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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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2.) Die Augustiner Bibliothec, insgemein bibliotheca Angelica
genannt, welche von Orientalischen und andern, doch nicht sehr
alten MSCtis einen guten Vorrath hat. Wir sahen unter andern
AEgidii Viterbiensis Cardinalis historiam XX Seculorum, per totidem
Psalmos digestam, ad Leonem X. P.M. Der Zweck des autoris
ist, zu zeigen, daß in denen ersten 20 Psalmen Davids die
gantze Historie von Erschaffung der Welt an bis auf die Zei-
ten Pabsts Leonis X. inclusive enthalten sey, als deßen
sämtl: actiones der 20ste Psalm in sich faßen soll. Das
wundersamste dabey ist, daß er seine gantze chronologie
auf die Ordnung der Verse gründet. Was nun vor eine
gantz erbärmliche Tortur der Worte nötig gewesen, um
aus iedwedem vers die Geschichte eines iedweden Periodi,
welche der Ordnung nach darinn enthalten seyn sollen,
heraus zu bringen, das ist leicht zu erachten, u. dem
publico dadurch ein besondrer Nutzen geschehen, daß
dieses thörigte MSCt: nicht zum Druck befördert worden.
Der Stiffter dieses Closters hat Angelus Rocca geheißen, deßen
in 2 Voluminibus gedruckte opera sehr viel curiose oder
viele mehr unnütze und thörigte Abhandlungen in sich faßen. Z.E.
ob Christus nach seiner Auferstehung die Vorhaut wieder ange-
nommen? Welche Frage nach einer weitläufftigen Abhandlung endl:
verneinet, und sodann ausgeführet wird, daß dieselbe Vorhaut,
welche unter denen Reliquien der hiesigen Lateran-Kirche auf-
behalten wird, die rechte und wahre Reliquie sey, weil die
Jgfr. Maria solche bey der Beschneidung sorgfältigst aufgehoben,
und bey ihrem Absterben, dem H. Johanni zu treuer Verwahrung
übergeben habe. Als auch dieser gestorben, sey dieselbe so lange
von einer frommen Christen=Hand in die andre gegangen, bis
endl: die Verfolgungen den letzten Besitzer genötiget, diesen
Schatz wohl verwahrt in ein sehr reines Erdreich zu vergra-
ben, aus welchem endl: andre fromme Christen selbigen
wieder ans Tage Licht gebracht. Der Beweiß dieser gantzen Ge-
schichte gründet sich auf die Offenbahrungen der H. Brigitta; denn
derselben ist einsmals die Jgfr. Maria erschienen, und hat
ihr alles vorstehende umständl: erzehlet, mit dem emphatischen
Zusatz: O Rom! Rom! erkennetest du den großen Schatz, der bey

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2.) Die Augustiner Bibliothec, insgemein bibliotheca Angelica
genannt, welche von Orientalischen und andern, doch nicht sehr
alten MSCtis einen guten Vorrath hat. Wir sahen unter andern
AEgidii Viterbiensis Cardinalis historiam XX Seculorum, per totidem
Psalmos digestam, ad Leonem X. P.M. Der Zweck des autoris
ist, zu zeigen, daß in denen ersten 20 Psalmen Davids die
gantze Historie von Erschaffung der Welt an bis auf die Zei-
ten Pabsts Leonis X. inclusive enthalten sey, als deßen
sämtl: actiones der 20ste Psalm in sich faßen soll. Das
wundersamste dabey ist, daß er seine gantze chronologie
auf die Ordnung der Verse gründet. Was nun vor eine
gantz erbärmliche Tortur der Worte nötig gewesen, um
aus iedwedem vers die Geschichte eines iedweden Periodi,
welche der Ordnung nach darinn enthalten seyn sollen,
heraus zu bringen, das ist leicht zu erachten, u. dem
publico dadurch ein besondrer Nutzen geschehen, daß
dieses thörigte MSCt: nicht zum Druck befördert worden.
Der Stiffter dieses Closters hat Angelus Rocca geheißen, deßen
in 2 Voluminibus gedruckte opera sehr viel curiose oder
viele mehr unnütze und thörigte Abhandlungen in sich faßen. Z.E.
ob Christus nach seiner Auferstehung die Vorhaut wieder ange-
nommen? Welche Frage nach einer weitläufftigen Abhandlung endl:
verneinet, und sodann ausgeführet wird, daß dieselbe Vorhaut,
welche unter denen Reliquien der hiesigen Lateran-Kirche auf-
behalten wird, die rechte und wahre Reliquie sey, weil die
Jgfr. Maria solche bey der Beschneidung sorgfältigst aufgehoben,
und bey ihrem Absterben, dem H. Johanni zu treuer Verwahrung
übergeben habe. Als auch dieser gestorben, sey dieselbe so lange
von einer frommen Christen=Hand in die andre gegangen, bis
endl: die Verfolgungen den letzten Besitzer genötiget, diesen
Schatz wohl verwahrt in ein sehr reines Erdreich zu vergra-
ben, aus welchem endl: andre fromme Christen selbigen
wieder ans Tage Licht gebracht. Der Beweiß dieser gantzen Ge-
schichte gründet sich auf die Offenbahrungen der H. Brigitta; denn
derselben ist einsmals die Jgfr. Maria erschienen, und hat
ihr alles vorstehende umständl: erzehlet, mit dem emphatischen
Zusatz: O Rom! Rom! erkennetest du den großen Schatz, der bey

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[0690] 338 2.) Die Augustiner Bibliothec, insgemein bibliotheca Angelica genannt, welche von Orientalischen und andern, doch nicht sehr alten MSCtis einen guten Vorrath hat. Wir sahen unter andern AEgidii Viterbiensis Cardinalis historiam XX Seculorum, per totidem Psalmos digestam, ad Leonem X. P.M. Der Zweck des autoris ist, zu zeigen, daß in denen ersten 20 Psalmen Davids die gantze Historie von Erschaffung der Welt an bis auf die Zei- ten Pabsts Leonis X. inclusive enthalten sey, als deßen sämtl: actiones der 20ste Psalm in sich faßen soll. Das wundersamste dabey ist, daß er seine gantze chronologie auf die Ordnung der Verse gründet. Was nun vor eine gantz erbärmliche Tortur der Worte nötig gewesen, um aus iedwedem vers die Geschichte eines iedweden Periodi, welche der Ordnung nach darinn enthalten seyn sollen, heraus zu bringen, das ist leicht zu erachten, u. dem publico dadurch ein besondrer Nutzen geschehen, daß dieses thörigte MSCt: nicht zum Druck befördert worden. Der Stiffter dieses Closters hat Angelus Rocca geheißen, deßen in 2 Voluminibus gedruckte opera sehr viel curiose oder viele mehr unnütze und thörigte Abhandlungen in sich faßen. Z.E. ob Christus nach seiner Auferstehung die Vorhaut wieder ange- nommen? Welche Frage nach einer weitläufftigen Abhandlung endl: verneinet, und sodann ausgeführet wird, daß dieselbe Vorhaut, welche unter denen Reliquien der hiesigen Lateran-Kirche auf- behalten wird, die rechte und wahre Reliquie sey, weil die Jgfr. Maria solche bey der Beschneidung sorgfältigst aufgehoben, und bey ihrem Absterben, dem H. Johanni zu treuer Verwahrung übergeben habe. Als auch dieser gestorben, sey dieselbe so lange von einer frommen Christen=Hand in die andre gegangen, bis die Verfolgungen den letzten Besitzer genötiget, diesen Schatz wohl verwahrt in ein sehr reines Erdreich zu vergra- ben, aus welchem endl: andre fromme Christen selbigen wieder ans Tage Licht gebracht. Der Beweiß dieser gantzen Ge- schichte gründet sich auf die Offenbahrungen der H. Brigitta; denn derselben ist einsmals die Jgfr. Maria erschienen, und hat ihr alles vorstehende umständl: erzehlet, mit dem emphatischen Zusatz: O Rom! Rom! erkennetest du den großen Schatz, der bey

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/690>, abgerufen am 17.09.2024.