Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.rückbleiben konnte, berechnete sich schon im Stillen, welchen Riß dieser verschwenderische Abend in seiner bescheidenen Kasse machen würde. Aber Gertrud saß neben ihm, trank mit ihm aus Einem Glase, und wie hätte er da einer solchen Sorge Raum geben können! -- Und wenn ihr Heinrich morgen kam? Der erste Schlag der elften Stunde tönte, und wieder schwieg der laute Jubel der Zechenden, wieder dieses athemlose Lauschen den langsamen Schlägen. Ein eigenes Grauen überkam ihn: er wußte selber nicht weßhalb, und der Gedanke an seine Mutter daheim zog ihm durch das Herz. Langsam hob er sein Glas und leerte es als Gruß den fernen Lieben. Mit dem elften Schlage aber sprangen die Gäste von den Tischen auf; der Tanz sollte aufs Neue beginnen, und Alles eilte in den Saal zurück. Wem habt Ihr zuletzt zugetrunken? frug Gertrud, als sie ihren Arm wieder in den seinen gelegt hatte. Arnold zögerte mit der Antwort. Lachte ihn Gertrud vielleicht aus, wenn er es ihr sagte? -- Aber nein -- so brünstig hatte sie ja noch an dem Nachmittage an ihrer eigenen Mutter Grabe gebetet, und mit leiser Stimme sagte er: Meiner Mutter. Gertrud erwiderte kein Wort und ging schweigend neben ihm die Treppe wieder hinauf -- aber sie lachte auch nicht mehr, und ehe sie wieder zum Tanze antraten, frug sie ihn: rückbleiben konnte, berechnete sich schon im Stillen, welchen Riß dieser verschwenderische Abend in seiner bescheidenen Kasse machen würde. Aber Gertrud saß neben ihm, trank mit ihm aus Einem Glase, und wie hätte er da einer solchen Sorge Raum geben können! — Und wenn ihr Heinrich morgen kam? Der erste Schlag der elften Stunde tönte, und wieder schwieg der laute Jubel der Zechenden, wieder dieses athemlose Lauschen den langsamen Schlägen. Ein eigenes Grauen überkam ihn: er wußte selber nicht weßhalb, und der Gedanke an seine Mutter daheim zog ihm durch das Herz. Langsam hob er sein Glas und leerte es als Gruß den fernen Lieben. Mit dem elften Schlage aber sprangen die Gäste von den Tischen auf; der Tanz sollte aufs Neue beginnen, und Alles eilte in den Saal zurück. Wem habt Ihr zuletzt zugetrunken? frug Gertrud, als sie ihren Arm wieder in den seinen gelegt hatte. Arnold zögerte mit der Antwort. Lachte ihn Gertrud vielleicht aus, wenn er es ihr sagte? — Aber nein — so brünstig hatte sie ja noch an dem Nachmittage an ihrer eigenen Mutter Grabe gebetet, und mit leiser Stimme sagte er: Meiner Mutter. Gertrud erwiderte kein Wort und ging schweigend neben ihm die Treppe wieder hinauf — aber sie lachte auch nicht mehr, und ehe sie wieder zum Tanze antraten, frug sie ihn: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0039"/> rückbleiben konnte, berechnete sich schon im Stillen, welchen Riß dieser verschwenderische Abend in seiner bescheidenen Kasse machen würde. Aber Gertrud saß neben ihm, trank mit ihm aus Einem Glase, und wie hätte er da einer solchen Sorge Raum geben können! — Und wenn ihr Heinrich morgen kam?</p><lb/> <p>Der erste Schlag der elften Stunde tönte, und wieder schwieg der laute Jubel der Zechenden, wieder dieses athemlose Lauschen den langsamen Schlägen. Ein eigenes Grauen überkam ihn: er wußte selber nicht weßhalb, und der Gedanke an seine Mutter daheim zog ihm durch das Herz. Langsam hob er sein Glas und leerte es als Gruß den fernen Lieben.</p><lb/> <p>Mit dem elften Schlage aber sprangen die Gäste von den Tischen auf; der Tanz sollte aufs Neue beginnen, und Alles eilte in den Saal zurück.</p><lb/> <p>Wem habt Ihr zuletzt zugetrunken? frug Gertrud, als sie ihren Arm wieder in den seinen gelegt hatte.</p><lb/> <p>Arnold zögerte mit der Antwort. Lachte ihn Gertrud vielleicht aus, wenn er es ihr sagte? — Aber nein — so brünstig hatte sie ja noch an dem Nachmittage an ihrer eigenen Mutter Grabe gebetet, und mit leiser Stimme sagte er:</p><lb/> <p>Meiner Mutter.</p><lb/> <p>Gertrud erwiderte kein Wort und ging schweigend neben ihm die Treppe wieder hinauf — aber sie lachte auch nicht mehr, und ehe sie wieder zum Tanze antraten, frug sie ihn:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
rückbleiben konnte, berechnete sich schon im Stillen, welchen Riß dieser verschwenderische Abend in seiner bescheidenen Kasse machen würde. Aber Gertrud saß neben ihm, trank mit ihm aus Einem Glase, und wie hätte er da einer solchen Sorge Raum geben können! — Und wenn ihr Heinrich morgen kam?
Der erste Schlag der elften Stunde tönte, und wieder schwieg der laute Jubel der Zechenden, wieder dieses athemlose Lauschen den langsamen Schlägen. Ein eigenes Grauen überkam ihn: er wußte selber nicht weßhalb, und der Gedanke an seine Mutter daheim zog ihm durch das Herz. Langsam hob er sein Glas und leerte es als Gruß den fernen Lieben.
Mit dem elften Schlage aber sprangen die Gäste von den Tischen auf; der Tanz sollte aufs Neue beginnen, und Alles eilte in den Saal zurück.
Wem habt Ihr zuletzt zugetrunken? frug Gertrud, als sie ihren Arm wieder in den seinen gelegt hatte.
Arnold zögerte mit der Antwort. Lachte ihn Gertrud vielleicht aus, wenn er es ihr sagte? — Aber nein — so brünstig hatte sie ja noch an dem Nachmittage an ihrer eigenen Mutter Grabe gebetet, und mit leiser Stimme sagte er:
Meiner Mutter.
Gertrud erwiderte kein Wort und ging schweigend neben ihm die Treppe wieder hinauf — aber sie lachte auch nicht mehr, und ehe sie wieder zum Tanze antraten, frug sie ihn:
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