Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Rechtschreibung.
Unrechts veranlasset uns, daß wir die ersten sind, so
ihre Klagen in euren Schooß ausschütten wollen.
Wir sind alle Zwillinge, wie ihr sehet, und lieben ein-
ander sehr herzlich: gleichwohl müssen wir den Ver-
druß erleben, den Castor und Pollux vorzeiten em-
pfunden; daß man uns nemlich fast allenthalben zu
trennen suchet, und nicht mehr als einen von uns in
gewissen Wörtern leiden will. Dieses ist der Haupt-
zweck unsrer Klage.

Jch ins besondere beschwere mich, daß ich vor-
zeiten in sehr vielen Wörtern einen ruhigen Sitz ge-
habt, daraus ich itzo halb verstossen worden. Man
will mir die Schafe, die Malzeichen, die Stralen, ja
auch den Gram, und die Qual nicht mehr gönnen: Und
es fehlt zu meiner völligen Verbannung nichts mehr,
als daß man mir den Hohenpriester Aaron undden Ab-
gott Baal noch raube; welches aber die allerunver-
antwortlichste Sache von der Welt seyn würde.

Das gute ck ist nicht besser daran. Man verwei-
set dasselbe aus unzehlichen Wörtern, darinnen es seit
undenklichen Jahren seinen Aufenthalt gehabt. Es
soll künftig nur zwischen zweyen Vocalen, oder Laut-
buchstaben seinen Platz finden; und dergestalt aus
Trank, Dank, Zank und andern von der Art, imglei-
chen aus den Werken, der Stärke, dem Merken und
allen, die damit verwandt sind, verbannet seyn.

Eben so geht es dem unschuldigen dt. Man hat
es von alten Zeiten her in geruhigem Besitze vieler
Wörter gesehen, wo es itzo vertrieben wird. Man
schrieb bekandt, genandt, imgleichen der Todt und das
Brodt: Nunmehr aber will man besondre etymologi-
sche Geburtsbriefe und Geschlechtregister von dem D
sehen; die es aber nicht aufweisen kan. Man räumet

in
F 3

Von der Rechtſchreibung.
Unrechts veranlaſſet uns, daß wir die erſten ſind, ſo
ihre Klagen in euren Schooß ausſchuͤtten wollen.
Wir ſind alle Zwillinge, wie ihr ſehet, und lieben ein-
ander ſehr herzlich: gleichwohl muͤſſen wir den Ver-
druß erleben, den Caſtor und Pollux vorzeiten em-
pfunden; daß man uns nemlich faſt allenthalben zu
trennen ſuchet, und nicht mehr als einen von uns in
gewiſſen Woͤrtern leiden will. Dieſes iſt der Haupt-
zweck unſrer Klage.

Jch ins beſondere beſchwere mich, daß ich vor-
zeiten in ſehr vielen Woͤrtern einen ruhigen Sitz ge-
habt, daraus ich itzo halb verſtoſſen worden. Man
will mir die Schafe, die Malzeichen, die Stralen, ja
auch den Gram, und die Qual nicht mehr goͤnnen: Und
es fehlt zu meiner voͤlligen Verbannung nichts mehr,
als daß man mir den Hohenprieſter Aaron undden Ab-
gott Baal noch raube; welches aber die allerunver-
antwortlichſte Sache von der Welt ſeyn wuͤrde.

Das gute ck iſt nicht beſſer daran. Man verwei-
ſet daſſelbe aus unzehlichen Woͤrtern, darinnen es ſeit
undenklichen Jahren ſeinen Aufenthalt gehabt. Es
ſoll kuͤnftig nur zwiſchen zweyen Vocalen, oder Laut-
buchſtaben ſeinen Platz finden; und dergeſtalt aus
Trank, Dank, Zank und andern von der Art, imglei-
chen aus den Werken, der Staͤrke, dem Merken und
allen, die damit verwandt ſind, verbannet ſeyn.

Eben ſo geht es dem unſchuldigen dt. Man hat
es von alten Zeiten her in geruhigem Beſitze vieler
Woͤrter geſehen, wo es itzo vertrieben wird. Man
ſchrieb bekandt, genandt, imgleichen der Todt und das
Brodt: Nunmehr aber will man beſondre etymologi-
ſche Geburtsbriefe und Geſchlechtregiſter von dem D
ſehen; die es aber nicht aufweiſen kan. Man raͤumet

in
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Recht&#x017F;chreibung.</hi></fw><lb/>
Unrechts veranla&#x017F;&#x017F;et uns, daß wir die er&#x017F;ten &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
ihre Klagen in euren Schooß aus&#x017F;chu&#x0364;tten wollen.<lb/>
Wir &#x017F;ind alle Zwillinge, wie ihr &#x017F;ehet, und lieben ein-<lb/>
ander &#x017F;ehr herzlich: gleichwohl mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir den Ver-<lb/>
druß erleben, den Ca&#x017F;tor und Pollux vorzeiten em-<lb/>
pfunden; daß man uns nemlich fa&#x017F;t allenthalben zu<lb/>
trennen &#x017F;uchet, und nicht mehr als einen von uns in<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Wo&#x0364;rtern leiden will. Die&#x017F;es i&#x017F;t der Haupt-<lb/>
zweck un&#x017F;rer Klage.</p><lb/>
          <p>Jch ins be&#x017F;ondere be&#x017F;chwere mich, daß ich vor-<lb/>
zeiten in &#x017F;ehr vielen Wo&#x0364;rtern einen ruhigen Sitz ge-<lb/>
habt, daraus ich itzo halb ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en worden. Man<lb/>
will mir die Schafe, die Malzeichen, die Stralen, ja<lb/>
auch den Gram, und die Qual nicht mehr go&#x0364;nnen: Und<lb/>
es fehlt zu meiner vo&#x0364;lligen Verbannung nichts mehr,<lb/>
als daß man mir den Hohenprie&#x017F;ter Aaron undden Ab-<lb/>
gott Baal noch raube; welches aber die allerunver-<lb/>
antwortlich&#x017F;te Sache von der Welt &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Das gute <hi rendition="#fr">ck</hi> i&#x017F;t nicht be&#x017F;&#x017F;er daran. Man verwei-<lb/>
&#x017F;et da&#x017F;&#x017F;elbe aus unzehlichen Wo&#x0364;rtern, darinnen es &#x017F;eit<lb/>
undenklichen Jahren &#x017F;einen Aufenthalt gehabt. Es<lb/>
&#x017F;oll ku&#x0364;nftig nur zwi&#x017F;chen zweyen Vocalen, oder Laut-<lb/>
buch&#x017F;taben &#x017F;einen Platz finden; und derge&#x017F;talt aus<lb/>
Trank, Dank, Zank und andern von der Art, imglei-<lb/>
chen aus den Werken, der Sta&#x0364;rke, dem Merken und<lb/>
allen, die damit verwandt &#x017F;ind, verbannet &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Eben &#x017F;o geht es dem un&#x017F;chuldigen <hi rendition="#fr">dt.</hi> Man hat<lb/>
es von alten Zeiten her in geruhigem Be&#x017F;itze vieler<lb/>
Wo&#x0364;rter ge&#x017F;ehen, wo es itzo vertrieben wird. Man<lb/>
&#x017F;chrieb bekandt, genandt, imgleichen der Todt und das<lb/>
Brodt: Nunmehr aber will man be&#x017F;ondre etymologi-<lb/>
&#x017F;che Geburtsbriefe und Ge&#x017F;chlechtregi&#x017F;ter von dem <hi rendition="#fr">D</hi><lb/>
&#x017F;ehen; die es aber nicht aufwei&#x017F;en kan. Man ra&#x0364;umet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0314] Von der Rechtſchreibung. Unrechts veranlaſſet uns, daß wir die erſten ſind, ſo ihre Klagen in euren Schooß ausſchuͤtten wollen. Wir ſind alle Zwillinge, wie ihr ſehet, und lieben ein- ander ſehr herzlich: gleichwohl muͤſſen wir den Ver- druß erleben, den Caſtor und Pollux vorzeiten em- pfunden; daß man uns nemlich faſt allenthalben zu trennen ſuchet, und nicht mehr als einen von uns in gewiſſen Woͤrtern leiden will. Dieſes iſt der Haupt- zweck unſrer Klage. Jch ins beſondere beſchwere mich, daß ich vor- zeiten in ſehr vielen Woͤrtern einen ruhigen Sitz ge- habt, daraus ich itzo halb verſtoſſen worden. Man will mir die Schafe, die Malzeichen, die Stralen, ja auch den Gram, und die Qual nicht mehr goͤnnen: Und es fehlt zu meiner voͤlligen Verbannung nichts mehr, als daß man mir den Hohenprieſter Aaron undden Ab- gott Baal noch raube; welches aber die allerunver- antwortlichſte Sache von der Welt ſeyn wuͤrde. Das gute ck iſt nicht beſſer daran. Man verwei- ſet daſſelbe aus unzehlichen Woͤrtern, darinnen es ſeit undenklichen Jahren ſeinen Aufenthalt gehabt. Es ſoll kuͤnftig nur zwiſchen zweyen Vocalen, oder Laut- buchſtaben ſeinen Platz finden; und dergeſtalt aus Trank, Dank, Zank und andern von der Art, imglei- chen aus den Werken, der Staͤrke, dem Merken und allen, die damit verwandt ſind, verbannet ſeyn. Eben ſo geht es dem unſchuldigen dt. Man hat es von alten Zeiten her in geruhigem Beſitze vieler Woͤrter geſehen, wo es itzo vertrieben wird. Man ſchrieb bekandt, genandt, imgleichen der Todt und das Brodt: Nunmehr aber will man beſondre etymologi- ſche Geburtsbriefe und Geſchlechtregiſter von dem D ſehen; die es aber nicht aufweiſen kan. Man raͤumet in F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740/314
Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740/314>, abgerufen am 20.05.2024.