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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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Nymphe mehr küssen, wenn mich eine nur eine
Stunde in ihren Armen behält, heut an dem fro-
hen Fest; ich will sie alle lieben, alle will ich
küssen. Kränke dich nicht, Faun! du bist noch
jung und schön; schön ist dein braunes Gesicht,
und wild dein grosses schwarzes Aug, und dein
Haar kräusst sich schön um die krummen Hörner
her; sie stehn aus den Loken empor, wie zwo
Eichen aus dem wildesten Busch. Lass dich krän-
zen Faun, hier ist das schönste Schoss, lass dich
kränzen! Ich höre schon fernher ein wildes Ge-
räusche von Tyrsus-Stäben und Trommeln und
Flöten, büke dich her, das Geschrey kommtschon
nahe; schon kommen sie hinter dem Hugel her-
vor; lass dich kränzen! Wie stolz die Tiger den
Wagen ziehn! o Lyeus! sieh die Faunen, die
Nymphen, wie sie hüpfen! welch ein Getöse von
Tyrsus-Stäben und Klapper-Schaalen und Flöten!
O Evan Evoe! du bist bekränzt, schnell hebe den
Schlauch mir auf die Schulter; o Evan Evoe!

Nymphe mehr küſſen, wenn mich eine nur eine
Stunde in ihren Armen behält, heut an dem fro-
hen Feſt; ich will ſie alle lieben, alle will ich
küſſen. Kränke dich nicht, Faun! du biſt noch
jung und ſchön; ſchön iſt dein braunes Geſicht,
und wild dein groſſes ſchwarzes Aug, und dein
Haar kräuſst ſich ſchön um die krummen Hörner
her; ſie ſtehn aus den Loken empor, wie zwo
Eichen aus dem wildeſten Buſch. Laſs dich krän-
zen Faun, hier iſt das ſchönſte Schoſs, laſs dich
kränzen! Ich höre ſchon fernher ein wildes Ge-
räuſche von Tyrſus-Stäben und Trommeln und
Flöten, büke dich her, das Geſchrey kommtſchon
nahe; ſchon kommen ſie hinter dem Hugel her-
vor; laſs dich kränzen! Wie ſtolz die Tiger den
Wagen ziehn! o Lyeus! ſieh die Faunen, die
Nymphen, wie ſie hüpfen! welch ein Getöſe von
Tyrſus-Stäben und Klapper-Schaalen und Flöten!
O Evan Evoe! du biſt bekränzt, ſchnell hebe den
Schlauch mir auf die Schulter; o Evan Evoe!

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[102/0107] Nymphe mehr küſſen, wenn mich eine nur eine Stunde in ihren Armen behält, heut an dem fro- hen Feſt; ich will ſie alle lieben, alle will ich küſſen. Kränke dich nicht, Faun! du biſt noch jung und ſchön; ſchön iſt dein braunes Geſicht, und wild dein groſſes ſchwarzes Aug, und dein Haar kräuſst ſich ſchön um die krummen Hörner her; ſie ſtehn aus den Loken empor, wie zwo Eichen aus dem wildeſten Buſch. Laſs dich krän- zen Faun, hier iſt das ſchönſte Schoſs, laſs dich kränzen! Ich höre ſchon fernher ein wildes Ge- räuſche von Tyrſus-Stäben und Trommeln und Flöten, büke dich her, das Geſchrey kommtſchon nahe; ſchon kommen ſie hinter dem Hugel her- vor; laſs dich kränzen! Wie ſtolz die Tiger den Wagen ziehn! o Lyeus! ſieh die Faunen, die Nymphen, wie ſie hüpfen! welch ein Getöſe von Tyrſus-Stäben und Klapper-Schaalen und Flöten! O Evan Evoe! du biſt bekränzt, ſchnell hebe den Schlauch mir auf die Schulter; o Evan Evoe!

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/107>, abgerufen am 10.05.2024.