[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.Nachtigal schwieg und horchte die zärtlichen Ac- E 3
Nachtigal ſchwieg und horchte die zärtlichen Ac- E 3
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Nachtigal ſchwieg und horchte die zärtlichen Ac-
cente. Lange ſäumt er; doch ‒ ‒ horche ‒ ‒ ich
höre ein plätſchern, wie wenn Wellen wider
einen Nachen ſchlagen. Kömmſt du? Ja! ‒ doch
nein; wollt ihr mich noch oft betriegen ihr
plätſchernden Wellen? O! ſpottet nicht des un-
gedultigen Wartens des zärtlichſten Mädchens!
Wo biſt du izt Geliebter? beflügelt Ungedult nicht
deine Füſſe? wandelſt du izt im Hain dem Ufer
zu? O daſs kein Dorn die eilenden Füſſe verleze,
und keine ſchleichende Schlange deine Ferſen!
Du keuſche Göttin, Luna, oder Diana, mit dem
nie-fehlenden Bogen, ſtreue von deinem ſanften
Glanz auf ſeinen Weg hin! O wenn du aus dem
Nachen ſteigſt, wie will ich dich umarmen! ‒ ‒
Aber izt, gewiſs izt, izt triegt ihr mich doch
nicht ihr Wellen! o ſchlaget ſanft den Nachen!
traget ihn ſorgfältig auf euerm Rüken! O ihr
Nymphen, wenn ihr je geliebt habet, wenn ihr
je wiſst was zärtliche Erwartung iſt ‒ ‒ ich ſeh
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Zitationshilfe: | [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/74>, abgerufen am 25.07.2024. |