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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 22
Den 5 Martii

Aus dem heutigen Passions-Penso wurde vorgestellet, das Leiden Christi vor
dem geistlichen Gericht, 1) in Ansehung seiner eignen Person und 2) in
Ansehung des falls Petri. Mittags speiseten wir bey dem Dähnischen Gesandten
in Gesellschaft des Herrn von Böhmer und Herrn von Werneck, welcher letztere ein ge-
lehrter Mann zu seyn scheinet. Er hat zu Halle studiret und ist an
Wolfen sehr attachiret gewesen, hält denselben aber in Mathematicis
vor ein sehr kleines Licht, meinte auch, daß er der hiesigen Societaet
Wißenschaften durch bloße Cabalen des Monsieur Raumar, der sein guter
Freund sey, associiret worden.

Den 6 Martii

Den Päbstlichen Nuncium trafen wir nicht zu Hause an, und Madame
de Montbrun
war nicht zu sprechen. Bey dem Duc de Gesvres
aber fanden wir große Gesellschaft, davon die Haupt-Personen wa[unleserliches Material]ren die
Comtesse de Seaux nebst ihrem Vater dem Marquis d'Effect, die Comtesse
de Treme
nebst ihrem Vater dem Marechal de Montmorency, welcher
auch Chevalier de Sankt Esprit ist, die Marquise de Luc nebst ihrer Tochter.
Illustrissimus bedanckten sich vor die letzten zum Present empfangene Kupfer-
Stiche und amusireten sich nebst dem Duc mit Besichtigung eines
großen Plans von der Herrschaft Sain[unleserliches Material]t-Ouen, welche demselben zuge-
hörig ist, weil der Feldmeßer diese seine Arbeit eben überbrachte
und davor 300 Livres zur Bezahlung erhielt. Es wurde auch von einer
hier unter der Hand roulirenden Speciefacti der Mademoiselle la
Comtesse de Nogent gesprochen, welche in den Verdacht gerathen, als
ob sie mit einem jungen Organisten, den sie zum Clavir-Meister
und Secretario angenommen, allzu confident lebe und denselben
gar heirathen wolle, wodurch ihre vornehme Freunde veranlaßet
worden, vermittelst einer ausgewürckten lettre de Chachet sie
in ein hiesiges Nonnen-Closter bringen, und alle ihre Effecten
versiegeln zu laßen. Weil nun der Transport ins Closter durch
einen Policey-Officier und 12 [unleserliches Material]Archers geschehen, die Comtesse de No-
gent
der obgedachten Intention auch keines weges geständig ist, gleich-
wol aber schon in den 8ten Monath ihre Freylaßung vergeblich
sollicitiret. So hat sie endlich das Mittel ergriffen, ihr vermeintlich
leidendes Unrecht durch öffentlichen Druck bekant zu machen. Wie
denn die piece sehr wohl und lebhaft geschrieben ist und dafür
gehalten wird, daß sie alles selbst aufgesetzet habe. Indeßen wur-
de ihr in dem Gesvresischen Hause Unrecht gegeben. Ferner legten
wir bey Monsieur und Madame de la Faye eine Visite ab, und beschloßen
endlich diesen Abend mit dem Besuch des prince de Turenne. Wir
trafen ihn mit seinem Praeceptore, einem Abbe, über dem
Terrentio an. Weil der Preußische Antimachiavel und zwar die
erste Edition bey der Hand lag, so wurde über die ehemals schon
berührte Passage von denen Patriarchen, mit Monsieur Ramsey gesprochen,

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Nummer 22
Den 5 Martii

Aus dem heutigen Passions-Penso wurde vorgestellet, das Leiden Christi vor
dem geistlichen Gericht, 1) in Ansehung seiner eignen Person und 2) in
Ansehung des falls Petri. Mittags speiseten wir bey dem Dähnischen Gesandten
in Gesellschaft des Herrn von Böhmer und Herrn von Werneck, welcher letztere ein ge-
lehrter Mann zu seyn scheinet. Er hat zu Halle studiret und ist an
Wolfen sehr attachiret gewesen, hält denselben aber in Mathematicis
vor ein sehr kleines Licht, meinte auch, daß er der hiesigen Societaet
Wißenschaften durch bloße Cabalen des Monsieur Raumar, der sein guter
Freund sey, associiret worden.

Den 6 Martii

Den Päbstlichen Nuncium trafen wir nicht zu Hause an, und Madame
de Montbrun
war nicht zu sprechen. Bey dem Duc de Gesvres
aber fanden wir große Gesellschaft, davon die Haupt-Personen wa[unleserliches Material]ren die
Comtesse de Seaux nebst ihrem Vater dem Marquis d’Effect, die Comtesse
de Trême
nebst ihrem Vater dem Marechal de Montmorency, welcher
auch Chevalier de Sankt Esprit ist, die Marquise de Luc nebst ihrer Tochter.
Illustrissimus bedanckten sich vor die letzten zum Present empfangene Kupfer-
Stiche und amusireten sich nebst dem Duc mit Besichtigung eines
großen Plans von der Herrschaft Sain[unleserliches Material]t-Ouen, welche demselben zuge-
hörig ist, weil der Feldmeßer diese seine Arbeit eben überbrachte
und davor 300 Livres zur Bezahlung erhielt. Es wurde auch von einer
hier unter der Hand roulirenden Speciefacti der Mademoiselle la
Comtesse de Nogent gesprochen, welche in den Verdacht gerathen, als
ob sie mit einem jungen Organisten, den sie zum Clavir-Meister
und Secretario angenommen, allzu confident lebe und denselben
gar heirathen wolle, wodurch ihre vornehme Freunde veranlaßet
worden, vermittelst einer ausgewürckten lettre de Chachet sie
in ein hiesiges Nonnen-Closter bringen, und alle ihre Effecten
versiegeln zu laßen. Weil nun der Transport ins Closter durch
einen Policey-Officier und 12 [unleserliches Material]Archers geschehen, die Comtesse de No-
gent
der obgedachten Intention auch keines weges geständig ist, gleich-
wol aber schon in den 8ten Monath ihre Freylaßung vergeblich
sollicitiret. So hat sie endlich das Mittel ergriffen, ihr vermeintlich
leidendes Unrecht durch öffentlichen Druck bekant zu machen. Wie
denn die piece sehr wohl und lebhaft geschrieben ist und dafür
gehalten wird, daß sie alles selbst aufgesetzet habe. Indeßen wur-
de ihr in dem Gesvresischen Hause Unrecht gegeben. Ferner legten
wir bey Monsieur und Madame de la Faye eine Visite ab, und beschloßen
endlich diesen Abend mit dem Besuch des prince de Turenne. Wir
trafen ihn mit seinem Praeceptore, einem Abbé, über dem
Terrentio an. Weil der Preußische Antimachiavel und zwar die
erste Edition bey der Hand lag, so wurde über die ehemals schon
berührte Passage von denen Patriarchen, mit Monsieur Ramsey gesprochen,

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[0194] 90 No 22 Den 5 Mart. Aus dem heutigen Passions-Penso wurde vorgestellet, das Leiden Christi vor dem geistlichen Gericht, 1) in Ansehung seiner eignen Person und 2) in Ansehung des falls Petri. Mittags speiseten wir bey dem Dähnischen Gesandten in Gesellschaft des H. v. Böhmer u. H. v. Werneck, welcher letztere ein ge- lehrter Mann zu seyn scheinet. Er hat zu Halle studiret und ist an Wolfen sehr attachiret gewesen, hält denselben aber in Mathematicis vor ein sehr kleines Licht, meinte auch, daß er der hiesigen Societaet Wißenschaften durch bloße Cabalen des Mr: Raumar, der sein guter Freund sey, associiret worden. Den 6 Mart: Den Päbstl: Nuncium trafen wir nicht zu Hause an, und Madame de Montbrun war nicht zu sprechen. Bey dem Duc de Gesvres aber fanden wir große Gesellschaft, davon die Haupt-Personen waren die Comtesse de Seaux nebst ihrem Vater dem Marquis d’Effect, die Comtesse de Trême nebst ihrem Vater dem Marechal de Montmorency, welcher auch Chevalier de St. Esprit ist, die Marquise de Luc nebst ihrer Tochter. Illmus bedanckten sich vor die letzten zum Present empfangene Kupfer- Stiche und amusireten sich nebst dem Duc mit Besichtigung eines großen Plans von der Herrschaft Saint-Ouen, welche demselben zuge- hörig ist, weil der Feldmeßer diese seine Arbeit eben überbrachte und davor 300 Lv zur Bezahlung erhielt. Es wurde auch von einer hier unter der Hand roulirenden Speciefacti der Mademoiselle la Comtesse de Nogent gesprochen, welche in den Verdacht gerathen, als ob sie mit einem jungen Organisten, den sie zum Clavir-Meister und Secretario angenommen, allzu confident lebe und denselben gar heirathen wolle, wodurch ihre vornehme Freunde veranlaßet worden, vermittelst einer ausgewürckten lettre de Chachet sie in ein hiesiges Nonnen-Closter bringen, und alle ihre Effecten versiegeln zu laßen. Weil nun der Transport ins Closter durch einen Policey-Officier und 12 Archers geschehen, die Comtesse de No- gent der obgedachten Intention auch keines weges geständig ist, gleich- wol aber schon in den 8ten Monath ihre Freylaßung vergeblich sollicitiret. So hat sie endlich das Mittel ergriffen, ihr vermeintlich leidendes Unrecht durch öffentlichen Druck bekant zu machen. Wie denn die piece sehr wohl und lebhaft geschrieben ist und dafür gehalten wird, daß sie alles selbst aufgesetzet habe. Indeßen wur- de ihr in dem Gesvresischen Hause Unrecht gegeben. Ferner legten wir bey Mr. u. Mad: de la Faye eine Visite ab, und beschloßen endl: diesen Abend mit dem Besuch des prince de Turenne. Wir trafen ihn mit seinem Praeceptore, einem Abbé, über dem Terrentio an. Weil der Preußil: Antimachiavel und zwar die erste Edition bey der Hand lag, so wurde über die ehemals schon berührte Passage von denen Patriarchen, mit Mr. Ramsey gesprochen,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/194>, abgerufen am 21.11.2024.