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Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.

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fünfter Aufzug.
blöcken! Vergieb mir! vergieb mir, o mein Richter und Erbar-
mer! vergieb mir! Sind nicht meine armen unschuldigen Kinder
gefallen? Armer Gaddo! da wand er sich! da umher liegen die
Leichname! armer Francesco! und meine Gianetta! meine Gia-
netta! und -- und -- (mit erstickter Stimme) Sie murrten nicht!
So hingebengt der Verwesung! So sie! Kein Murren in ihrer
Seele! Ah! was wärs, wenn sich der Verbrecher empörte!

(Er weint bitterlich, und verhüllt sich das Haupt. Die Mustk
wird klagender)

Eine unmännliche Thräne! (in edler Stellung) Kaunst du die
Bande der sieben Sterne zusammenbinden? Oder das Band des
Orion auflösen? Kannst du den Morgenstern hervorbringen zu
seiner Zeit? Oder den Wagen am Himmel über seine Kinder
führen? Weißt du, wie der Himmel zu regieren ist? Oder
kannst du ihn meistern auf Erden?

(Die Musik endigt erhaben)
Jch will meine Lenden gürten, wie ein Mann. Jch hebe mein
Auge zu Gott auf. Meine zerrißne Seele ist geheilt. Mit dir,
Hand in Hand, du Nahverklärter! (Anselmo umfassend) Und
dann seyd mir gepriesen, die ihr diesen Leib der Verwesung hin-
warft! Ganz nahe bin ich am Ziel!


fuͤnfter Aufzug.
bloͤcken! Vergieb mir! vergieb mir, o mein Richter und Erbar-
mer! vergieb mir! Sind nicht meine armen unſchuldigen Kinder
gefallen? Armer Gaddo! da wand er ſich! da umher liegen die
Leichname! armer Franceſco! und meine Gianetta! meine Gia-
netta! und — und — (mit erſtickter Stimme) Sie murrten nicht!
So hingebengt der Verweſung! So ſie! Kein Murren in ihrer
Seele! Ah! was waͤrs, wenn ſich der Verbrecher empoͤrte!

(Er weint bitterlich, und verhuͤllt ſich das Haupt. Die Muſtk
wird klagender)

Eine unmaͤnnliche Thraͤne! (in edler Stellung) Kaunſt du die
Bande der ſieben Sterne zuſammenbinden? Oder das Band des
Orion aufloͤſen? Kannſt du den Morgenſtern hervorbringen zu
ſeiner Zeit? Oder den Wagen am Himmel uͤber ſeine Kinder
fuͤhren? Weißt du, wie der Himmel zu regieren iſt? Oder
kannſt du ihn meiſtern auf Erden?

(Die Muſik endigt erhaben)
Jch will meine Lenden guͤrten, wie ein Mann. Jch hebe mein
Auge zu Gott auf. Meine zerrißne Seele iſt geheilt. Mit dir,
Hand in Hand, du Nahverklaͤrter! (Anſelmo umfaſſend) Und
dann ſeyd mir geprieſen, die ihr dieſen Leib der Verweſung hin-
warft! Ganz nahe bin ich am Ziel!


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[67/0073] fuͤnfter Aufzug. bloͤcken! Vergieb mir! vergieb mir, o mein Richter und Erbar- mer! vergieb mir! Sind nicht meine armen unſchuldigen Kinder gefallen? Armer Gaddo! da wand er ſich! da umher liegen die Leichname! armer Franceſco! und meine Gianetta! meine Gia- netta! und — und — (mit erſtickter Stimme) Sie murrten nicht! So hingebengt der Verweſung! So ſie! Kein Murren in ihrer Seele! Ah! was waͤrs, wenn ſich der Verbrecher empoͤrte! (Er weint bitterlich, und verhuͤllt ſich das Haupt. Die Muſtk wird klagender) Eine unmaͤnnliche Thraͤne! (in edler Stellung) Kaunſt du die Bande der ſieben Sterne zuſammenbinden? Oder das Band des Orion aufloͤſen? Kannſt du den Morgenſtern hervorbringen zu ſeiner Zeit? Oder den Wagen am Himmel uͤber ſeine Kinder fuͤhren? Weißt du, wie der Himmel zu regieren iſt? Oder kannſt du ihn meiſtern auf Erden? (Die Muſik endigt erhaben) Jch will meine Lenden guͤrten, wie ein Mann. Jch hebe mein Auge zu Gott auf. Meine zerrißne Seele iſt geheilt. Mit dir, Hand in Hand, du Nahverklaͤrter! (Anſelmo umfaſſend) Und dann ſeyd mir geprieſen, die ihr dieſen Leib der Verweſung hin- warft! Ganz nahe bin ich am Ziel!

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Zitationshilfe: Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/73>, abgerufen am 25.04.2024.