Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Das ist aber nicht der Heinrich, rief die alte Frau aus dem Fenster. Hab' ich's denn nicht immer gesagt, daß der nicht wiederkäme? Schon gut, Mutter; schon gut! meinte der Schulze, der thut's auch, und dem Fremden die Hand entgegenstreckend fuhr er fort: Schön Willkommen in Germelshausen, mein junger Herr, wo Euch das Mädel auch mag aufgelesen haben. Und jetzt kommt herein zum Essen und langt zu nach Herzenslust -- alles Weitere können wir nachher besprechen. Er ließ dem jungen Maler auch wirklich keinen weiteren Raum zu irgend einer Entschuldigung, sondern derb seine Hand schüttelnd, die Gertrud losgelassen hatte, sobald er den Fuß auf die steinerne Treppe setzte, faßte er ihn zutraulich unter den Arm und führte ihn in die breite und geräumige Wohnstube ein. Im Hause selber herrschte eine dumpfe, erdige Luft, und so gut Arnold die Gewohnheit des deutschen Bauern kannte, der sich in seinem Zimmer am liebsten von jeder frischen Luft ausschließt und selbst im Sommer nicht selten einheizt, um die ihm behagliche Brathitze zu erzeugen, so fiel es ihm doch auf. Der schmale Hausgang hatte dabei ebenfalls wenig Einladendes. Der Kalk war von den Wänden gefallen und schien eben nur flüchtig bei Seite gekehrt zu sein. Das einzige erblindete Fenster im hintern Theile desselben konnte kaum ein notdürftiges Licht hereinwerfen, und die Treppe, die in das obere Stockwerk führte, sah alt und zerfallen aus. Das ist aber nicht der Heinrich, rief die alte Frau aus dem Fenster. Hab' ich's denn nicht immer gesagt, daß der nicht wiederkäme? Schon gut, Mutter; schon gut! meinte der Schulze, der thut's auch, und dem Fremden die Hand entgegenstreckend fuhr er fort: Schön Willkommen in Germelshausen, mein junger Herr, wo Euch das Mädel auch mag aufgelesen haben. Und jetzt kommt herein zum Essen und langt zu nach Herzenslust — alles Weitere können wir nachher besprechen. Er ließ dem jungen Maler auch wirklich keinen weiteren Raum zu irgend einer Entschuldigung, sondern derb seine Hand schüttelnd, die Gertrud losgelassen hatte, sobald er den Fuß auf die steinerne Treppe setzte, faßte er ihn zutraulich unter den Arm und führte ihn in die breite und geräumige Wohnstube ein. Im Hause selber herrschte eine dumpfe, erdige Luft, und so gut Arnold die Gewohnheit des deutschen Bauern kannte, der sich in seinem Zimmer am liebsten von jeder frischen Luft ausschließt und selbst im Sommer nicht selten einheizt, um die ihm behagliche Brathitze zu erzeugen, so fiel es ihm doch auf. Der schmale Hausgang hatte dabei ebenfalls wenig Einladendes. Der Kalk war von den Wänden gefallen und schien eben nur flüchtig bei Seite gekehrt zu sein. Das einzige erblindete Fenster im hintern Theile desselben konnte kaum ein notdürftiges Licht hereinwerfen, und die Treppe, die in das obere Stockwerk führte, sah alt und zerfallen aus. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <pb facs="#f0022"/> <p>Das ist aber nicht der Heinrich, rief die alte Frau aus dem Fenster. Hab' ich's denn nicht immer gesagt, daß der nicht wiederkäme?</p><lb/> <p>Schon gut, Mutter; schon gut! meinte der Schulze, der thut's auch, und dem Fremden die Hand entgegenstreckend fuhr er fort: Schön Willkommen in Germelshausen, mein junger Herr, wo Euch das Mädel auch mag aufgelesen haben. Und jetzt kommt herein zum Essen und langt zu nach Herzenslust — alles Weitere können wir nachher besprechen.</p><lb/> <p>Er ließ dem jungen Maler auch wirklich keinen weiteren Raum zu irgend einer Entschuldigung, sondern derb seine Hand schüttelnd, die Gertrud losgelassen hatte, sobald er den Fuß auf die steinerne Treppe setzte, faßte er ihn zutraulich unter den Arm und führte ihn in die breite und geräumige Wohnstube ein.</p><lb/> <p>Im Hause selber herrschte eine dumpfe, erdige Luft, und so gut Arnold die Gewohnheit des deutschen Bauern kannte, der sich in seinem Zimmer am liebsten von jeder frischen Luft ausschließt und selbst im Sommer nicht selten einheizt, um die ihm behagliche Brathitze zu erzeugen, so fiel es ihm doch auf. Der schmale Hausgang hatte dabei ebenfalls wenig Einladendes. Der Kalk war von den Wänden gefallen und schien eben nur flüchtig bei Seite gekehrt zu sein. Das einzige erblindete Fenster im hintern Theile desselben konnte kaum ein notdürftiges Licht hereinwerfen, und die Treppe, die in das obere Stockwerk führte, sah alt und zerfallen aus.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Das ist aber nicht der Heinrich, rief die alte Frau aus dem Fenster. Hab' ich's denn nicht immer gesagt, daß der nicht wiederkäme?
Schon gut, Mutter; schon gut! meinte der Schulze, der thut's auch, und dem Fremden die Hand entgegenstreckend fuhr er fort: Schön Willkommen in Germelshausen, mein junger Herr, wo Euch das Mädel auch mag aufgelesen haben. Und jetzt kommt herein zum Essen und langt zu nach Herzenslust — alles Weitere können wir nachher besprechen.
Er ließ dem jungen Maler auch wirklich keinen weiteren Raum zu irgend einer Entschuldigung, sondern derb seine Hand schüttelnd, die Gertrud losgelassen hatte, sobald er den Fuß auf die steinerne Treppe setzte, faßte er ihn zutraulich unter den Arm und führte ihn in die breite und geräumige Wohnstube ein.
Im Hause selber herrschte eine dumpfe, erdige Luft, und so gut Arnold die Gewohnheit des deutschen Bauern kannte, der sich in seinem Zimmer am liebsten von jeder frischen Luft ausschließt und selbst im Sommer nicht selten einheizt, um die ihm behagliche Brathitze zu erzeugen, so fiel es ihm doch auf. Der schmale Hausgang hatte dabei ebenfalls wenig Einladendes. Der Kalk war von den Wänden gefallen und schien eben nur flüchtig bei Seite gekehrt zu sein. Das einzige erblindete Fenster im hintern Theile desselben konnte kaum ein notdürftiges Licht hereinwerfen, und die Treppe, die in das obere Stockwerk führte, sah alt und zerfallen aus.
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Zitationshilfe: | Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstaecker_germelshausen_1910/22>, abgerufen am 16.07.2024. |