des Frommen! Gewiss gieng dein zitternder Fuss aus der Hutte hervor, in stillem Gebete den Abend zu feyren, und betend schliefest du ein. Du hast auch für mich gebetet, Vater! Ach wie glüklich bin ich! die Götter hören dein Ge- bet; oder warum ruht unsere Hütte so sicher in den von Früchten gebogenen Aesten, warum ist der Segen auf unserer Herde und auf den Früch- ten unsers Feldes? Oft wenn du bey meiner schwachen Sorge für die Ruhe deines matten Alters Freuden-Thränen weinst; wann du dann gen Himmel blikest und freudig mich segnest, ach was empfind ich dann, Vater! Ach dann schwellt mir die Brust, und häufige Thränen quil- len vom Auge! Da du heut an meinem Arm aus der Hütte giengest, an der wärmenden Sonne dich zu erquiken, und die frohe Herde um dich her sahest und die Bäume voll Früchte, und die fruchtbare Gegend umher, da sprachst du, meine Haare sind unter Freuden grau worden, seyd
des Frommen! Gewiſs gieng dein zitternder Fuſs aus der Hutte hervor, in ſtillem Gebete den Abend zu feyren, und betend ſchliefeſt du ein. Du haſt auch für mich gebetet, Vater! Ach wie glüklich bin ich! die Götter hören dein Ge- bet; oder warum ruht unſere Hütte ſo ſicher in den von Früchten gebogenen Aeſten, warum iſt der Segen auf unſerer Herde und auf den Früch- ten unſers Feldes? Oft wenn du bey meiner ſchwachen Sorge für die Ruhe deines matten Alters Freuden-Thränen weinſt; wann du dann gen Himmel blikeſt und freudig mich ſegneſt, ach was empfind ich dann, Vater! Ach dann ſchwellt mir die Bruſt, und häufige Thränen quil- len vom Auge! Da du heut an meinem Arm aus der Hütte giengeſt, an der wärmenden Sonne dich zu erquiken, und die frohe Herde um dich her ſaheſt und die Bäume voll Früchte, und die fruchtbare Gegend umher, da ſprachſt du, meine Haare ſind unter Freuden grau worden, ſeyd
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des Frommen! Gewiſs gieng dein zitternder
Fuſs aus der Hutte hervor, in ſtillem Gebete
den Abend zu feyren, und betend ſchliefeſt du
ein. Du haſt auch für mich gebetet, Vater! Ach
wie glüklich bin ich! die Götter hören dein Ge-
bet; oder warum ruht unſere Hütte ſo ſicher in
den von Früchten gebogenen Aeſten, warum iſt
der Segen auf unſerer Herde und auf den Früch-
ten unſers Feldes? Oft wenn du bey meiner
ſchwachen Sorge für die Ruhe deines matten
Alters Freuden-Thränen weinſt; wann du dann
gen Himmel blikeſt und freudig mich ſegneſt,
ach was empfind ich dann, Vater! Ach dann
ſchwellt mir die Bruſt, und häufige Thränen quil-
len vom Auge! Da du heut an meinem Arm aus
der Hütte giengeſt, an der wärmenden Sonne
dich zu erquiken, und die frohe Herde um dich
her ſaheſt und die Bäume voll Früchte, und die
fruchtbare Gegend umher, da ſprachſt du, meine
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/34>, abgerufen am 04.07.2024.
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