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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Erforderliche Belastung für Kreisgewölbe.

Hiezu gibt uns die §. 366 aufgestellte allgemeine Proportion die nöthige Anleitung.
Nennen wir nämlich das Gewicht des obersten Gewölbsteines A, des folgenden B, des
dritten C ....., und die Winkel, welche die Grundflächen dieser Steine mit dem Hori-
zonte bilden, a, b, g ....., so ist für die obersten zwei Gewölbsteine
tang a : tang [Formel 1] , demnach [Formel 2] . Wir
erhalten daher die Gewichtszulage, welche der zweite Gewölbstein erfordert, nämlich
[Formel 3] , welche wir = b setzen wollen (I).

Hieraus folgt B = A + b (II).

Für den dritten Stein haben wir auf gleiche Art die Proportion
tang a : tang [Formel 4] , demnach
[Formel 5] , und die Zulage auf den dritten
Gewölbstein, welche wir c nennen wollen [Formel 6] (III);
hieraus folgt C = A + c (IV).

Weiter erhalten wir für den vierten Gewölbstein die Proportion
tang a : tang [Formel 7] , demnach
[Formel 8] und die Zulage auf
den vierten Gewölbstein, welche wir d nennen wollen
[Formel 9] (V). Hieraus ersieht man nun, wie die-
se Rechnung fortgesetzt und für jeden Gewölbstein die angemessene Belastung gefun-
den werden könne.

Beispiel. Wir wollen annehmen, die Wölbungslinie sey ein Kreis.

Theilen wir denselben von 10 zu 10 Graden ein, so kann die halbe Kreisfläche alsFig.
8.
Tab.
18.

ein Polygon von 18 Seiten betrachtet werden. Nun beträgt der Winkel a b b', welcher
auf dem Bogen a b von 10 Grad steht, offenbar 5 Grad; der zweite Winkel b c c',
dessen Schenkel den Bogen b a b' c' = 30 Grad einschliessen, beträgt 15 Grad, der
dritte Winkel 25 Grad ...; die Tangenten aber sind tang 5° = 0,087, tang 15° = 0,268,
tang 25° = 0,466, tang 35° = 0,700. Nehmen wir nun an, dass die Gewölbsteine durch-
aus einander gleich sind, so ergibt sich die Zulage des zweiten Steines nach der
Formel I berechnet, [Formel 10] . Auf gleiche Art findet man aus
dem Ausdrucke III die Zulage für den dritten Stein oder c = 0,196 A, ferner nach der
Formel V die Zulage für den vierten Stein oder d = 0,494 A u. s. w.

Hieraus ersieht man, dass diese Zulagen in einem bedeutenden Verhältnisse stei-
gen; da nun die Tangente des letzten Winkels, nämlich tang 85° = 11,430 und diese
noch mit tang a = tang 5° = 0,087 zu dividiren ist, so würde die Zulage des letzten
Steines ausserordentlich gross werden. Wollte man diese Zulage durch Ausmauerung

Erforderliche Belastung für Kreisgewölbe.

Hiezu gibt uns die §. 366 aufgestellte allgemeine Proportion die nöthige Anleitung.
Nennen wir nämlich das Gewicht des obersten Gewölbsteines A, des folgenden B, des
dritten C ....., und die Winkel, welche die Grundflächen dieser Steine mit dem Hori-
zonte bilden, α, β, γ ....., so ist für die obersten zwei Gewölbsteine
tang α : tang [Formel 1] , demnach [Formel 2] . Wir
erhalten daher die Gewichtszulage, welche der zweite Gewölbstein erfordert, nämlich
[Formel 3] , welche wir = b setzen wollen (I).

Hieraus folgt B = A + b (II).

Für den dritten Stein haben wir auf gleiche Art die Proportion
tang α : tang [Formel 4] , demnach
[Formel 5] , und die Zulage auf den dritten
Gewölbstein, welche wir c nennen wollen [Formel 6] (III);
hieraus folgt C = A + c (IV).

Weiter erhalten wir für den vierten Gewölbstein die Proportion
tang α : tang [Formel 7] , demnach
[Formel 8] und die Zulage auf
den vierten Gewölbstein, welche wir d nennen wollen
[Formel 9] (V). Hieraus ersieht man nun, wie die-
se Rechnung fortgesetzt und für jeden Gewölbstein die angemessene Belastung gefun-
den werden könne.

Beispiel. Wir wollen annehmen, die Wölbungslinie sey ein Kreis.

Theilen wir denselben von 10 zu 10 Graden ein, so kann die halbe Kreisfläche alsFig.
8.
Tab.
18.

ein Polygon von 18 Seiten betrachtet werden. Nun beträgt der Winkel a b b', welcher
auf dem Bogen a b von 10 Grad steht, offenbar 5 Grad; der zweite Winkel b c c',
dessen Schenkel den Bogen b a b' c' = 30 Grad einschliessen, beträgt 15 Grad, der
dritte Winkel 25 Grad …; die Tangenten aber sind tang 5° = 0,087, tang 15° = 0,268,
tang 25° = 0,466, tang 35° = 0,700. Nehmen wir nun an, dass die Gewölbsteine durch-
aus einander gleich sind, so ergibt sich die Zulage des zweiten Steines nach der
Formel I berechnet, [Formel 10] . Auf gleiche Art findet man aus
dem Ausdrucke III die Zulage für den dritten Stein oder c = 0,196 A, ferner nach der
Formel V die Zulage für den vierten Stein oder d = 0,494 A u. s. w.

Hieraus ersieht man, dass diese Zulagen in einem bedeutenden Verhältnisse stei-
gen; da nun die Tangente des letzten Winkels, nämlich tang 85° = 11,430 und diese
noch mit tang α = tang 5° = 0,087 zu dividiren ist, so würde die Zulage des letzten
Steines ausserordentlich gross werden. Wollte man diese Zulage durch Ausmauerung

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[415/0445] Erforderliche Belastung für Kreisgewölbe. Hiezu gibt uns die §. 366 aufgestellte allgemeine Proportion die nöthige Anleitung. Nennen wir nämlich das Gewicht des obersten Gewölbsteines A, des folgenden B, des dritten C ....., und die Winkel, welche die Grundflächen dieser Steine mit dem Hori- zonte bilden, α, β, γ ....., so ist für die obersten zwei Gewölbsteine tang α : tang [FORMEL], demnach [FORMEL]. Wir erhalten daher die Gewichtszulage, welche der zweite Gewölbstein erfordert, nämlich [FORMEL], welche wir = b setzen wollen (I). Hieraus folgt B = A + b (II). Für den dritten Stein haben wir auf gleiche Art die Proportion tang α : tang [FORMEL], demnach [FORMEL], und die Zulage auf den dritten Gewölbstein, welche wir c nennen wollen [FORMEL] (III); hieraus folgt C = A + c (IV). Weiter erhalten wir für den vierten Gewölbstein die Proportion tang α : tang [FORMEL], demnach [FORMEL] und die Zulage auf den vierten Gewölbstein, welche wir d nennen wollen [FORMEL] (V). Hieraus ersieht man nun, wie die- se Rechnung fortgesetzt und für jeden Gewölbstein die angemessene Belastung gefun- den werden könne. Beispiel. Wir wollen annehmen, die Wölbungslinie sey ein Kreis. Theilen wir denselben von 10 zu 10 Graden ein, so kann die halbe Kreisfläche als ein Polygon von 18 Seiten betrachtet werden. Nun beträgt der Winkel a b b', welcher auf dem Bogen a b von 10 Grad steht, offenbar 5 Grad; der zweite Winkel b c c', dessen Schenkel den Bogen b a b' c' = 30 Grad einschliessen, beträgt 15 Grad, der dritte Winkel 25 Grad …; die Tangenten aber sind tang 5° = 0,087, tang 15° = 0,268, tang 25° = 0,466, tang 35° = 0,700. Nehmen wir nun an, dass die Gewölbsteine durch- aus einander gleich sind, so ergibt sich die Zulage des zweiten Steines nach der Formel I berechnet, [FORMEL]. Auf gleiche Art findet man aus dem Ausdrucke III die Zulage für den dritten Stein oder c = 0,196 A, ferner nach der Formel V die Zulage für den vierten Stein oder d = 0,494 A u. s. w. Fig. 8. Tab. 18. Hieraus ersieht man, dass diese Zulagen in einem bedeutenden Verhältnisse stei- gen; da nun die Tangente des letzten Winkels, nämlich tang 85° = 11,430 und diese noch mit tang α = tang 5° = 0,087 zu dividiren ist, so würde die Zulage des letzten Steines ausserordentlich gross werden. Wollte man diese Zulage durch Ausmauerung

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/445>, abgerufen am 29.03.2024.