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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Rückwirkende Festigkeit der Körper.

Da die in vorstehenden Versuchen angehängten Gewichte diejenigen sind, von wel-
chen das Zerdrücken der Körper wirklich erfolgte, so versteht es sich von selbst, dass
die Körper eben so, wie wir bereits bei dem Bruche bemerkten, nicht mit so grossen La-
sten, sondern nur mit dem 5ten oder 6ten Theile derselben beschwert werden dürfen. Eine
Berechnung hierüber kann nur auf der Grundlage genauer Versuche auf dieselbe Art ge-
führt werden, wie wir es bei der Ausdehnung und Biegung der Körper gezeigt haben.

§. 337.

Wenn schwere Lasten von längern Säulen unterstützt werden, so dürfen nicht nur die
Theile der letztern nicht zerdrückt, sondern auch die Säulen nicht gebogen werden. Weil
aber in allen bekannten Körpern keine vollkommene Gleichförmigkeit der Theile vorhan-
den ist, so ist es unmöglich zu verhüthen, dass nicht in den horizontalen Querschnitten
die Theile auf einer Seite um etwas mehr nachgeben, als auf der andern; es ist demnach
begreiflich, dass durch diese grössere Nachgiebigkeit die Theile auf der einen Seite mehr
eingedrückt werden als auf den andern, sonach eine Biegung erfolgen könne. Um diess zu
verhüthen, ist es von Wichtigkeit, das Gesetz zu kennen, nach welchem die Last bestimmt
wird, die ein elastisches Prisma ohne Biegung tragen kann.

Werden zwei gleichartige und vollkommen elastische Parallelopipede mit einander
verglichen, und ihre Querschnittsflächen mit b. h und B . H, die Längen mit l, L und
die Abmessungen, welche der Biegung unterliegen mit b, B bezeichnet, so verhalten sich
nach der Lehre der höhern Analysis *) die Gewichte p, P, welche diese

*) Fig.
7.
Tab.
16.
Es sey A B C die Mittellinie einer aufrechtstehenden vollkommen elastischen Säule, welche durch das
auf A' A'' gelegte Gewicht genöthiget worden, die krumme Linie A M N B C anzunehmen.
Wir haben bereits oben (in der Anmerkung zu §. 313) gefunden, dass zur Biegung des Elementes
M' N' M'' N'', dessen Krümmungshalbmesser M R = r ist, das statische Moment [Formel 1] er-
forderlich sey.
Da hier die aufgelegte Last p nach der senkrechten Richtung A E C herabdrückt, so ist das sta-
tische Moment, welches die Biegung dieses Elementes bewirkt = p . M K.
Wir wollen nun die Coordinaten der elastischen Linie für den Punkt M, nämlich M K = y, A K = z,
den Winkel, den die elastische Linie A M mit der senkrechten A K bei A bildet, nämlich M A K = v
und den Winkel N M O = w setzen, so geben die obengenannten statischen Momente die Gleichung
[Formel 2] und wenn wir die Grösse [Formel 3] setzen, so ergibt sich für
alle Punkte der elastischen Linie A, M, N, B, C die allgemeine Gleichung a2 = r . y.
Die Länge des Krümmungshalbmessers r folgt aus der S. 325 angeführten Proportion
m r : R m = M N : M R oder d w : 1 = d s : r folglich [Formel 4] und wenn Zähler und Nenner mit Sin w
multiplicirt wird, so ist [Formel 5] . Wird nun dieser Werth statt r in die Glei-
chung a2 = r . y gesetzt, so erhalten wir a2 . d Cos w = y . d y.
Wird diese Gleichung integrirt, so ist a2. Cos w + Const. = [Formel 6] . Weil aber oben im Punkte A
die Linie y = 0 und der Winkel w = v seyn muss, so ist Const. = -- a2 . Cos v, demnach
Rückwirkende Festigkeit der Körper.

Da die in vorstehenden Versuchen angehängten Gewichte diejenigen sind, von wel-
chen das Zerdrücken der Körper wirklich erfolgte, so versteht es sich von selbst, dass
die Körper eben so, wie wir bereits bei dem Bruche bemerkten, nicht mit so grossen La-
sten, sondern nur mit dem 5ten oder 6ten Theile derselben beschwert werden dürfen. Eine
Berechnung hierüber kann nur auf der Grundlage genauer Versuche auf dieselbe Art ge-
führt werden, wie wir es bei der Ausdehnung und Biegung der Körper gezeigt haben.

§. 337.

Wenn schwere Lasten von längern Säulen unterstützt werden, so dürfen nicht nur die
Theile der letztern nicht zerdrückt, sondern auch die Säulen nicht gebogen werden. Weil
aber in allen bekannten Körpern keine vollkommene Gleichförmigkeit der Theile vorhan-
den ist, so ist es unmöglich zu verhüthen, dass nicht in den horizontalen Querschnitten
die Theile auf einer Seite um etwas mehr nachgeben, als auf der andern; es ist demnach
begreiflich, dass durch diese grössere Nachgiebigkeit die Theile auf der einen Seite mehr
eingedrückt werden als auf den andern, sonach eine Biegung erfolgen könne. Um diess zu
verhüthen, ist es von Wichtigkeit, das Gesetz zu kennen, nach welchem die Last bestimmt
wird, die ein elastisches Prisma ohne Biegung tragen kann.

Werden zwei gleichartige und vollkommen elastische Parallelopipede mit einander
verglichen, und ihre Querschnittsflächen mit b. h und B . H, die Längen mit l, L und
die Abmessungen, welche der Biegung unterliegen mit b, B bezeichnet, so verhalten sich
nach der Lehre der höhern Analysis *) die Gewichte p, P, welche diese

*) Fig.
7.
Tab.
16.
Es sey A B C die Mittellinie einer aufrechtstehenden vollkommen elastischen Säule, welche durch das
auf A' A'' gelegte Gewicht genöthiget worden, die krumme Linie A M N B C anzunehmen.
Wir haben bereits oben (in der Anmerkung zu §. 313) gefunden, dass zur Biegung des Elementes
M' N' M'' N'', dessen Krümmungshalbmesser M R = r ist, das statische Moment [Formel 1] er-
forderlich sey.
Da hier die aufgelegte Last p nach der senkrechten Richtung A E C herabdrückt, so ist das sta-
tische Moment, welches die Biegung dieses Elementes bewirkt = p . M K.
Wir wollen nun die Coordinaten der elastischen Linie für den Punkt M, nämlich M K = y, A K = z,
den Winkel, den die elastische Linie A M mit der senkrechten A K bei A bildet, nämlich M A K = v
und den Winkel N M O = w setzen, so geben die obengenannten statischen Momente die Gleichung
[Formel 2] und wenn wir die Grösse [Formel 3] setzen, so ergibt sich für
alle Punkte der elastischen Linie A, M, N, B, C die allgemeine Gleichung a2 = r . y.
Die Länge des Krümmungshalbmessers r folgt aus der S. 325 angeführten Proportion
μ ϱ : R μ = M N : M R oder d w : 1 = d s : r folglich [Formel 4] und wenn Zähler und Nenner mit Sin w
multiplicirt wird, so ist [Formel 5] . Wird nun dieser Werth statt r in die Glei-
chung a2 = r . y gesetzt, so erhalten wir a2 . d Cos w = y . d y.
Wird diese Gleichung integrirt, so ist a2. Cos w + Const. = [Formel 6] . Weil aber oben im Punkte A
die Linie y = 0 und der Winkel w = v seyn muss, so ist Const. = — a2 . Cos v, demnach
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[368/0398] Rückwirkende Festigkeit der Körper. Da die in vorstehenden Versuchen angehängten Gewichte diejenigen sind, von wel- chen das Zerdrücken der Körper wirklich erfolgte, so versteht es sich von selbst, dass die Körper eben so, wie wir bereits bei dem Bruche bemerkten, nicht mit so grossen La- sten, sondern nur mit dem 5ten oder 6ten Theile derselben beschwert werden dürfen. Eine Berechnung hierüber kann nur auf der Grundlage genauer Versuche auf dieselbe Art ge- führt werden, wie wir es bei der Ausdehnung und Biegung der Körper gezeigt haben. §. 337. Wenn schwere Lasten von längern Säulen unterstützt werden, so dürfen nicht nur die Theile der letztern nicht zerdrückt, sondern auch die Säulen nicht gebogen werden. Weil aber in allen bekannten Körpern keine vollkommene Gleichförmigkeit der Theile vorhan- den ist, so ist es unmöglich zu verhüthen, dass nicht in den horizontalen Querschnitten die Theile auf einer Seite um etwas mehr nachgeben, als auf der andern; es ist demnach begreiflich, dass durch diese grössere Nachgiebigkeit die Theile auf der einen Seite mehr eingedrückt werden als auf den andern, sonach eine Biegung erfolgen könne. Um diess zu verhüthen, ist es von Wichtigkeit, das Gesetz zu kennen, nach welchem die Last bestimmt wird, die ein elastisches Prisma ohne Biegung tragen kann. Werden zwei gleichartige und vollkommen elastische Parallelopipede mit einander verglichen, und ihre Querschnittsflächen mit b. h und B . H, die Längen mit l, L und die Abmessungen, welche der Biegung unterliegen mit b, B bezeichnet, so verhalten sich nach der Lehre der höhern Analysis *) die Gewichte p, P, welche diese *) Es sey A B C die Mittellinie einer aufrechtstehenden vollkommen elastischen Säule, welche durch das auf A' A'' gelegte Gewicht genöthiget worden, die krumme Linie A M N B C anzunehmen. Wir haben bereits oben (in der Anmerkung zu §. 313) gefunden, dass zur Biegung des Elementes M' N' M'' N'', dessen Krümmungshalbmesser M R = r ist, das statische Moment [FORMEL] er- forderlich sey. Da hier die aufgelegte Last p nach der senkrechten Richtung A E C herabdrückt, so ist das sta- tische Moment, welches die Biegung dieses Elementes bewirkt = p . M K. Wir wollen nun die Coordinaten der elastischen Linie für den Punkt M, nämlich M K = y, A K = z, den Winkel, den die elastische Linie A M mit der senkrechten A K bei A bildet, nämlich M A K = v und den Winkel N M O = w setzen, so geben die obengenannten statischen Momente die Gleichung [FORMEL] und wenn wir die Grösse [FORMEL] setzen, so ergibt sich für alle Punkte der elastischen Linie A, M, N, B, C die allgemeine Gleichung a2 = r . y. Die Länge des Krümmungshalbmessers r folgt aus der S. 325 angeführten Proportion μ ϱ : R μ = M N : M R oder d w : 1 = d s : r folglich [FORMEL] und wenn Zähler und Nenner mit Sin w multiplicirt wird, so ist [FORMEL]. Wird nun dieser Werth statt r in die Glei- chung a2 = r . y gesetzt, so erhalten wir a2 . d Cos w = y . d y. Wird diese Gleichung integrirt, so ist a2. Cos w + Const. = [FORMEL]. Weil aber oben im Punkte A die Linie y = 0 und der Winkel w = v seyn muss, so ist Const. = — a2 . Cos v, demnach

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/398>, abgerufen am 22.11.2024.