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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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lancholischer Wald; Leb izt wohl Amor, dein
Pfeil wird mich hier nicht finden, ich will nicht
mehr lieben, und in einsamer Gegend weise seyn;
Lebe wohl, du braunes Mädchen, das mit schwar-
zen Augen mir das Gift der Liebe in mein bisher
unverwahrtes Herze geblizet hat; Lebe wohl,
noch gestern hüpftest du froh im weissen Sommer-
Kleid um mich her, wie die Wellen hier im Son-
nen-Licht hüpfen; und du blondes Mädchen lebe
wohl! dein schmachtender Blik - - ach! zu sehr,
zu sehr hast du mein Herze bemeistert, und dein
schwellender Busen - - ach! ich förchte, ich werd
ihn hier oft in einsamen traurigen Betrachtungen
sehen und seufzen! Lebe wohl, majestätische Me-
linde, mit dem ernsten Gesicht wie Pallas und mit
dem majestätischen Gang, und du kleine Chloe,
die du muthwillig nach meinen Lippen aufhüpftest
und mich küsstest; in diese Gegenden will ich izt
fliehen, und in ernsten Betrachtungen unter diesen
Fichten mich lagern, und die Liebe verlachen;

G 5

lancholiſcher Wald; Leb izt wohl Amor, dein
Pfeil wird mich hier nicht finden, ich will nicht
mehr lieben, und in einſamer Gegend weiſe ſeyn;
Lebe wohl, du braunes Mädchen, das mit ſchwar-
zen Augen mir das Gift der Liebe in mein bisher
unverwahrtes Herze geblizet hat; Lebe wohl,
noch geſtern hüpfteſt du froh im weiſſen Sommer-
Kleid um mich her, wie die Wellen hier im Son-
nen-Licht hüpfen; und du blondes Mädchen lebe
wohl! dein ſchmachtender Blik ‒ ‒ ach! zu ſehr,
zu ſehr haſt du mein Herze bemeiſtert, und dein
ſchwellender Buſen ‒ ‒ ach! ich förchte, ich werd
ihn hier oft in einſamen traurigen Betrachtungen
ſehen und ſeufzen! Lebe wohl, majeſtätiſche Me-
linde, mit dem ernſten Geſicht wie Pallas und mit
dem majeſtätiſchen Gang, und du kleine Chloe,
die du muthwillig nach meinen Lippen aufhüpfteſt
und mich küſsteſt; in dieſe Gegenden will ich izt
fliehen, und in ernſten Betrachtungen unter dieſen
Fichten mich lagern, und die Liebe verlachen;

G 5
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[105/0110] lancholiſcher Wald; Leb izt wohl Amor, dein Pfeil wird mich hier nicht finden, ich will nicht mehr lieben, und in einſamer Gegend weiſe ſeyn; Lebe wohl, du braunes Mädchen, das mit ſchwar- zen Augen mir das Gift der Liebe in mein bisher unverwahrtes Herze geblizet hat; Lebe wohl, noch geſtern hüpfteſt du froh im weiſſen Sommer- Kleid um mich her, wie die Wellen hier im Son- nen-Licht hüpfen; und du blondes Mädchen lebe wohl! dein ſchmachtender Blik ‒ ‒ ach! zu ſehr, zu ſehr haſt du mein Herze bemeiſtert, und dein ſchwellender Buſen ‒ ‒ ach! ich förchte, ich werd ihn hier oft in einſamen traurigen Betrachtungen ſehen und ſeufzen! Lebe wohl, majeſtätiſche Me- linde, mit dem ernſten Geſicht wie Pallas und mit dem majeſtätiſchen Gang, und du kleine Chloe, die du muthwillig nach meinen Lippen aufhüpfteſt und mich küſsteſt; in dieſe Gegenden will ich izt fliehen, und in ernſten Betrachtungen unter dieſen Fichten mich lagern, und die Liebe verlachen; G 5

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/110>, abgerufen am 10.05.2024.