die Sonne wich, die schöne Chloe mir die ersten Küsse gab; hier standst du und seufztest, als mei- ne zitternden Arme dich umschlangen, als meine stokende Stimme meine Liebe dir sagte, und mein pochendes Herz und meine Thränen im Aug. O da Chloe! da entsank dein Hirten-Stab der zitternden Hand, da sankst du an meine bebende Brust; Lycas! so stammeltest du, o Lycas! ich liebe dich! Ihr stillen Büsche, ihr einsamen Quel- len seyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge- klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine Thränen wie Thau!
O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus- sprechliches Glük ist die Liebe! hier dieser Ort sey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme her Rosen-Stauden pflanzen, und die schlanke Waldwinde soll sich an ihrem Stamm hoch hin- auf schlingen, mit den weissen Purpur-gestreiften Blumen geschmükt; ich will hieher den ganzen Frühling sammeln; die schöne Saat-Rose will
die Sonne wich, die ſchöne Chloe mir die erſten Küſſe gab; hier ſtandſt du und ſeufzteſt, als mei- ne zitternden Arme dich umſchlangen, als meine ſtokende Stimme meine Liebe dir ſagte, und mein pochendes Herz und meine Thränen im Aug. O da Chloe! da entſank dein Hirten-Stab der zitternden Hand, da ſankſt du an meine bebende Bruſt; Lycas! ſo ſtammelteſt du, o Lycas! ich liebe dich! Ihr ſtillen Büſche, ihr einſamen Quel- len ſeyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge- klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine Thränen wie Thau!
O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus- ſprechliches Glük iſt die Liebe! hier dieſer Ort ſey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme her Roſen-Stauden pflanzen, und die ſchlanke Waldwinde ſoll ſich an ihrem Stamm hoch hin- auf ſchlingen, mit den weiſſen Purpur-geſtreiften Blumen geſchmükt; ich will hieher den ganzen Frühling ſammeln; die ſchöne Saat-Roſe will
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die Sonne wich, die ſchöne Chloe mir die erſten
Küſſe gab; hier ſtandſt du und ſeufzteſt, als mei-
ne zitternden Arme dich umſchlangen, als meine
ſtokende Stimme meine Liebe dir ſagte, und mein
pochendes Herz und meine Thränen im Aug.
O da Chloe! da entſank dein Hirten-Stab der
zitternden Hand, da ſankſt du an meine bebende
Bruſt; Lycas! ſo ſtammelteſt du, o Lycas! ich
liebe dich! Ihr ſtillen Büſche, ihr einſamen Quel-
len ſeyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge-
klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine
Thränen wie Thau!
O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus-
ſprechliches Glük iſt die Liebe! hier dieſer Ort
ſey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme
her Roſen-Stauden pflanzen, und die ſchlanke
Waldwinde ſoll ſich an ihrem Stamm hoch hin-
auf ſchlingen, mit den weiſſen Purpur-geſtreiften
Blumen geſchmükt; ich will hieher den ganzen
Frühling ſammeln; die ſchöne Saat-Roſe will
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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