Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].331 Den 2. u. 3. Mart: Nahmen wir aller Orten Abschied, u. speiseten noch zu guter Die Kirche dell' Annonciada, deren Schatz an Silber-Werck un- Die Kirche und das Closter derer sogenannten Gierolomini. Sie sind 331 Den 2. u. 3. Mart: Nahmen wir aller Orten Abschied, u. speiseten noch zu guter Die Kirche dell' Annonciada, deren Schatz an Silber-Werck un- Die Kirche und das Closter derer sogenannten Gierolomini. Sie sind <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <pb facs="#f0676"/> <fw type="folNum" place="top">331</fw><lb/> <div type="diaryEntry"> <head rendition="#c"> Den 2. u. 3. Mart:</head><lb/> <p> Nahmen wir aller Orten Abschied, u. speiseten noch zu guter<lb/> letzte bey dem frantzöl: Ambassadeur, währender Zeit des Ein-<lb/> packens aber besichtigten wir in unsern Reise-Kleidern<lb/> noch folgende Merckwürdigkeiten:</p><lb/> <p> Die <hi rendition="#u">Kirche dell' Annonciada</hi>, deren Schatz an Silber-Werck un-<lb/> gemein groß, und ein gantzer Kasten von solchen Sachen vor-<lb/> handen ist, welche mit Jubelen besetzt sind. Die vornehmsten<lb/> reliquien in dieser Kirche sind 2 gantze Cörper der unschuldigen<lb/> Kinder, annoch mit der Haut überzogen. Von den Einkünften<lb/> dieser Kirche wird ein Nonnen-Closter, ein Haus vor die<lb/> Findel-Kinder und ein großes Hospital unterhalten, woraus<lb/> die Größe derer Einkünfte genugsam zu schließen ist,<lb/> wie denn diese Fundation die allerreicheste in gantz<lb/> Italien seyn soll.</p><lb/> <p> Die Kirche und das Closter derer sogenannten <hi rendition="#u">Gierolomini</hi>. Sie sind<lb/> keine eigentl: Mönche, sondern formiren nur eine Societaet, deren<lb/> Zweck ist das Studium biblicum zu treiben, junge Leute dazu an-<lb/> zu führen und fleißig zu predigen. Ihr Stifter ist der bekante<lb/> Philippus Neri, deßen schon ehemals in unsern Diariis gedacht<lb/> worden, und der in Rom bey der Kirche Hieronymi della carità<lb/> wohnhaft gewesen, von welcher Kirche also diese Societaet insgemein<lb/> genennt wird. Jedweder hat völlige Freyheit zu iederzeit die Societaet<lb/> wieder zu verlaßen, und als ein sogenannter weltl:<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">r</hi></hi> Priester<lb/> zu leben, worinn sie also von denen P.P. de l'oratoire in Franck-<lb/> reich unterschieden sind, als welche die gewöhnl:<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">n</hi></hi> Mönchs-Vota ablegen<lb/> müßen. Sie sind mehrentheils Leute von Condition, und wißen<lb/> wohl zu leben. Ihre Kirche hat uns unter denen Neapolitanil:<lb/> am besten gefallen, und ist nicht nur die Capelle des Philippi<lb/> Neri mit giallo und verd' anticho überzogen, sondern auch von<lb/> dem hiesigen berühmten Solimene oben am <unclear reason="illegible">platone</unclear> treflich<lb/> ausgemahlet. Die Sacrystey enthält eine recht starcke Bilder=Collection<lb/> von denen alten und neuen berühmtesten Meistern, und der<lb/> Kirchen-Schatz ist gröstentheils auf das moderneste gearbeitet, sonderl:<lb/> fält ein gantz goldner Kelch wohl in die Augen. Die Bibliothec<lb/> ist schön, und nach dem Zweck des Instituti mit Büchern und MSCtis<lb/> reichl: versehen, wegen Abwesenheit des Bibliothecarii aber konten<lb/> wir die letztern nicht zu sehen bekommen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0676]
331
Den 2. u. 3. Mart:
Nahmen wir aller Orten Abschied, u. speiseten noch zu guter
letzte bey dem frantzöl: Ambassadeur, währender Zeit des Ein-
packens aber besichtigten wir in unsern Reise-Kleidern
noch folgende Merckwürdigkeiten:
Die Kirche dell' Annonciada, deren Schatz an Silber-Werck un-
gemein groß, und ein gantzer Kasten von solchen Sachen vor-
handen ist, welche mit Jubelen besetzt sind. Die vornehmsten
reliquien in dieser Kirche sind 2 gantze Cörper der unschuldigen
Kinder, annoch mit der Haut überzogen. Von den Einkünften
dieser Kirche wird ein Nonnen-Closter, ein Haus vor die
Findel-Kinder und ein großes Hospital unterhalten, woraus
die Größe derer Einkünfte genugsam zu schließen ist,
wie denn diese Fundation die allerreicheste in gantz
Italien seyn soll.
Die Kirche und das Closter derer sogenannten Gierolomini. Sie sind
keine eigentl: Mönche, sondern formiren nur eine Societaet, deren
Zweck ist das Studium biblicum zu treiben, junge Leute dazu an-
zu führen und fleißig zu predigen. Ihr Stifter ist der bekante
Philippus Neri, deßen schon ehemals in unsern Diariis gedacht
worden, und der in Rom bey der Kirche Hieronymi della carità
wohnhaft gewesen, von welcher Kirche also diese Societaet insgemein
genennt wird. Jedweder hat völlige Freyheit zu iederzeit die Societaet
wieder zu verlaßen, und als ein sogenannter weltl:r Priester
zu leben, worinn sie also von denen P.P. de l'oratoire in Franck-
reich unterschieden sind, als welche die gewöhnl:n Mönchs-Vota ablegen
müßen. Sie sind mehrentheils Leute von Condition, und wißen
wohl zu leben. Ihre Kirche hat uns unter denen Neapolitanil:
am besten gefallen, und ist nicht nur die Capelle des Philippi
Neri mit giallo und verd' anticho überzogen, sondern auch von
dem hiesigen berühmten Solimene oben am platone treflich
ausgemahlet. Die Sacrystey enthält eine recht starcke Bilder=Collection
von denen alten und neuen berühmtesten Meistern, und der
Kirchen-Schatz ist gröstentheils auf das moderneste gearbeitet, sonderl:
fält ein gantz goldner Kelch wohl in die Augen. Die Bibliothec
ist schön, und nach dem Zweck des Instituti mit Büchern und MSCtis
reichl: versehen, wegen Abwesenheit des Bibliothecarii aber konten
wir die letztern nicht zu sehen bekommen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |