Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

den Bedürfnissen, die nur die unglükliche
Entfernung von der Natur nothwendig ma-
chet, sie empfangen bey unverdorbenem Her-
zen und Verstand ihr Glük gerade aus der
Hand dieser milden Mutter, und wohnen
in Gegenden, wo sie nur wenig Hülfe for-
dert, um ihnen die unschuldigen Bedürfnisse
und Bequemlichkeiten reichlich darzubieten.
Kurz, sie schildert uns ein goldnes Weltalter,
das gewiss einmal da gewesen ist, denn da-
von kan uns die Geschichte der Patriarchen
überzeugen, und die Einfalt der Sitten, die
uns Homer schildert, scheint auch in den
kriegerischen Zeiten noch ein Ueberbleibsel
desselben zu seyn. Diese Dichtungs-Art
bekömmt daher einen besondern Vortheil,
wenn man die Scenen in ein entferntes Welt-
alter sezt; sie erhalten dardurch einen höhern

A 4

den Bedürfniſſen, die nur die unglükliche
Entfernung von der Natur nothwendig ma-
chet, ſie empfangen bey unverdorbenem Her-
zen und Verſtand ihr Glük gerade aus der
Hand dieſer milden Mutter, und wohnen
in Gegenden, wo ſie nur wenig Hülfe for-
dert, um ihnen die unſchuldigen Bedürfniſſe
und Bequemlichkeiten reichlich darzubieten.
Kurz, ſie ſchildert uns ein goldnes Weltalter,
das gewiſs einmal da geweſen iſt, denn da-
von kan uns die Geſchichte der Patriarchen
überzeugen, und die Einfalt der Sitten, die
uns Homer ſchildert, ſcheint auch in den
kriegeriſchen Zeiten noch ein Ueberbleibſel
deſſelben zu ſeyn. Dieſe Dichtungs-Art
bekömmt daher einen beſondern Vortheil,
wenn man die Scenen in ein entferntes Welt-
alter ſezt; ſie erhalten dardurch einen höhern

A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <p> <hi rendition="#i"><pb facs="#f0012" n="7"/>
den Bedürfni&#x017F;&#x017F;en, die nur die unglükliche<lb/>
Entfernung von der Natur nothwendig ma-<lb/>
chet, &#x017F;ie empfangen bey unverdorbenem Her-<lb/>
zen und Ver&#x017F;tand ihr Glük gerade aus der<lb/>
Hand die&#x017F;er milden Mutter, und wohnen<lb/>
in Gegenden, wo &#x017F;ie nur wenig Hülfe for-<lb/>
dert, um ihnen die un&#x017F;chuldigen Bedürfni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Bequemlichkeiten reichlich darzubieten.<lb/>
Kurz, &#x017F;ie &#x017F;childert uns ein goldnes Weltalter,<lb/>
das gewi&#x017F;s einmal da gewe&#x017F;en i&#x017F;t, denn da-<lb/>
von kan uns die Ge&#x017F;chichte der Patriarchen<lb/>
überzeugen, und die Einfalt der Sitten, die<lb/>
uns Homer &#x017F;childert, &#x017F;cheint auch in den<lb/>
kriegeri&#x017F;chen Zeiten noch ein Ueberbleib&#x017F;el<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben zu &#x017F;eyn. Die&#x017F;e Dichtungs-Art<lb/>
bekömmt daher einen be&#x017F;ondern Vortheil,<lb/>
wenn man die Scenen in ein entferntes Welt-<lb/>
alter &#x017F;ezt; &#x017F;ie erhalten dardurch einen höhern</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0012] den Bedürfniſſen, die nur die unglükliche Entfernung von der Natur nothwendig ma- chet, ſie empfangen bey unverdorbenem Her- zen und Verſtand ihr Glük gerade aus der Hand dieſer milden Mutter, und wohnen in Gegenden, wo ſie nur wenig Hülfe for- dert, um ihnen die unſchuldigen Bedürfniſſe und Bequemlichkeiten reichlich darzubieten. Kurz, ſie ſchildert uns ein goldnes Weltalter, das gewiſs einmal da geweſen iſt, denn da- von kan uns die Geſchichte der Patriarchen überzeugen, und die Einfalt der Sitten, die uns Homer ſchildert, ſcheint auch in den kriegeriſchen Zeiten noch ein Ueberbleibſel deſſelben zu ſeyn. Dieſe Dichtungs-Art bekömmt daher einen beſondern Vortheil, wenn man die Scenen in ein entferntes Welt- alter ſezt; ſie erhalten dardurch einen höhern A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/12
Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/12>, abgerufen am 27.04.2024.