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Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.

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vierter Aufzug.
Ugolino. Wir haben viel fröliche Tage gelebt, meine
Söhne. Wollen wir nachrechnen? Es wird uns schwer fallen,
sie alle zusammen zu rechnen.
Francesco. Das war ein schöner frölicher Tag, da Anselmo
gebohren ward. Jch erinnere michs recht genau. Jch war
damals sieben Jahre alt.
Ugolino. Ein schöner Tag; du hast Recht, Francesco.
Ganz Pisa nahm daran Theil. Die Freudenfeyer und die fest-
lichen Tänze danerten drey Tage, und darüber.
Gaddo. Da wird was rechts geschmaust seyn, mein Vater!
War ich auch dabey?
Francesco. Du warst noch nicht gebohren, Gaddo.
Gaddo. Schade!
Ugolino. Wie so still, Anselmo?
Anselmo. (Nachdem er ihn starr angesehn hat) So bist dus denn
wirklich? Nun (blickt zum Himmel) ich danke dir!
Francesco. Anselmo wähnte, daß dir nicht wohl sey.
Auch das war ein schöner Tag, mein Vater, da die Mütter,
Jungfrauen und Jünglinge dir nach dem großen Siege vor die
Stadt entgegen kamen.
Ugolino. Ganz recht. Jhr Zuruf im Klange der Klap-
pererze und Trompeten machte mir warm. Aber ich wollte, daß
ihr mir auch einige von euren frölichen Tagen herrechnetet.
Anselmo. War das nicht ein schöner und ein frölicher Tag,
ihr Brüder, da mich Ruggieri meinem Vater nachschickte?
und --
Francesco. Und da wir, auf dem goldnen Kahne, unsrer
Mutter entgegen segelten, als die dankbaren Pisaner sie im Tri-
umphe den Arno hinaufführten bis zur Villa Gherardesca.
Ugolino. Du warst auch zugegen, Gaddo: was sagst du
dazu?
Gaddo. Mir wird ganz trübe vor den Augen!
Ugo-
G 2
vierter Aufzug.
Ugolino. Wir haben viel froͤliche Tage gelebt, meine
Soͤhne. Wollen wir nachrechnen? Es wird uns ſchwer fallen,
ſie alle zuſammen zu rechnen.
Franceſco. Das war ein ſchoͤner froͤlicher Tag, da Anſelmo
gebohren ward. Jch erinnere michs recht genau. Jch war
damals ſieben Jahre alt.
Ugolino. Ein ſchoͤner Tag; du haſt Recht, Franceſco.
Ganz Piſa nahm daran Theil. Die Freudenfeyer und die feſt-
lichen Taͤnze danerten drey Tage, und daruͤber.
Gaddo. Da wird was rechts geſchmauſt ſeyn, mein Vater!
War ich auch dabey?
Franceſco. Du warſt noch nicht gebohren, Gaddo.
Gaddo. Schade!
Ugolino. Wie ſo ſtill, Anſelmo?
Anſelmo. (Nachdem er ihn ſtarr angeſehn hat) So biſt dus denn
wirklich? Nun (blickt zum Himmel) ich danke dir!
Franceſco. Anſelmo waͤhnte, daß dir nicht wohl ſey.
Auch das war ein ſchoͤner Tag, mein Vater, da die Muͤtter,
Jungfrauen und Juͤnglinge dir nach dem großen Siege vor die
Stadt entgegen kamen.
Ugolino. Ganz recht. Jhr Zuruf im Klange der Klap-
pererze und Trompeten machte mir warm. Aber ich wollte, daß
ihr mir auch einige von euren froͤlichen Tagen herrechnetet.
Anſelmo. War das nicht ein ſchoͤner und ein froͤlicher Tag,
ihr Bruͤder, da mich Ruggieri meinem Vater nachſchickte?
und —
Franceſco. Und da wir, auf dem goldnen Kahne, unſrer
Mutter entgegen ſegelten, als die dankbaren Piſaner ſie im Tri-
umphe den Arno hinauffuͤhrten bis zur Villa Gherardeſca.
Ugolino. Du warſt auch zugegen, Gaddo: was ſagſt du
dazu?
Gaddo. Mir wird ganz truͤbe vor den Augen!
Ugo-
G 2
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[51/0057] vierter Aufzug. Ugolino. Wir haben viel froͤliche Tage gelebt, meine Soͤhne. Wollen wir nachrechnen? Es wird uns ſchwer fallen, ſie alle zuſammen zu rechnen. Franceſco. Das war ein ſchoͤner froͤlicher Tag, da Anſelmo gebohren ward. Jch erinnere michs recht genau. Jch war damals ſieben Jahre alt. Ugolino. Ein ſchoͤner Tag; du haſt Recht, Franceſco. Ganz Piſa nahm daran Theil. Die Freudenfeyer und die feſt- lichen Taͤnze danerten drey Tage, und daruͤber. Gaddo. Da wird was rechts geſchmauſt ſeyn, mein Vater! War ich auch dabey? Franceſco. Du warſt noch nicht gebohren, Gaddo. Gaddo. Schade! Ugolino. Wie ſo ſtill, Anſelmo? Anſelmo. (Nachdem er ihn ſtarr angeſehn hat) So biſt dus denn wirklich? Nun (blickt zum Himmel) ich danke dir! Franceſco. Anſelmo waͤhnte, daß dir nicht wohl ſey. Auch das war ein ſchoͤner Tag, mein Vater, da die Muͤtter, Jungfrauen und Juͤnglinge dir nach dem großen Siege vor die Stadt entgegen kamen. Ugolino. Ganz recht. Jhr Zuruf im Klange der Klap- pererze und Trompeten machte mir warm. Aber ich wollte, daß ihr mir auch einige von euren froͤlichen Tagen herrechnetet. Anſelmo. War das nicht ein ſchoͤner und ein froͤlicher Tag, ihr Bruͤder, da mich Ruggieri meinem Vater nachſchickte? und — Franceſco. Und da wir, auf dem goldnen Kahne, unſrer Mutter entgegen ſegelten, als die dankbaren Piſaner ſie im Tri- umphe den Arno hinauffuͤhrten bis zur Villa Gherardeſca. Ugolino. Du warſt auch zugegen, Gaddo: was ſagſt du dazu? Gaddo. Mir wird ganz truͤbe vor den Augen! Ugo- G 2

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Zitationshilfe: Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/57>, abgerufen am 24.11.2024.