Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].81 bisher vergeblich gesuchte Glück, ihn endlich vor dismal anzutreffen,Er ist ein 80 jähriger, aber dabey noch vollkommen muntrer Mann, und empfing uns mit einer unaffectirten Freundlig= und Treu- hertzigkeit. Die teutsche Gewohnheit des Reisens approbirte er, noch mehr aber wenn solches auf die Weise geschähe, daß man nichts nur Städte und Häuser, noch vielweniger die gewöhnlichen Plaisirs zu seinem Objecto mache, sondern etwas reales einsammle. Wie die belles lettres in Teutschland getrieben würden, das musten wir ihm auf sein Verlangen erzehlen, erhielte aber doch davor, daß die teutsche Nation zu denen selben nicht so aufgelegt sey, oder wenigstens sich darauf nicht so starck applicire, als auf die recht solide und profunde Erudition. Wir sagten ihm, daß seine methode pour etudier in unserm Vaterland hoch aestimiret werde, und danckten ihm zugleich vor den Vortheil, welchen auch wir vor unsre Personen daraus geschöpfet, da er uns denn erzehlte, daß er dergleichen Dancksagungen auch von andern bekommen, und sich freue dem Publico genutzet zu haben. Wir kamen bey dieser Gelegen- heit auf den König in Preußen zu sprechen, welcher schon als Printz viel mit ihm correspondiret, und ihn gleichfals vor seine Bücher öfters gedancket habe. Des Königs Briefe konte er wegen der darinn enthaltenen realen sentimens und treflichen Schreib-Art nicht gnug admiriren, communicirte uns aber nur zur Probe. Seine Gratulation zum Antritt zur Regierung und die darauf erfolgte Antwort. Jene faßte viele gute und christliche Lehren vor einen angehenden jungen Regenten in sich, diese aber war kurtz und fing sich ohngefähr also an: Monsieur Rollin, je trouve dans votre lettre les conseilles und bald darauf hieß es: Den Schluß machte das Lateinische Wort Vale. 81 bisher vergeblich gesuchte Glück, ihn endlich vor dismal anzutreffen,Er ist ein 80 jähriger, aber dabey noch vollkommen muntrer Mann, und empfing uns mit einer unaffectirten Freundlig= und Treu- hertzigkeit. Die teutsche Gewohnheit des Reisens approbirte er, noch mehr aber wenn solches auf die Weise geschähe, daß man nichts nur Städte und Häuser, noch vielweniger die gewöhnlichen Plaisirs zu seinem Objecto mache, sondern etwas reales einsammle. Wie die belles lettres in Teutschland getrieben würden, das musten wir ihm auf sein Verlangen erzehlen, erhielte aber doch davor, daß die teutsche Nation zu denen selben nicht so aufgelegt sey, oder wenigstens sich darauf nicht so starck applicire, als auf die recht solide und profunde Erudition. Wir sagten ihm, daß seine methode pour etudier in unserm Vaterland hoch aestimiret werde, und danckten ihm zugleich vor den Vortheil, welchen auch wir vor unsre Personen daraus geschöpfet, da er uns denn erzehlte, daß er dergleichen Dancksagungen auch von andern bekommen, und sich freue dem Publico genutzet zu haben. Wir kamen bey dieser Gelegen- heit auf den König in Preußen zu sprechen, welcher schon als Printz viel mit ihm correspondiret, und ihn gleichfals vor seine Bücher öfters gedancket habe. Des Königs Briefe konte er wegen der darinn enthaltenen realen sentimens und treflichen Schreib-Art nicht gnug admiriren, communicirte uns aber nur zur Probe. Seine Gratulation zum Antritt zur Regierung und die darauf erfolgte Antwort. Jene faßte viele gute und christliche Lehren vor einen angehenden jungen Regenten in sich, diese aber war kurtz und fing sich ohngefähr also an: Monsieur Rollin, je trouve dans votre lettre les conseilles und bald darauf hieß es: Den Schluß machte das Lateinische Wort Vale. <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0174"/><fw type="folNum" place="top">81</fw><lb/> bisher vergeblich gesuchte Glück, ihn endlich vor dismal anzutreffen,<lb/> Er ist ein 80 jähriger, aber dabey noch vollkommen muntrer Mann,<lb/> und empfing uns mit einer unaffectirten Freundlig= und Treu-<lb/> hertzigkeit. 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bisher vergeblich gesuchte Glück, ihn endlich vor dismal anzutreffen,
Er ist ein 80 jähriger, aber dabey noch vollkommen muntrer Mann,
und empfing uns mit einer unaffectirten Freundlig= und Treu-
hertzigkeit. Die teutsche Gewohnheit des Reisens approbirte er,
noch mehr aber wenn solches auf die Weise geschähe, daß man
nicht nur Städte und Häuser, noch vielweniger die gewöhnl:
Plaisirs zu seinem Objecto mache, sondern etwas reales
einsammle. Wie die belles lettres in Teutschland getrieben
würden, das musten wir ihm auf sein Verlangen erzehlen,
erhielte aber doch davor, daß die teutsche Nation zu denen selben
nicht so aufgelegt sey, oder wenigstens sich darauf nicht so
starck applicire, als auf die recht solide und profunde
Erudition. Wir sagten ihm, daß seine methode pour etudier
in unserm Vaterland hoch aestimiret werde, und danckten ihm
zugleich vor den Vortheil, welchen auch wir vor unsre Personen
daraus geschöpfet, da er uns denn erzehlte, daß er dergl:
Dancksagungen auch von andern bekommen, und sich freue dem
Publico genutzet zu haben. Wir kamen bey dieser Gelegen-
heit auf den König in Preußen zu sprechen, welcher schon
als Printz viel mit ihm correspondiret, und ihn gleichfals vor
seine Bücher öfters gedancket habe. Des Königs Briefe
konte er wegen der darinn enthaltenen realen sentimens
und treflichen Schreib-Art nicht gnug admiriren, communicirte
uns aber nur zur Probe. Seine Gratulation zum Antritt
zur Regierung und die darauf erfolgte Antwort. Jene
faßte viele gute und christl: Lehren vor einen angehenden
jungen Regenten in sich, diese war kurtz und fing
sich ohngefähr also an:
Mr: Rollin, je trouve dans votre lettre les conseilles
d’un Sage, la tendresse d’une nourice, es l’empressement
d’un ami p
und bald darauf hieß es:
vos avis, mon cher et venerable Rollin, me sont beaucoup
plus utiles que les complimens faux es souvent insipides
des flatteurs.
Den Schluß machte das Lateinische Wort Vale.
Wir baten uns von beyden Briefen Abschrift aus, musten uns
aber mit der Entschuldigung begnügen, daß er von dieser Correspondentz
noch niemals jemanden solche accordiret habe. Er versicherte
zu dem König eine recht zärtliche Zuneigung zu haben, um
so vielmehr aber 1) wegen des Schlesischen Vornehmens und 2) we-
gen des Anti-Machiavel embrassiret zu seyn. Jenes lauffe zwar
eigentl: in sein Forum nicht, in dem gedachten Antimachiavel aber
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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