welche von denen
dazu bestellten Leuten gehalten wurden. Vor ihm

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Die Worte Venetae reipublicae beneficio hat Pabst Paul. V. bey denen
bekannten mit denen Venetianern gehabten Händeln auslöschen
laßen; ein Nachfolger aber, der mit ihnen beßer dran gewesen,
solche wieder hin gesetzet. Dergl: Auslöschen und wieder anschreiben
ist fast eben so beschaffen, wie das Verhalten eines SchulMstrs, der
nach Befinden seinen Kindern die Ruthe vorzeiget, oder auch
wieder verstecket. Aber wieder auf die geistl: Handlungen zu
kommen, so wurde nach geendeter Meße in obgedachter ca-
pella Sixtina das mit einem weißen Tuch überdeckte Vene-
rabile von dem Pabst selbst über den Saal nach der Capella Paulina getragen,
und in das sogenannte heil: Grab verschloßen. Diese Art
heil: Gräber bestehen hier bloß darinn, daß die gantze
Capelle und besonders der Altar, in deßen Tabernacul die
Hostie verschloßen wird, mit unzähln Wachs-Lichtern illumi-
niret ist: gemahlte theatralische Illuminationes aber, wie
man solche in Teutschland zu machen pfleget, sind nicht
üblich. Uns fiel zwar bey dieser vermeinten Begräbniß-
Ceremonie ein, daß unser Heiland bey solchergestalt einen Tag
vor seinem Sterben begraben werde; wir erinnerten
uns aber auch des obengeführten Unterrichts, daß eine
solche Ceremonie nicht eben in allen Umständen mit
demjenigen harmoniren müße, was sie vorstelle. Aus
der Paulinischen Capelle wurde der Pabst auf seinem Stuhl
unter Vortretung der Praelaten und Cardinäle auf die große
Galerie getragen, welche sich über dem Portique der
Peters-Kirche befindet, und aus welcher man auf den großen
Balcon über der Haupt-Thüre dieser Kirchen den Austritt
hat. In solcher Galerie unmittelbar vor dem Eingange
in diesen Balcon war eine große mit Tapeten behän-
gete Loge aufgeschlagen, in welcher man den Pabst
zuvörderst umkleidete, bey welcher Umkleidung wir gantz
nahe vor ihm stunden, u. von ihm auf das fleißigste
betrachtet wurden. Sodann setzte er sich auf den in
der Mitte des Balcons stehenden Thron zwischen die 2 großen
Sonnen-Schirme von bunten Federn, welche von denen
dazu bestellten Leuten gehalten wurden. Vor ihm

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[0708] 347 Die Worte Venetae reipublicae beneficio hat Pabst Paul. V. bey denen bekannten mit denen Venetianern gehabten Händeln auslöschen laßen; ein Nachfolger aber, der mit ihnen beßer dran gewesen, solche wieder hin gesetzet. Dergl: Auslöschen und wieder anschreiben ist fast eben so beschaffen, wie das Verhalten eines SchulMstrs, der nach Befinden seinen Kindern die Ruthe vorzeiget, oder auch wieder verstecket. Aber wieder auf die geistl: Handlungen zu kommen, so wurde nach geendeter Meße in obgedachter ca- pella Sixtina das mit einem weißen Tuch überdeckte Vene- rabile von dem Pabst selbst über den Saal nach der Capella Paulina getragen, und in das sogenannte heil: Grab verschloßen. Diese Art heil: Gräber bestehen hier bloß darinn, daß die gantze Capelle und besonders der Altar, in deßen Tabernacul die Hostie verschloßen wird, mit unzähln Wachs-Lichtern illumi- niret ist: gemahlte theatralische Illuminationes aber, wie man solche in Teutschland zu machen pfleget, sind nicht üblich. Uns fiel zwar bey dieser vermeinten Begräbniß- Ceremonie ein, daß unser Heiland bey solchergestalt einen Tag vor seinem Sterben begraben werde; wir erinnerten uns aber auch des obengeführten Unterrichts, daß eine solche Ceremonie nicht eben in allen Umständen mit demjenigen harmoniren müße, was sie vorstelle. Aus der Paulinischen Capelle wurde der Pabst auf seinem Stuhl unter Vortretung der Praelaten und Cardinäle auf die große Galerie getragen, welche sich über dem Portique der Peters-Kirche befindet, und aus welcher man auf den großen Balcon über der Haupt-Thüre dieser Kirchen den Austritt hat. In solcher Galerie unmittelbar vor dem Eingange in diesen Balcon war eine große mit Tapeten behän- gete Loge aufgeschlagen, in welcher man den Pabst zuvörderst umkleidete, bey welcher Umkleidung wir gantz nahe vor ihm stunden, u. von ihm auf das fleißigste betrachtet wurden. Sodann setzte er sich auf den in der Mitte des Balcons stehenden Thron zwischen die 2 großen Sonnen-Schirme von bunten Federn, welche von denen dazu bestellten Leuten gehalten wurden. Vor ihm

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/708>, abgerufen am 14.08.2024.