Was für ein sanftes Entzüken fliesst aus dir izt mir zu, herbstliche Gegend? Wie schmükt sich das sterbende Jahr! Gelb stehn die Sarbachen und die Weiden um die Teiche her, gelb stehn die Apfel- und die Birnen-Bäume, auf bunten Hügeln und auf der grünen Flur, vom feurigen Roth des Kirschbaums durchmischt. Der herbft- liche Hain ist bunt, wie im Frühling die Wiese, wenn sie voll Blumen steht; Ein röthlichtes Ge- misch zieht von dem Berg sich ins Thal, von im- mer grünen Tannen und Fichten geflekt. Schon rauschet gesunkenes Laub unter des Wandelnden Füssen, ernsthaft irren die Herden, auf welkem Blumen-losem Gras; nur steht die röthlichte Zeit- lose da, der einsame Botte des Winters. Izt kommt die Ruhe des Winters, ihr Bäume, die ihr uns mild eure reifen Früchte gegeben, und kühlenden Schatten, dem Hirt und der Herde. O! so gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn süsse Früchte getragen, und erquikenden
Was für ein ſanftes Entzüken flieſst aus dir izt mir zu, herbſtliche Gegend? Wie ſchmükt ſich das ſterbende Jahr! Gelb ſtehn die Sarbachen und die Weiden um die Teiche her, gelb ſtehn die Apfel- und die Birnen-Bäume, auf bunten Hügeln und auf der grünen Flur, vom feurigen Roth des Kirſchbaums durchmiſcht. Der herbft- liche Hain iſt bunt, wie im Frühling die Wieſe, wenn ſie voll Blumen ſteht; Ein röthlichtes Ge- miſch zieht von dem Berg ſich ins Thal, von im- mer grünen Tannen und Fichten geflekt. Schon rauſchet geſunkenes Laub unter des Wandelnden Füſſen, ernſthaft irren die Herden, auf welkem Blumen-loſem Gras; nur ſteht die röthlichte Zeit- loſe da, der einſame Botte des Winters. Izt kommt die Ruhe des Winters, ihr Bäume, die ihr uns mild eure reifen Früchte gegeben, und kühlenden Schatten, dem Hirt und der Herde. O! ſo gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn ſüſſe Früchte getragen, und erquikenden
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Was für ein ſanftes Entzüken flieſst aus dir izt
mir zu, herbſtliche Gegend? Wie ſchmükt ſich
das ſterbende Jahr! Gelb ſtehn die Sarbachen
und die Weiden um die Teiche her, gelb ſtehn
die Apfel- und die Birnen-Bäume, auf bunten
Hügeln und auf der grünen Flur, vom feurigen
Roth des Kirſchbaums durchmiſcht. Der herbft-
liche Hain iſt bunt, wie im Frühling die Wieſe,
wenn ſie voll Blumen ſteht; Ein röthlichtes Ge-
miſch zieht von dem Berg ſich ins Thal, von im-
mer grünen Tannen und Fichten geflekt. Schon
rauſchet geſunkenes Laub unter des Wandelnden
Füſſen, ernſthaft irren die Herden, auf welkem
Blumen-loſem Gras; nur ſteht die röthlichte Zeit-
loſe da, der einſame Botte des Winters. Izt
kommt die Ruhe des Winters, ihr Bäume, die
ihr uns mild eure reifen Früchte gegeben, und
kühlenden Schatten, dem Hirt und der Herde.
O! ſo gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe
denn ſüſſe Früchte getragen, und erquikenden
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/93>, abgerufen am 16.02.2025.
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