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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
§. 269.

Die Ausdehnung der Kettenstäbe und anderer Eisenschienen ist eben so wie bei den
Clavierdrähten von zweifacher Art, nämlich eine bleibende, als Folge ihrer vorher-
gegangenen Belastung und eine veränderliche, welcher diese Stäbe bei ihrem nach-
folgenden Gebrauche noch unterliegen.

Die erste oder diejenige, welche den Kettenstäben bei ihrer vorläufigen Probe bei-
gebracht worden, und nach der Befreiung von dieser Belastung zurückgeblieben ist,
können wir bei ihrem nachfolgenden Gebrauche um so mehr ausser Acht lassen, als durch
die bis zur grössten Belastung vorgenommenen Probeversuche nicht nur alle Besorg-
nisse hinsichtlich ihres festen Bestandes behoben worden sind, sondern auch durch
diese geringeren Gewichte an der bleibenden Ausdehnung nichts mehr geändert wer-
den kann.

Da sonach diese Eisenstäbe von zufälligen Belastungen zwar noch ausgedehnt wer-
den, jedoch nach der Befreiung von dieser Belastung auch wieder zu ihrer vorigen Län-
ge zurückkehren; so ergibt sich aus dem allgemeinen Naturgesetze, vermög welchem die
Wirkungen ihren Ursachen proportional sind, dass auch die Grösse dieser zufälligen Aus-
dehnungen nach dem Verhältnisse der Spannkräfte zu berechnen seyn werde.

Wir wollen demnach diejenige Ausdehnung, um welche der bei dem Probeversuche
mit der Last P beschwerte Stab nach seiner Befreiung von diesem Gewichte zurückgegan-
gen ist mit u, und eben so die Ausdehnung von der zufälligen Belastung p mit e be-
zeichnen, so haben wir die allgemeine Proportion P : p = u : e; weil aber die Ausdeh-
nung u der Länge des Stabes proportional ist, so wollen wir statt u die Grösse m . L
setzen, und da auf gleiche Art die Querschnittsfläche des Stabes F der Last P propor-
tional seyn muss, so können wir in der vorigen Proportion an die Stelle von P die
Grösse n . F setzen, wo unter n das Tragungsvermögen eines Quadratzolles, und unter F
der Querschnitt des betreffenden Stabes in Quadratzollen verstanden wird; dadurch er-
halten wir n . F : p = m . L : e und hieraus p = [Formel 1] , welche Gleichung mit der §. 238
angeführten Proportion ganz übereinstimmt.

Da jedoch bei der Aufstellung jener Proportion angenommen wurde, dass die Aus-
dehnungen den angehängten Gewichten nur in so weit proportional sind, als diese Ge-
wichte noch klein und die Körper als vollkommen elastisch angenommen werden kön-
nen; so belehrt uns im Gegentheile die gegenwärtige Gleichung, dass dieselbe Propor-
tion auch bei grösseren Lasten statt findet, wenn nur die Eisenstäbe oder Ketten vorher
bis zu einer grösseren Last als sie bei ihrem Gebrauche zu tragen haben, probiert wor-
den sind.

§. 270.

Zur zweckmässigen Anwendung dieser über die Festigkeit und Ausdehnung des Ei-
sens aufgestellten Gleichung, werden hier noch folgende Bemerkungen beigefügt.

In mehreren Schriften wird für den Gebrauch des Eisens die Regel angeführt, dass
man zur Erzielung hinlänglicher Sicherheit den eisernen Stäben nur die Hälfte derjeni-
gen Last anvertrauen dürfe, von welcher sie zerrissen oder zerbrochen werden würden.

Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
§. 269.

Die Ausdehnung der Kettenstäbe und anderer Eisenschienen ist eben so wie bei den
Clavierdrähten von zweifacher Art, nämlich eine bleibende, als Folge ihrer vorher-
gegangenen Belastung und eine veränderliche, welcher diese Stäbe bei ihrem nach-
folgenden Gebrauche noch unterliegen.

Die erste oder diejenige, welche den Kettenstäben bei ihrer vorläufigen Probe bei-
gebracht worden, und nach der Befreiung von dieser Belastung zurückgeblieben ist,
können wir bei ihrem nachfolgenden Gebrauche um so mehr ausser Acht lassen, als durch
die bis zur grössten Belastung vorgenommenen Probeversuche nicht nur alle Besorg-
nisse hinsichtlich ihres festen Bestandes behoben worden sind, sondern auch durch
diese geringeren Gewichte an der bleibenden Ausdehnung nichts mehr geändert wer-
den kann.

Da sonach diese Eisenstäbe von zufälligen Belastungen zwar noch ausgedehnt wer-
den, jedoch nach der Befreiung von dieser Belastung auch wieder zu ihrer vorigen Län-
ge zurückkehren; so ergibt sich aus dem allgemeinen Naturgesetze, vermög welchem die
Wirkungen ihren Ursachen proportional sind, dass auch die Grösse dieser zufälligen Aus-
dehnungen nach dem Verhältnisse der Spannkräfte zu berechnen seyn werde.

Wir wollen demnach diejenige Ausdehnung, um welche der bei dem Probeversuche
mit der Last P beschwerte Stab nach seiner Befreiung von diesem Gewichte zurückgegan-
gen ist mit u, und eben so die Ausdehnung von der zufälligen Belastung p mit e be-
zeichnen, so haben wir die allgemeine Proportion P : p = u : e; weil aber die Ausdeh-
nung u der Länge des Stabes proportional ist, so wollen wir statt u die Grösse m . L
setzen, und da auf gleiche Art die Querschnittsfläche des Stabes F der Last P propor-
tional seyn muss, so können wir in der vorigen Proportion an die Stelle von P die
Grösse n . F setzen, wo unter n das Tragungsvermögen eines Quadratzolles, und unter F
der Querschnitt des betreffenden Stabes in Quadratzollen verstanden wird; dadurch er-
halten wir n . F : p = m . L : e und hieraus p = [Formel 1] , welche Gleichung mit der §. 238
angeführten Proportion ganz übereinstimmt.

Da jedoch bei der Aufstellung jener Proportion angenommen wurde, dass die Aus-
dehnungen den angehängten Gewichten nur in so weit proportional sind, als diese Ge-
wichte noch klein und die Körper als vollkommen elastisch angenommen werden kön-
nen; so belehrt uns im Gegentheile die gegenwärtige Gleichung, dass dieselbe Propor-
tion auch bei grösseren Lasten statt findet, wenn nur die Eisenstäbe oder Ketten vorher
bis zu einer grösseren Last als sie bei ihrem Gebrauche zu tragen haben, probiert wor-
den sind.

§. 270.

Zur zweckmässigen Anwendung dieser über die Festigkeit und Ausdehnung des Ei-
sens aufgestellten Gleichung, werden hier noch folgende Bemerkungen beigefügt.

In mehreren Schriften wird für den Gebrauch des Eisens die Regel angeführt, dass
man zur Erzielung hinlänglicher Sicherheit den eisernen Stäben nur die Hälfte derjeni-
gen Last anvertrauen dürfe, von welcher sie zerrissen oder zerbrochen werden würden.

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[277/0307] Gesetze für die Festigkeit des Eisens. §. 269. Die Ausdehnung der Kettenstäbe und anderer Eisenschienen ist eben so wie bei den Clavierdrähten von zweifacher Art, nämlich eine bleibende, als Folge ihrer vorher- gegangenen Belastung und eine veränderliche, welcher diese Stäbe bei ihrem nach- folgenden Gebrauche noch unterliegen. Die erste oder diejenige, welche den Kettenstäben bei ihrer vorläufigen Probe bei- gebracht worden, und nach der Befreiung von dieser Belastung zurückgeblieben ist, können wir bei ihrem nachfolgenden Gebrauche um so mehr ausser Acht lassen, als durch die bis zur grössten Belastung vorgenommenen Probeversuche nicht nur alle Besorg- nisse hinsichtlich ihres festen Bestandes behoben worden sind, sondern auch durch diese geringeren Gewichte an der bleibenden Ausdehnung nichts mehr geändert wer- den kann. Da sonach diese Eisenstäbe von zufälligen Belastungen zwar noch ausgedehnt wer- den, jedoch nach der Befreiung von dieser Belastung auch wieder zu ihrer vorigen Län- ge zurückkehren; so ergibt sich aus dem allgemeinen Naturgesetze, vermög welchem die Wirkungen ihren Ursachen proportional sind, dass auch die Grösse dieser zufälligen Aus- dehnungen nach dem Verhältnisse der Spannkräfte zu berechnen seyn werde. Wir wollen demnach diejenige Ausdehnung, um welche der bei dem Probeversuche mit der Last P beschwerte Stab nach seiner Befreiung von diesem Gewichte zurückgegan- gen ist mit u, und eben so die Ausdehnung von der zufälligen Belastung p mit e be- zeichnen, so haben wir die allgemeine Proportion P : p = u : e; weil aber die Ausdeh- nung u der Länge des Stabes proportional ist, so wollen wir statt u die Grösse m . L setzen, und da auf gleiche Art die Querschnittsfläche des Stabes F der Last P propor- tional seyn muss, so können wir in der vorigen Proportion an die Stelle von P die Grösse n . F setzen, wo unter n das Tragungsvermögen eines Quadratzolles, und unter F der Querschnitt des betreffenden Stabes in Quadratzollen verstanden wird; dadurch er- halten wir n . F : p = m . L : e und hieraus p = [FORMEL], welche Gleichung mit der §. 238 angeführten Proportion ganz übereinstimmt. Da jedoch bei der Aufstellung jener Proportion angenommen wurde, dass die Aus- dehnungen den angehängten Gewichten nur in so weit proportional sind, als diese Ge- wichte noch klein und die Körper als vollkommen elastisch angenommen werden kön- nen; so belehrt uns im Gegentheile die gegenwärtige Gleichung, dass dieselbe Propor- tion auch bei grösseren Lasten statt findet, wenn nur die Eisenstäbe oder Ketten vorher bis zu einer grösseren Last als sie bei ihrem Gebrauche zu tragen haben, probiert wor- den sind. §. 270. Zur zweckmässigen Anwendung dieser über die Festigkeit und Ausdehnung des Ei- sens aufgestellten Gleichung, werden hier noch folgende Bemerkungen beigefügt. In mehreren Schriften wird für den Gebrauch des Eisens die Regel angeführt, dass man zur Erzielung hinlänglicher Sicherheit den eisernen Stäben nur die Hälfte derjeni- gen Last anvertrauen dürfe, von welcher sie zerrissen oder zerbrochen werden würden.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/307>, abgerufen am 25.04.2024.