Epheu-Kranz um meine Hörner sich winden. O! schwarze Stunde, da mir die Nymph ent- flohe! sie flohe bis an den Fluss, der ihren Lauf izt hemmte; unentschlossen stund sie da, ich bebte schon vor Freude, schon glaubt' ich das sträuben- de Mädchen mit starken Armen zu umfassen, als die Tritonen, o die verfluchten Räuber! sich aus dem Fluss erhoben, und die Nymph um ihre Hüf- ten fassten, und dann, in die Hörner blasend, schnell mit ihr an das andere Ufer schwammen. Ich schwöre beym Stix! bis ich sie wieder finde, soll kein Kranz von Epheu um meine Hörner sich winden.
Und eine spröde Nymphe macht dir, so sagt der andre Faun, o ich muss lachen! und eine spröde Nymphe macht dir so trübe Tage! Mir, Faun' mir soll die Liebe nicht eine trübe Stunde ma- chen, nein, keine trübe Stunde! versagt mir diese den Kuss, dann hüpf' ich zu der andern hin; ich schwör es dir, Faun! meine Lippen sollen keine
G 3
Epheu-Kranz um meine Hörner ſich winden. O! ſchwarze Stunde, da mir die Nymph ent- flohe! ſie flohe bis an den Fluſs, der ihren Lauf izt hemmte; unentſchloſſen ſtund ſie da, ich bebte ſchon vor Freude, ſchon glaubt’ ich das ſträuben- de Mädchen mit ſtarken Armen zu umfaſſen, als die Tritonen, o die verfluchten Räuber! ſich aus dem Fluſs erhoben, und die Nymph um ihre Hüf- ten faſsten, und dann, in die Hörner blaſend, ſchnell mit ihr an das andere Ufer ſchwammen. Ich ſchwöre beym Stix! bis ich ſie wieder finde, ſoll kein Kranz von Epheu um meine Hörner ſich winden.
Und eine ſpröde Nymphe macht dir, ſo ſagt der andre Faun, o ich muſs lachen! und eine ſpröde Nymphe macht dir ſo trübe Tage! Mir, Faun’ mir ſoll die Liebe nicht eine trübe Stunde ma- chen, nein, keine trübe Stunde! verſagt mir dieſe den Kuſs, dann hüpf’ ich zu der andern hin; ich ſchwör es dir, Faun! meine Lippen ſollen keine
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Epheu-Kranz um meine Hörner ſich winden.
O! ſchwarze Stunde, da mir die Nymph ent-
flohe! ſie flohe bis an den Fluſs, der ihren Lauf
izt hemmte; unentſchloſſen ſtund ſie da, ich bebte
ſchon vor Freude, ſchon glaubt’ ich das ſträuben-
de Mädchen mit ſtarken Armen zu umfaſſen, als
die Tritonen, o die verfluchten Räuber! ſich aus
dem Fluſs erhoben, und die Nymph um ihre Hüf-
ten faſsten, und dann, in die Hörner blaſend,
ſchnell mit ihr an das andere Ufer ſchwammen.
Ich ſchwöre beym Stix! bis ich ſie wieder finde,
ſoll kein Kranz von Epheu um meine Hörner ſich
winden.
Und eine ſpröde Nymphe macht dir, ſo ſagt der
andre Faun, o ich muſs lachen! und eine ſpröde
Nymphe macht dir ſo trübe Tage! Mir, Faun’
mir ſoll die Liebe nicht eine trübe Stunde ma-
chen, nein, keine trübe Stunde! verſagt mir dieſe
den Kuſs, dann hüpf’ ich zu der andern hin; ich
ſchwör es dir, Faun! meine Lippen ſollen keine
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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