Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite

Raphael Urbino gemahlt, welches Stück vor das aller treflichste
in gantz Rom gehalten wird. Doch wird, um hiervon über-
zeugt zu seyn, zweifels ohne ein gantz besondrer Mahler-
Verstand, oder auch vielleicht wohl eine chimere erfordert.
Hinter diesem Kloster auf der äußersten Höhe des Berges ist
die sogenannte Aqua Paulina, oder der erste Ausguß der
großen Waßer-Leitung, mittelst welcher Pabst Paulus V.
das Waßer aus dem Lago di Bracciano 35 millien weit
hieher geleitet hat. Die Fontaine, in welche sich das Waßer
durch 3 große Öffnungen mit starckem Getöse ausgießet,
ist durchaus von dem feinsten Marmor, und der Platz um
dieselbe, der frischen Luft und des Prospects wegen, überaus
angenehm, dahero auch des Sommers eine publique promenade
hier gehalten wird. Das Waßer fält aus dieser Fontaine in
einem zugewölbten aqueduct den Berg hinunter, treibt
en passant 3 an dem Abhang deßelben hinter einander
erbauete Mühlen, und wird sodann weiter in die Stadt
vertheilet.

In der Kirche Saint Maria in Trastevere zeiget man unweit
des Haupt-Altars ein mit Marmor eingefastes Loch, und
giebt vor, daß zu der Zeit, als unser Heyland gebohren wor-
den, wunderbarer weise an diesem Ort, nicht etwan eine
Waßer= sondern eine sehr reiche Öhl-Quelle entsprungen.
Zu welcher Zeit aber diese Öhl-Quelle, denen Öhl-Händlern
zum besten, wieder vertrocknet sey, davon hat man
uns keine Nachricht geben können. Vermutlich hat der
Nahme Christus diese Erfindung veranlaßet, der Erfinder
aber damit genugsam zu erkennen gegeben, daß es
ihm leider an dem rechten Salb-Öhl gefehlet habe. In dem
portique dieser Kirchen sind verschiedene in der Gegend
gefundene antique heydnische und christliche Grab-Steine
in die Mauer gesetzt, davon folgende zur Probe hier Platz
finden mögen.

M. Cocceius Aug. libertus Ambrosius praepositus
vestis albae triumphalis ferit Cocceiae Nice con-
iugi suae cum qua vixit annis XLV diebus XI
sine ulla querela.

Raphael Urbino gemahlt, welches Stück vor das aller treflichste
in gantz Rom gehalten wird. Doch wird, um hiervon über-
zeugt zu seyn, zweifels ohne ein gantz besondrer Mahler-
Verstand, oder auch vielleicht wohl eine chimere erfordert.
Hinter diesem Kloster auf der äußersten Höhe des Berges ist
die sogenannte Aqua Paulina, oder der erste Ausguß der
großen Waßer-Leitung, mittelst welcher Pabst Paulus V.
das Waßer aus dem Lago di Bracciano 35 millien weit
hieher geleitet hat. Die Fontaine, in welche sich das Waßer
durch 3 große Öffnungen mit starckem Getöse ausgießet,
ist durchaus von dem feinsten Marmor, und der Platz um
dieselbe, der frischen Luft und des Prospects wegen, überaus
angenehm, dahero auch des Sommers eine publique promenade
hier gehalten wird. Das Waßer fält aus dieser Fontaine in
einem zugewölbten aqueduct den Berg hinunter, treibt
en passant 3 an dem Abhang deßelben hinter einander
erbauete Mühlen, und wird sodann weiter in die Stadt
vertheilet.

In der Kirche Saint Maria in Trastevere zeiget man unweit
des Haupt-Altars ein mit Marmor eingefastes Loch, und
giebt vor, daß zu der Zeit, als unser Heyland gebohren wor-
den, wunderbarer weise an diesem Ort, nicht etwan eine
Waßer= sondern eine sehr reiche Öhl-Quelle entsprungen.
Zu welcher Zeit aber diese Öhl-Quelle, denen Öhl-Händlern
zum besten, wieder vertrocknet sey, davon hat man
uns keine Nachricht geben können. Vermutlich hat der
Nahme Christus diese Erfindung veranlaßet, der Erfinder
aber damit genugsam zu erkennen gegeben, daß es
ihm leider an dem rechten Salb-Öhl gefehlet habe. In dem
portique dieser Kirchen sind verschiedene in der Gegend
gefundene antique heydnische und christliche Grab-Steine
in die Mauer gesetzt, davon folgende zur Probe hier Platz
finden mögen.

M. Cocceius Aug. libertus Ambrosius praepositus
vestis albae triumphalis ferit Cocceiae Nice con-
iugi suae cum qua vixit annis XLV diebus XI
sine ulla querela.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0635"/><persName xml:id="TidB17089" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10688" ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael Urbino</persName> gemahlt, welches Stück vor das aller treflichste<lb/>
in gantz <placeName xml:id="TidB17090" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10241">Rom</placeName> gehalten wird. Doch wird, um hiervon über-<lb/>
zeugt zu seyn, zweifels ohne ein gantz besondrer Mahler-<lb/>
Verstand, oder auch vielleicht wohl eine chimere erfordert.<lb/>
Hinter diesem Kloster auf der äußersten Höhe des Berges ist<lb/>
die sogenannte <hi rendition="#u">Aqua Paulina</hi>, oder der erste Ausguß der<lb/>
großen Waßer-Leitung, mittelst welcher Pabst <persName xml:id="TidB17091" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11084" ref="http://d-nb.info/gnd/118739530">Paulus V</persName>.<lb/>
das Waßer aus dem <placeName xml:id="TidB17092" corresp="register.xml#regID_66.lemID_13245">Lago di Bracciano</placeName> 35 millien weit<lb/>
hieher geleitet hat. Die Fontaine, in welche sich das Waßer<lb/>
durch 3 große Öffnungen mit starckem Getöse ausgießet,<lb/>
ist durchaus von dem feinsten Marmor, und der Platz um<lb/>
dieselbe, der frischen Luft und des Prospects wegen, überaus<lb/>
angenehm, dahero auch des Sommers eine publique promenade<lb/><add place="superlinear">hier</add> gehalten wird. Das Waßer fält aus dieser Fontaine in<lb/>
einem zugewölbten aqueduct den Berg hinunter, treibt<lb/>
en passant 3 an dem Abhang deßelben hinter einander<lb/>
erbauete Mühlen, und wird sodann weiter in die Stadt<lb/>
vertheilet.</p><lb/>
          <p>                In der Kirche <hi rendition="#u"><choice><abbr>S.</abbr><expan>Saint</expan></choice><persName xml:id="TidB17093" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11052" ref="http://d-nb.info/gnd/118640909">Maria</persName> in Trastevere</hi> zeiget man unweit<lb/>
des Haupt-Altars ein mit Marmor eingefastes Loch, und<lb/>
giebt vor, daß zu der Zeit, als unser <persName xml:id="TidB17094" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Heyland</persName> gebohren wor-<lb/>
den, wunderbarer weise an diesem Ort, nicht etwan eine<lb/>
Waßer= sondern eine sehr reiche Öhl-Quelle entsprungen.<lb/>
Zu welcher Zeit aber diese Öhl-Quelle, denen Öhl-Händlern<lb/>
zum besten, wieder vertrocknet sey, davon hat man<lb/>
uns keine Nachricht geben können. Vermutlich hat der<lb/>
Nahme Christus diese Erfindung veranlaßet, der Erfinder<lb/>
aber damit genugsam zu erkennen gegeben, daß es<lb/>
ihm leider an dem rechten Salb-Öhl gefehlet habe. In dem<lb/>
portique dieser Kirchen sind verschiedene in der Gegend<lb/>
gefundene antique heydnische und christliche Grab-Steine<lb/>
in die Mauer gesetzt, davon folgende zur Probe hier Platz<lb/>
finden mögen.</p><lb/>
          <p><abbr>M.</abbr><persName xml:id="TidB17095" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Cocceius</persName><abbr>Aug.</abbr> libertus Ambrosius praepositus<lb/>
vestis albae triumphalis ferit <persName xml:id="TidB17096" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Cocceiae</persName> Nice con-<lb/>
iugi suae cum qua vixit annis XLV diebus XI<lb/>
sine ulla querela.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0635] Raphael Urbino gemahlt, welches Stück vor das aller treflichste in gantz Rom gehalten wird. Doch wird, um hiervon über- zeugt zu seyn, zweifels ohne ein gantz besondrer Mahler- Verstand, oder auch vielleicht wohl eine chimere erfordert. Hinter diesem Kloster auf der äußersten Höhe des Berges ist die sogenannte Aqua Paulina, oder der erste Ausguß der großen Waßer-Leitung, mittelst welcher Pabst Paulus V. das Waßer aus dem Lago di Bracciano 35 millien weit hieher geleitet hat. Die Fontaine, in welche sich das Waßer durch 3 große Öffnungen mit starckem Getöse ausgießet, ist durchaus von dem feinsten Marmor, und der Platz um dieselbe, der frischen Luft und des Prospects wegen, überaus angenehm, dahero auch des Sommers eine publique promenade hier gehalten wird. Das Waßer fält aus dieser Fontaine in einem zugewölbten aqueduct den Berg hinunter, treibt en passant 3 an dem Abhang deßelben hinter einander erbauete Mühlen, und wird sodann weiter in die Stadt vertheilet. In der Kirche S. Maria in Trastevere zeiget man unweit des Haupt-Altars ein mit Marmor eingefastes Loch, und giebt vor, daß zu der Zeit, als unser Heyland gebohren wor- den, wunderbarer weise an diesem Ort, nicht etwan eine Waßer= sondern eine sehr reiche Öhl-Quelle entsprungen. Zu welcher Zeit aber diese Öhl-Quelle, denen Öhl-Händlern zum besten, wieder vertrocknet sey, davon hat man uns keine Nachricht geben können. Vermutlich hat der Nahme Christus diese Erfindung veranlaßet, der Erfinder aber damit genugsam zu erkennen gegeben, daß es ihm leider an dem rechten Salb-Öhl gefehlet habe. In dem portique dieser Kirchen sind verschiedene in der Gegend gefundene antique heydnische und christliche Grab-Steine in die Mauer gesetzt, davon folgende zur Probe hier Platz finden mögen. M. Cocceius Aug. libertus Ambrosius praepositus vestis albae triumphalis ferit Cocceiae Nice con- iugi suae cum qua vixit annis XLV diebus XI sine ulla querela.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/635
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/635>, abgerufen am 24.11.2024.