Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schon lange -- antwortete eintönig das Mädchen; -- in Germelshausen baut sich keine mehr ihr Nest. -- -- Sie können vielleicht den Erdrauch nicht vertragen. Aber den habt ihr doch nicht immer? Immer. Dann ist der auch Schuld daran, daß eure Obstbäume keine Früchte tragen, und noch in Marisfelde mußten sie dieses Jahr die Aeste stützen, so reich gesegnet ist das Jahr. Gertrud erwiderte kein Wort darauf und wanderte schweigend an seiner Seite, immer im Dorfe hin, bis sie das äußerste Ende desselben erreichten. Unterwegs nickte sie nur manchmal einem Kinde freundlich zu oder sprach mit einem der jungen Mädchen -- vielleicht über den heutigen Tanz und Ballstaat -- ein paar leise Worte. Und die Mädchen sahen dabei den jungen Maler mit recht mitleidsvollen Blicken an, daß es diesem, er wußte selber nicht recht warum, ganz warm und weh ums Herz wurde-- aber er getraute sich nicht, Gertrud deßhalb zu fragen. Jetzt endlich hatten sie die äußersten Häuser erreicht, und so lebendig es im Dorfe selber auch gewesen, so still und einsam, ja so todtenähnlich wurde es hier. Die Gärten sahen aus als ob sie seit langen, langen Jahren nicht betreten wären; in den Wegen wuchs Gras, und merkwürdig schien es besonders dem jungen Fremden, daß kein einziger Obstbaum auch nur eine Frucht trug. Schon lange — antwortete eintönig das Mädchen; — in Germelshausen baut sich keine mehr ihr Nest. — — Sie können vielleicht den Erdrauch nicht vertragen. Aber den habt ihr doch nicht immer? Immer. Dann ist der auch Schuld daran, daß eure Obstbäume keine Früchte tragen, und noch in Marisfelde mußten sie dieses Jahr die Aeste stützen, so reich gesegnet ist das Jahr. Gertrud erwiderte kein Wort darauf und wanderte schweigend an seiner Seite, immer im Dorfe hin, bis sie das äußerste Ende desselben erreichten. Unterwegs nickte sie nur manchmal einem Kinde freundlich zu oder sprach mit einem der jungen Mädchen — vielleicht über den heutigen Tanz und Ballstaat — ein paar leise Worte. Und die Mädchen sahen dabei den jungen Maler mit recht mitleidsvollen Blicken an, daß es diesem, er wußte selber nicht recht warum, ganz warm und weh ums Herz wurde— aber er getraute sich nicht, Gertrud deßhalb zu fragen. Jetzt endlich hatten sie die äußersten Häuser erreicht, und so lebendig es im Dorfe selber auch gewesen, so still und einsam, ja so todtenähnlich wurde es hier. Die Gärten sahen aus als ob sie seit langen, langen Jahren nicht betreten wären; in den Wegen wuchs Gras, und merkwürdig schien es besonders dem jungen Fremden, daß kein einziger Obstbaum auch nur eine Frucht trug. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <pb facs="#f0029"/> <p>Schon lange — antwortete eintönig das Mädchen; — in Germelshausen baut sich keine mehr ihr Nest. — — Sie können vielleicht den Erdrauch nicht vertragen.</p><lb/> <p>Aber den habt ihr doch nicht immer?</p><lb/> <p>Immer.</p><lb/> <p>Dann ist der auch Schuld daran, daß eure Obstbäume keine Früchte tragen, und noch in Marisfelde mußten sie dieses Jahr die Aeste stützen, so reich gesegnet ist das Jahr.</p><lb/> <p>Gertrud erwiderte kein Wort darauf und wanderte schweigend an seiner Seite, immer im Dorfe hin, bis sie das äußerste Ende desselben erreichten. Unterwegs nickte sie nur manchmal einem Kinde freundlich zu oder sprach mit einem der jungen Mädchen — vielleicht über den heutigen Tanz und Ballstaat — ein paar leise Worte. Und die Mädchen sahen dabei den jungen Maler mit recht mitleidsvollen Blicken an, daß es diesem, er wußte selber nicht recht warum, ganz warm und weh ums Herz wurde— aber er getraute sich nicht, Gertrud deßhalb zu fragen.</p><lb/> <p>Jetzt endlich hatten sie die äußersten Häuser erreicht, und so lebendig es im Dorfe selber auch gewesen, so still und einsam, ja so todtenähnlich wurde es hier. Die Gärten sahen aus als ob sie seit langen, langen Jahren nicht betreten wären; in den Wegen wuchs Gras, und merkwürdig schien es besonders dem jungen Fremden, daß kein einziger Obstbaum auch nur eine Frucht trug.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Schon lange — antwortete eintönig das Mädchen; — in Germelshausen baut sich keine mehr ihr Nest. — — Sie können vielleicht den Erdrauch nicht vertragen.
Aber den habt ihr doch nicht immer?
Immer.
Dann ist der auch Schuld daran, daß eure Obstbäume keine Früchte tragen, und noch in Marisfelde mußten sie dieses Jahr die Aeste stützen, so reich gesegnet ist das Jahr.
Gertrud erwiderte kein Wort darauf und wanderte schweigend an seiner Seite, immer im Dorfe hin, bis sie das äußerste Ende desselben erreichten. Unterwegs nickte sie nur manchmal einem Kinde freundlich zu oder sprach mit einem der jungen Mädchen — vielleicht über den heutigen Tanz und Ballstaat — ein paar leise Worte. Und die Mädchen sahen dabei den jungen Maler mit recht mitleidsvollen Blicken an, daß es diesem, er wußte selber nicht recht warum, ganz warm und weh ums Herz wurde— aber er getraute sich nicht, Gertrud deßhalb zu fragen.
Jetzt endlich hatten sie die äußersten Häuser erreicht, und so lebendig es im Dorfe selber auch gewesen, so still und einsam, ja so todtenähnlich wurde es hier. Die Gärten sahen aus als ob sie seit langen, langen Jahren nicht betreten wären; in den Wegen wuchs Gras, und merkwürdig schien es besonders dem jungen Fremden, daß kein einziger Obstbaum auch nur eine Frucht trug.
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