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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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bey, da in einem eben solchen casu auf die Gültigkeit der Enterbung
gesprochen worden. Weil indeßen damals der enterbten Tochter
doch 25tausend Livre tournois ex aequo et bono zugesprochen worden; so declarirete er,
daß es denen Brüdern der Mademoiselle Moras gar nicht entgegen
seyn würde, wenn die Richter nach ihrer Weisheit die rigeur derer
Gesetze auch diesmal zu temperiren Ursach finden solten, indem
ihnen, denen Brüdern, es hierbey gar nicht um ihr interesse, sondern
nur darum zu thun sey, die Ehre ihrer Mutter zu retten. Monsieur
Cochin
antwortete darauf mit großer parrhesie. Der Eingang
seiner Rede war gantz beweglich, und gieng dahin, daß seine un-
glückliche, von ihrer eignen Mutter verworffene, und von
ihren eignen Brüdern verfolgte Moras keine andere Consolation,
als die Billigkeit und Gerechtigkeit ihrer Richter übrig hätte.
Die Rede selbst war nur ein kurtzer Entwurff desjenigen,
was er in denen fernern audiences aus führen wolte, daß
nehmlich die minorennitaet und die Verführung, bey denen in dieser
Sache vorkommenden besondern Umstanden, allerdings gegründete
Ursachen wären, seine principalin von der Regul der Enterbung
zu excipiren. Die besondern Umstände, welche er vorläuffig
berührete, waren 1) daß die Mutter ehemals so wenig, als die
Justiz daran gedacht, die Moras zur Complice ihres Entführers
zu machen, weil sie in dem Criminal-Verfahren gegen diesen
letztern als eine gültige Zeugin abgehöret worden; 2) daß die
Mutter in dem Closter, daraus sie als pensionaire entführet
worden, ihr die gehabte verständige Gouvernantin weggenommen,
und die Cammerfrau allein bey ihr gelaßen, 3) daß solches zu
einer Zeit geschehen, da die ihr destinirte Bräutigam, ein gewißer
junger Graf, mit dem sie kurtz vorher etliche Tage in ihrer
Mutter Hause conversiret, gestorben, und man also auf diese
junge Person desto genauer hätte Acht geben sollen, 4) daß
die Mutter selbst gegen den Comte Courbeau ihr das gröste und
vollkommenste Vertrauen inspiriret, ihn zu ihr ohnabläßig ins
Kloster geschickt, und von ihrem Verhalten und Befinden sich
durch ihn habe raport erstatten laßen, 5) daß die Mutter in
dieser methode fort gefahren, ohnerachtet die gedachte Cammer-Frau
derselben geschrieben, daß der Umgang des Comte de Courbeau
mit ihrer Demoiselle ihr einige attention erwecke. Welches
sie zwar freilig nur gethan, um ihre collusion mit dem
Courbeau desto beßer zu verdecken, die Mutter aber doch billig
dadurch hätte allarmiret worden, und ihre Tochter zu sich ins

bey, da in einem eben solchen casu auf die Gültigkeit der Enterbung
gesprochen worden. Weil indeßen damals der enterbten Tochter
doch 25tausend Livre tournois ex aequo et bono zugesprochen worden; so declarirete er,
daß es denen Brüdern der Mademoiselle Moras gar nicht entgegen
seyn würde, wenn die Richter nach ihrer Weisheit die rigeur derer
Gesetze auch diesmal zu temperiren Ursach finden solten, indem
ihnen, denen Brüdern, es hierbey gar nicht um ihr interesse, sondern
nur darum zu thun sey, die Ehre ihrer Mutter zu retten. Monsieur
Cochin
antwortete darauf mit großer parrhesie. Der Eingang
seiner Rede war gantz beweglich, und gieng dahin, daß seine un-
glückliche, von ihrer eignen Mutter verworffene, und von
ihren eignen Brüdern verfolgte Moras keine andere Consolation,
als die Billigkeit und Gerechtigkeit ihrer Richter übrig hätte.
Die Rede selbst war nur ein kurtzer Entwurff desjenigen,
was er in denen fernern audiences aus führen wolte, daß
nehmlich die minorennitaet und die Verführung, bey denen in dieser
Sache vorkommenden besondern Umstanden, allerdings gegründete
Ursachen wären, seine principalin von der Regul der Enterbung
zu excipiren. Die besondern Umstände, welche er vorläuffig
berührete, waren 1) daß die Mutter ehemals so wenig, als die
Justiz daran gedacht, die Moras zur Complice ihres Entführers
zu machen, weil sie in dem Criminal-Verfahren gegen diesen
letztern als eine gültige Zeugin abgehöret worden; 2) daß die
Mutter in dem Closter, daraus sie als pensionaire entführet
worden, ihr die gehabte verständige Gouvernantin weggenommen,
und die Cammerfrau allein bey ihr gelaßen, 3) daß solches zu
einer Zeit geschehen, da die ihr destinirte Bräutigam, ein gewißer
junger Graf, mit dem sie kurtz vorher etliche Tage in ihrer
Mutter Hause conversiret, gestorben, und man also auf diese
junge Person desto genauer hätte Acht geben sollen, 4) daß
die Mutter selbst gegen den Comte Courbeau ihr das gröste und
vollkommenste Vertrauen inspiriret, ihn zu ihr ohnabläßig ins
Kloster geschickt, und von ihrem Verhalten und Befinden sich
durch ihn habe raport erstatten laßen, 5) daß die Mutter in
dieser methode fort gefahren, ohnerachtet die gedachte Cammer-Frau
derselben geschrieben, daß der Umgang des Comte de Courbeau
mit ihrer Demoiselle ihr einige attention erwecke. Welches
sie zwar freilig nur gethan, um ihre collusion mit dem
Courbeau desto beßer zu verdecken, die Mutter aber doch billig
dadurch hätte allarmiret worden, und ihre Tochter zu sich ins

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[0275] bey, da in einem eben solchen casu auf die Gültigkeit der Enterbung gesprochen worden. Weil indeßen damals der enterbten Tochter doch 25/m Lv ex aequo et bono zugesprochen worden; so declarirete er, daß es denen Brüdern der Mademoiselle Moras gar nicht entgegen seyn würde, wenn die Richter nach ihrer Weisheit die rigeur derer Gesetze auch diesmal zu temperiren Ursach finden solten, indem ihnen, denen Brüdern, es hierbey gar nicht um ihr interesse, sondern nur darum zu thun sey, die Ehre ihrer Mutter zu retten. Monsieur Cochin antwortete darauf mit großer parrhesie. Der Eingang seiner Rede war gantz beweglich, und gieng dahin, daß seine un- glückliche, von ihrer eignen Mutter verworffene, und von ihren eignen Brüdern verfolgte Moras keine andere Consolation, als die Billigkeit und Gerechtigkeit ihrer Richter übrig hätte. Die Rede selbst war nur ein kurtzer Entwurff desjenigen, was er in denen fernern audiences aus führen wolte, daß nehmlich die minorennitaet und die Verführung, bey denen in dieser Sache vorkommenden besondern Umstanden, allerdings gegründete Ursachen wären, seine principalin von der Regul der Enterbung zu excipiren. Die besondern Umstände, welche er vorläuffig berührete, waren 1) daß die Mutter ehemals so wenig, als die Justiz daran gedacht, die Moras zur Complice ihres Entführers zu machen, weil sie in dem Criminal-Verfahren gegen diesen letztern als eine gültige Zeugin abgehöret worden; 2) daß die Mutter in dem Closter, daraus sie als pensionaire entführet worden, ihr die gehabte verständige Gouvernantin weggenommen, und die Cammerfrau allein bey ihr gelaßen, 3) daß solches zu einer Zeit geschehen, da die ihr destinirte Bräutigam, ein gewißer junger Graf, mit dem sie kurtz vorher etliche Tage in ihrer Mutter Hause conversiret, gestorben, und man also auf diese junge Person desto genauer hätte Acht geben sollen, 4) daß die Mutter selbst gegen den Comte Courbeau ihr das gröste und vollkommenste Vertrauen inspiriret, ihn zu ihr ohnabläßig ins Kloster geschickt, und von ihrem Verhalten und Befinden sich durch ihn habe raport erstatten laßen, 5) daß die Mutter in dieser methode fort gefahren, ohnerachtet die gedachte Cammer-Frau derselben geschrieben, daß der Umgang des Comte de Courbeau mit ihrer Demoiselle ihr einige attention erwecke. Welches sie zwar freilig nur gethan, um ihre collusion mit dem Courbeau desto beßer zu verdecken, die Mutter aber doch billig dadurch hätte allarmiret worden, und ihre Tochter zu sich ins

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/275>, abgerufen am 23.11.2024.