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[Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 4. Leipzig. 1745.

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Vorrede.
daß er mit seiner Einsicht, aller alten und neuen Künstler
Vortrefflichkeit, theils erreichet, theils übertroffen habe.
Jedoch soll diesen Franzosen Herr Lamesle, an Schön-
heit, und Kunst noch übertreffen. Sie finden einen son-
derlichen Grund, in den zierlich geschlungenen, und mit
allerhand Sinn-Bildern, und Wapen versehenen
Buchstaben; wozu auch die horrirten Buchstaben mit
allem Fuge zu rechnen sind. Sie beziehen sich auf die
Menge der Buchstaben fast von allen Sprachen. Und
es ist wahr, daß wenig wichtige Sprachen in der Welt
verhanden sind, von denen man, zu unsern Zeiten, nicht
Buchstaben haben sollte. Sie rühmen die neuern, in
Ansehung der Rechtschreiberey, die gewiß der alten weit
vorzuziehen ist. Sie vergessen ins besondere der Capi-
tel, Abtheilungen, Verse, Paragraphen, insonderheit
der größeren Richtigkeit, in den Unterscheidungs-Zeichen
nicht. Und man muß gestehen, daß die Deutlichkeit,
Ordnung, und Aufmercksamkeit ganz besonders da-
durch unterstützt wird. Sie führen die Zahlen und cu-
stodes
an, die zu unserer Zeit, den Gelehrten bey Anfüh-
rung und Auszeichnung der wichtigsten Stellen; den
Buchdruckern aber, bey Vermeidung so mancher Ver-
wirrung, so viel erspriesliche Dienste geleistet haben. Sie
gedencken hierbey billig der Unterscheidungs-Zeichen,
die, wenn wir die Wahrheit gestehen wollen, lange nicht
in der Richtigkeit und Ordnung waren, als sie sich ietzo
befinden. Daher kam es, daß die Bücher alter Zeiten,
so vielen Mißverstande, Verwirrung, und Dunkelheit
unterworffen waren. Sie unterlassen nicht den wichti-
gen Umstand beyzubringen, daß die alten Buchdrucker
die Namen des Orts, des Druckers und des Verfas-
sers beyzubringen vergessen, und dadurch der Gelehrsam-
keit einen überaus beträchtlichen Schaden zugefügt ha-

ben.

Vorrede.
daß er mit ſeiner Einſicht, aller alten und neuen Kuͤnſtler
Vortrefflichkeit, theils erreichet, theils uͤbertroffen habe.
Jedoch ſoll dieſen Franzoſen Herr Lamesle, an Schoͤn-
heit, und Kunſt noch uͤbertreffen. Sie finden einen ſon-
derlichen Grund, in den zierlich geſchlungenen, und mit
allerhand Sinn-Bildern, und Wapen verſehenen
Buchſtaben; wozu auch die horrirten Buchſtaben mit
allem Fuge zu rechnen ſind. Sie beziehen ſich auf die
Menge der Buchſtaben faſt von allen Sprachen. Und
es iſt wahr, daß wenig wichtige Sprachen in der Welt
verhanden ſind, von denen man, zu unſern Zeiten, nicht
Buchſtaben haben ſollte. Sie ruͤhmen die neuern, in
Anſehung der Rechtſchreiberey, die gewiß der alten weit
vorzuziehen iſt. Sie vergeſſen ins beſondere der Capi-
tel, Abtheilungen, Verſe, Paragraphen, inſonderheit
der groͤßeren Richtigkeit, in den Unterſcheidungs-Zeichen
nicht. Und man muß geſtehen, daß die Deutlichkeit,
Ordnung, und Aufmerckſamkeit ganz beſonders da-
durch unterſtuͤtzt wird. Sie fuͤhren die Zahlen und cu-
ſtodes
an, die zu unſerer Zeit, den Gelehrten bey Anfuͤh-
rung und Auszeichnung der wichtigſten Stellen; den
Buchdruckern aber, bey Vermeidung ſo mancher Ver-
wirrung, ſo viel erſpriesliche Dienſte geleiſtet haben. Sie
gedencken hierbey billig der Unterſcheidungs-Zeichen,
die, wenn wir die Wahrheit geſtehen wollen, lange nicht
in der Richtigkeit und Ordnung waren, als ſie ſich ietzo
befinden. Daher kam es, daß die Buͤcher alter Zeiten,
ſo vielen Mißverſtande, Verwirrung, und Dunkelheit
unterworffen waren. Sie unterlaſſen nicht den wichti-
gen Umſtand beyzubringen, daß die alten Buchdrucker
die Namen des Orts, des Druckers und des Verfaſ-
ſers beyzubringen vergeſſen, und dadurch der Gelehrſam-
keit einen uͤberaus betraͤchtlichen Schaden zugefuͤgt ha-

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[0014] Vorrede. daß er mit ſeiner Einſicht, aller alten und neuen Kuͤnſtler Vortrefflichkeit, theils erreichet, theils uͤbertroffen habe. Jedoch ſoll dieſen Franzoſen Herr Lamesle, an Schoͤn- heit, und Kunſt noch uͤbertreffen. Sie finden einen ſon- derlichen Grund, in den zierlich geſchlungenen, und mit allerhand Sinn-Bildern, und Wapen verſehenen Buchſtaben; wozu auch die horrirten Buchſtaben mit allem Fuge zu rechnen ſind. Sie beziehen ſich auf die Menge der Buchſtaben faſt von allen Sprachen. Und es iſt wahr, daß wenig wichtige Sprachen in der Welt verhanden ſind, von denen man, zu unſern Zeiten, nicht Buchſtaben haben ſollte. Sie ruͤhmen die neuern, in Anſehung der Rechtſchreiberey, die gewiß der alten weit vorzuziehen iſt. Sie vergeſſen ins beſondere der Capi- tel, Abtheilungen, Verſe, Paragraphen, inſonderheit der groͤßeren Richtigkeit, in den Unterſcheidungs-Zeichen nicht. Und man muß geſtehen, daß die Deutlichkeit, Ordnung, und Aufmerckſamkeit ganz beſonders da- durch unterſtuͤtzt wird. Sie fuͤhren die Zahlen und cu- ſtodes an, die zu unſerer Zeit, den Gelehrten bey Anfuͤh- rung und Auszeichnung der wichtigſten Stellen; den Buchdruckern aber, bey Vermeidung ſo mancher Ver- wirrung, ſo viel erſpriesliche Dienſte geleiſtet haben. Sie gedencken hierbey billig der Unterſcheidungs-Zeichen, die, wenn wir die Wahrheit geſtehen wollen, lange nicht in der Richtigkeit und Ordnung waren, als ſie ſich ietzo befinden. Daher kam es, daß die Buͤcher alter Zeiten, ſo vielen Mißverſtande, Verwirrung, und Dunkelheit unterworffen waren. Sie unterlaſſen nicht den wichti- gen Umſtand beyzubringen, daß die alten Buchdrucker die Namen des Orts, des Druckers und des Verfaſ- ſers beyzubringen vergeſſen, und dadurch der Gelehrſam- keit einen uͤberaus betraͤchtlichen Schaden zugefuͤgt ha- ben.

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 4. Leipzig. 1745, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst04_1745/14>, abgerufen am 19.04.2024.