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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 25 October

Haben wir dem in der gelehrten Welt so hoch berühmten Pere Montfaucon in der Abaye St. Germain
die Visite gegeben. Er ist 86 Jahre alt, ließt und schreibt aber unabläßig, iedoch mit der Brille und
brachte er aber sein Grichisches Lexicon, woran er etliche 20 Jahre gearbeitet, ins Reine, da wir
denn über die Reinligkeit und Fermete seiner Schrift, sowol im Grichisch= als Lanteinischen
uns billig wundern musten. Es wird dieses Lexicon kein allgemeines Wörter-Buch seyn,
sondern (1.) solche Worte, welche bisher nicht bekannt gewesen, oder welche (2) von andern
falsch erkläret worden, oder auch (3.) solche, welche unterschiedene Bedeutungen haben;
und demnach einer mehrern Explication bedürffen, in sich faßen. Er erzahlte bey dieser
Gelegenheit, daß er das Grichische ohne Anweisung, von sich selbst gelernet, den geistlichen Stand
aber durch Veranlaßung einer Kranckheit ergriffen habe, welche ihm zugestoßen, als er aus
der teutschen Campagne, da die Frantzosen von dem Montecuculi Schläge bekommen, wieder nach
Hause gelanget. Er zeigte uns in seiner Zelle einen ungemein raren Codicem manuscript
von denen Briefen des Heiligen Augustini, auf Egyptisch Papier mit solchen lateinischen Buchstaben
welche man unciales nennet, im 6ten Seculo geschrieben, und noch sehr wohl zu lesen.
Es ist dieses Egyptische Papier bekanntermaßen eine dünne Rinde, welche unter der aus-
wendigen gröbern des Egyptischen Baumes Papirus sitzet, davon zwey Stücke, eines nach der
Länge und das andere nach der Quere übereinander geklebet, iedesmal ein Blatt oder
Bogen ausmachen. Weil indeßen diese Egyptischen Blätter etwas brüchig sind, so
sind hin und wieder Blätter von Pergament, welche iedoch in einer Connexion mit
denen andern fort beschrieben sind, in diesem Codice zu befinden. Es ist dieser
Codex aus der Verlaßenschaft eines banquerout gewordenen Marquis, einem deßelben
Schuldner statt seiner Forderung von 150 livres, zu Theil worden, welcher sehr froh
gewesen, daß Montfaucon ihm sein Geld bezahlet, dieser hingegen eine ungleich
größre Freude gehabt, vor ein so geringes Geld ein so kostbares Stück zu erhalten.
Ferner wurde uns von ihm auf einem länglich viereckigten Postement ein Origi-
nal von der Egyptischen Abgöttin Isis gewiesen, welche in Gestalt einer Mumie,
iedoch aufrecht über dem gedachten Postement stund, und den Osiris, in Gestalt eines
Vogels, auf dem Kopfe sitzen hatte. Der Fond dieser Statüe ist von Holtz und
mit einer dem Gypß nicht ungleichen Materie dünne überzogen, auf diesem Gypß
aber mit bunten Farben und Gold gemahlet. Endlich bekamen wir ein eintzeln Perga-
ment-Blatt aus denen Episteln Pauli im 4ten Seculo, grichisch und mit großen Büch-
staben geschrieben, zu sehen, welches er sehr hoch astimirte, und daß der gantze
Codex nicht vorhanden, bedauerte. Abends nach 9 Uhr geht er zu Bette und um 6.
Uhr steht er wider auf,. hat noch sehr guten Schlaf, und ißt beständig maigre
wie es die Ordens-Regel der Abtey mit sich bringt. Als wir noch bey ihm waren,
fand sich ein frembder Geistlicher ein, welcher eines zwischen seinem Capitel von
dem Bischoff rechtshängigen Processes wegen sich hier aufhält, und consulirte ihn
über die Bedeutung des Wortes Viguier, welches in denen documenten, gedachten Pro
cess betreffend, oft vorkomme. Er belehrte ihn darauf, nach Aufschlagung einiger
Bücher, daß dieses Wort so viel als Vicarius bedeute, und zwar einen solchen
Vicarium der eine gewiße Jurisdiction im Nahmen eines andern verwalte. Auf
Befragen, ob er sich auch Bewegung mache, war seine Antwort: daß er wöchentlich
zweymal in die academie des belles lettres ginge, und alle Jahr einmal 4 bis 6 Tage
aufs Land reisete. Aus seiner Zelle verfügten wir uns auf die Bibliotec dieser
Abtey, welche in zwey großen Sälen vortreflich aufrangirt, und, nächst der Königlichen
hier die wichtigste ist. Die Manuscripta stehen in einem von der Bibliotec separirten be-
sondern Saal, und belauffen sich auf 8000 Volumina, unter welchen sehr viele von unge-
meinem Werth sind. Uns wurde von dem P. Bibliothecario vor dismal, weil es kalt war
weiter nichts gewiesen, als (1.) ein lateinisches Psalterium im 6ten Seculo auf Purpurfarbenen
Pergament mit silbernen virial-Buchstaben dergestalt geschrieben, daß der Nahme Gottes,
so oft er vorkam, durch goldne Buchstaben, iedoch von der übrigen Schrift distinguiret war.

Den 25 October

Haben wir dem in der gelehrten Welt so hoch berühmten Pere Montfaucon in der Abaye St. Germain
die Visite gegeben. Er ist 86 Jahre alt, ließt und schreibt aber unabläßig, iedoch mit der Brille und
brachte er aber sein Grichisches Lexicon, woran er etliche 20 Jahre gearbeitet, ins Reine, da wir
denn über die Reinligkeit und Fermeté seiner Schrift, sowol im Grichisch= als Lanteinischen
uns billig wundern musten. Es wird dieses Lexicon kein allgemeines Wörter-Buch seyn,
sondern (1.) solche Worte, welche bisher nicht bekannt gewesen, oder welche (2) von andern
falsch erkläret worden, oder auch (3.) solche, welche unterschiedene Bedeutungen haben;
und demnach einer mehrern Explication bedürffen, in sich faßen. Er erzahlte bey dieser
Gelegenheit, daß er das Grichische ohne Anweisung, von sich selbst gelernet, den geistlichen Stand
aber durch Veranlaßung einer Kranckheit ergriffen habe, welche ihm zugestoßen, als er aus
der teutschen Campagne, da die Frantzosen von dem Montecuculi Schläge bekommen, wieder nach
Hause gelanget. Er zeigte uns in seiner Zelle einen ungemein raren Codicem manuscript
von denen Briefen des Heiligen Augustini, auf Egyptisch Papier mit solchen lateinischen Buchstaben
welche man unciales nennet, im 6ten Seculo geschrieben, und noch sehr wohl zu lesen.
Es ist dieses Egyptische Papier bekanntermaßen eine dünne Rinde, welche unter der aus-
wendigen gröbern des Egyptischen Baumes Papirus sitzet, davon zwey Stücke, eines nach der
Länge und das andere nach der Quere übereinander geklebet, iedesmal ein Blatt oder
Bogen ausmachen. Weil indeßen diese Egyptischen Blätter etwas brüchig sind, so
sind hin und wieder Blätter von Pergament, welche iedoch in einer Connexion mit
denen andern fort beschrieben sind, in diesem Codice zu befinden. Es ist dieser
Codex aus der Verlaßenschaft eines banquerout gewordenen Marquis, einem deßelben
Schuldner statt seiner Forderung von 150 livres, zu Theil worden, welcher sehr froh
gewesen, daß Montfaucon ihm sein Geld bezahlet, dieser hingegen eine ungleich
größre Freude gehabt, vor ein so geringes Geld ein so kostbares Stück zu erhalten.
Ferner wurde uns von ihm auf einem länglich viereckigten Postement ein Origi-
nal von der Egyptischen Abgöttin Isis gewiesen, welche in Gestalt einer Mumie,
iedoch aufrecht über dem gedachten Postement stund, und den Osiris, in Gestalt eines
Vogels, auf dem Kopfe sitzen hatte. Der Fond dieser Statüe ist von Holtz und
mit einer dem Gypß nicht ungleichen Materie dünne überzogen, auf diesem Gypß
aber mit bunten Farben und Gold gemahlet. Endlich bekamen wir ein eintzeln Perga-
ment-Blatt aus denen Episteln Pauli im 4ten Seculo, grichisch und mit großen Büch-
staben geschrieben, zu sehen, welches er sehr hoch astimirte, und daß der gantze
Codex nicht vorhanden, bedauerte. Abends nach 9 Uhr geht er zu Bette und um 6.
Uhr steht er wider auf,. hat noch sehr guten Schlaf, und ißt beständig maigre
wie es die Ordens-Regel der Abtey mit sich bringt. Als wir noch bey ihm waren,
fand sich ein frembder Geistlicher ein, welcher eines zwischen seinem Capitel von
dem Bischoff rechtshängigen Processes wegen sich hier aufhält, und consulirte ihn
über die Bedeutung des Wortes Viguier, welches in denen documenten, gedachten Pro
cess betreffend, oft vorkomme. Er belehrte ihn darauf, nach Aufschlagung einiger
Bücher, daß dieses Wort so viel als Vicarius bedeute, und zwar einen solchen
Vicarium der eine gewiße Jurisdiction im Nahmen eines andern verwalte. Auf
Befragen, ob er sich auch Bewegung mache, war seine Antwort: daß er wöchentlich
zweymal in die academie des belles lettres ginge, und alle Jahr einmal 4 bis 6 Tage
aufs Land reisete. Aus seiner Zelle verfügten wir uns auf die Bibliotec dieser
Abtey, welche in zwey großen Sälen vortreflich aufrangirt, und, nächst der Königlichen
hier die wichtigste ist. Die Manuscripta stehen in einem von der Bibliotec separirten be-
sondern Saal, und belauffen sich auf 8000 Volumina, unter welchen sehr viele von unge-
meinem Werth sind. Uns wurde von dem P. Bibliothecario vor dismal, weil es kalt war
weiter nichts gewiesen, als (1.) ein lateinisches Psalterium im 6ten Seculo auf Purpurfarbenen
Pergament mit silbernen virial-Buchstaben dergestalt geschrieben, daß der Nahme Gottes,
so oft er vorkam, durch goldne Buchstaben, iedoch von der übrigen Schrift distinguiret war.

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[0023] Den 25 Octobr: Haben wir dem in der gelehrten Welt so hoch berühmten Pere Montfaucon in der Abaye St. Germain die Visite gegeben. Er ist 86 Jahre alt, ließt und schreibt aber unabläßig, iedoch mit der Brille und brachte er aber sein Grichisches Lexicon, woran er etliche 20 Jahre gearbeitet, ins Reine, da wir denn über die Reinligkeit und Fermeté seiner Schrift, sowol im Grichisch= als Lanteinischen uns billig wundern musten. Es wird dieses Lexicon kein allgemeines Wörter-Buch seyn, sondern (1.) solche Worte, welche bisher nicht bekannt gewesen, oder welche (2) von andern falsch erkläret worden, oder auch (3.) solche, welche unterschiedene Bedeutungen haben; und demnach einer mehrern Explication bedürffen, in sich faßen. Er erzahlte bey dieser Gelegenheit, daß er das Grichische ohne Anweisung, von sich selbst gelernet, den geistlichen Stand aber durch Veranlaßung einer Kranckheit ergriffen habe, welche ihm zugestoßen, als er aus der teutschen Campagne, da die Frantzosen von dem Montecuculi Schläge bekommen, wieder nach Hause gelanget. Er zeigte uns in seiner Zelle einen ungemein raren Codicem manuscript von denen Briefen des Heil: Augustini, auf Egyptisch Papier mit solchen lateinischen Buchstaben welche man unciales nennet, im 6ten Seculo geschrieben, und noch sehr wohl zu lesen. Es ist dieses Egyptische Papier bekanntermaßen eine dünne Rinde, welche unter der aus- wendigen gröbern des Egyptischen Baumes Papirus sitzet, davon zwey Stücke, eines nach der Länge und das andere nach der Quere übereinander geklebet, iedesmal ein Blatt oder Bogen ausmachen. Weil indeßen diese Egyptischen Blätter etwas brüchig sind, so sind hin und wieder Blätter von Pergament, welche iedoch in einer Connexion mit denen andern fort beschrieben sind, in diesem Codice zu befinden. Es ist dieser Codex aus der Verlaßenschaft eines banquerout gewordenen Marquis, einem deßelben Schuldner statt seiner Forderung von 150 livres, zu Theil worden, welcher sehr froh gewesen, daß Montfaucon ihm sein Geld bezahlet, dieser hingegen eine ungleich größre Freude gehabt, vor ein so geringes Geld ein so kostbares Stück zu erhalten. Ferner wurde uns von ihm auf einem länglich viereckigten Postement ein Origi- nal von der Egyptischen Abgöttin Isis gewiesen, welche in Gestalt einer Mumie, iedoch aufrecht über dem gedachten Postement stund, und den Osiris, in Gestalt eines Vogels, auf dem Kopfe sitzen hatte. Der Fond dieser Statüe ist von Holtz und mit einer dem Gypß nicht ungleichen Materie dünne überzogen, auf diesem Gypß aber mit bunten Farben und Gold gemahlet. Endlich bekamen wir ein eintzeln Perga- ment-Blatt aus denen Episteln Pauli im 4ten Seculo, grichisch und mit großen Büch- staben geschrieben, zu sehen, welches er sehr hoch astimirte, und daß der gantze Codex nicht vorhanden, bedauerte. Abends nach 9 Uhr geht er zu Bette und um 6. Uhr steht er wider auf,. hat noch sehr guten Schlaf, und ißt beständig maigre wie es die Ordens-Regel der Abtey mit sich bringt. Als wir noch bey ihm waren, fand sich ein frembder Geistlicher ein, welcher eines zwischen seinem Capitel von dem Bischoff rechtshängigen Processes wegen sich hier aufhält, und consulirte ihn über die Bedeutung des Wortes Viguier, welches in denen documenten, gedachten Pro cess betreffend, oft vorkomme. Er belehrte ihn darauf, nach Aufschlagung einiger Bücher, daß dieses Wort so viel als Vicarius bedeute, und zwar einen solchen Vicarium der eine gewiße Jurisdiction im Nahmen eines andern verwalte. Auf Befragen, ob er sich auch Bewegung mache, war seine Antwort: daß er wöchentlich zweymal in die academie des belles lettres ginge, und alle Jahr einmal 4 bis 6 Tage aufs Land reisete. Aus seiner Zelle verfügten wir uns auf die Bibliotec dieser Abtey, welche in zwey großen Sälen vortreflich aufrangirt, und, nächst der Königl: hier die wichtigste ist. Die Manuscripta stehen in einem von der Bibliotec separirten be- sondern Saal, und belauffen sich auf 8000 Volumina, unter welchen sehr viele von unge- meinem Werth sind. Uns wurde von dem P. Bibliothecario vor dismal, weil es kalt war weiter nichts gewiesen, als (1.) ein lateinisches Psalterium im 6ten Seculo auf Purpurfarbenen Pergament mit silbernen virial-Buchstaben dergestalt geschrieben, daß der Nahme Gottes, so oft er vorkam, durch goldne Buchstaben, iedoch von der übrigen Schrift distinguiret war.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/23>, abgerufen am 14.08.2024.