Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.gefürchtete Krieger, die unter sich die heftigsten Kriege führen. Die Bewohner von Anaa (Chainisland) verwüsteten alle umliegenden Inseln, hieben die Fruchtbäume nieder und was von den Bewohnern nicht getödtet wurde, ward als Sklave mit fortgeschleppt (Mörenhout 1, 199 vergl. 169). Nicht weniger als 38 Inseln haben sie auf diese Art verödet (Hale 35). Auch in Mikronesien wurden und werden heftige Kriege geführt, so auf den Palaus (Keate), auf einzelnen Karolinen und zwar auf den hohen Inseln Eap, Truck (Hogoleu), Ponapi, nicht aber auf Kusaie (Ualan Chamisso 135, Kittlitz 1, 356): so und besonders leidenschaftlich auf der Eatakkette (Kotzebue, Chamisso) und auf den Gilbertinseln (Gulick 410). Während man in diesem Gebiet nur an einigen Orten die Bäume schonte (Hale 84) hieb man, sie nach der gemeinsamen Sitte der Ozeanier, auf Ratak und sonst nieder (Kotzebue 287), und man kann sich denken, wie furchtbar solche Barbareien auf den kleinen schon ohnehin nur überaus kärgliche Nahrung bietenden Inseln wirken mussten: viele, die der Krieg verschont hatte, namentlich Weiber und Kinder, erlagen dem Hunger, dem Elend, das ihm folgte. Daher ist die Behauptung, dass die einheimischen Kriege der ozeanischen Bevölkerung ganz unberechenbaren Schaden zugefügt und wesentlich zu ihrer stetigen Verminderung beigetragen haben, nur allzusehr gerechtfertigt. Die Sitte des Schädelerbeutens, welche wir auf Neuguinea sahen und die das ganze Malaisien beherrscht, finden wir insofern überall in Polynesien, als man gierig die Schädel und in Tahiti auch die Unterkiefer der Feinde erstrebt, um sie als Trophäe aufzuheben (Nukuhiva Melville 2, 129, Tahiti Bougainville 181, Ellis 1, 309, Perl- oder Palliserinseln ebend. 1, 358, Aitutaiki 1, 309, Rarotonga 1, 359, Neuseeland Dieffenbach 2, 134, Samoa Turner 301. 304). Hiermit hängt die weite Verbreitung der Menschenfresserei enge zusammen, wie sie nach Hale 38 in Neuseeland, wo nach Thomson 1, 148 das letzte Beispiel dieser Sitte noch 1843 vorkam, Hervey, Mangareva (Gambier), Paumotu und dem Marquesasarchipel ganz allgemein und ohne Scham betrieben wurde. Auch zu Kriegen wird sie oft Anlass, indem man, um ihn zu fressen, einen oder mehrere Menschen eines fremden Stammes erschlug, welche That natürlich Rache erheischte. Auf Samoa, Tonga, Tahiti und Hawaii kommt der Kannibalismus jetzt nur noch einzeln vor, auf Samoa bei ganz besonders erbittertem Hass (Turner 194), auf Tonga aus Prahlerei und in Nachahmung der Fidschisitten, (Mariner 1, 116-17), so wie bei Hungersnoth, wo man irgend Jemanden, meist einen Verwandten erschlägt und isst (eb. 2, 19; 1, 117); in Tahiti gleichfalls, aus Prahlerei, um sich furchtbar zu machen (Ellis 1, 310). Aber früher war er auf diesen Inseln allgemeine Sitte (Hale 37), wie eine Menge seltsamer und anders ganz unerklärbarer Gebräuche gefürchtete Krieger, die unter sich die heftigsten Kriege führen. Die Bewohner von Anaa (Chainisland) verwüsteten alle umliegenden Inseln, hieben die Fruchtbäume nieder und was von den Bewohnern nicht getödtet wurde, ward als Sklave mit fortgeschleppt (Mörenhout 1, 199 vergl. 169). Nicht weniger als 38 Inseln haben sie auf diese Art verödet (Hale 35). Auch in Mikronesien wurden und werden heftige Kriege geführt, so auf den Palaus (Keate), auf einzelnen Karolinen und zwar auf den hohen Inseln Eap, Truck (Hogoleu), Ponapi, nicht aber auf Kusaie (Ualan Chamisso 135, Kittlitz 1, 356): so und besonders leidenschaftlich auf der Eatakkette (Kotzebue, Chamisso) und auf den Gilbertinseln (Gulick 410). Während man in diesem Gebiet nur an einigen Orten die Bäume schonte (Hale 84) hieb man, sie nach der gemeinsamen Sitte der Ozeanier, auf Ratak und sonst nieder (Kotzebue 287), und man kann sich denken, wie furchtbar solche Barbareien auf den kleinen schon ohnehin nur überaus kärgliche Nahrung bietenden Inseln wirken mussten: viele, die der Krieg verschont hatte, namentlich Weiber und Kinder, erlagen dem Hunger, dem Elend, das ihm folgte. Daher ist die Behauptung, dass die einheimischen Kriege der ozeanischen Bevölkerung ganz unberechenbaren Schaden zugefügt und wesentlich zu ihrer stetigen Verminderung beigetragen haben, nur allzusehr gerechtfertigt. Die Sitte des Schädelerbeutens, welche wir auf Neuguinea sahen und die das ganze Malaisien beherrscht, finden wir insofern überall in Polynesien, als man gierig die Schädel und in Tahiti auch die Unterkiefer der Feinde erstrebt, um sie als Trophäe aufzuheben (Nukuhiva Melville 2, 129, Tahiti Bougainville 181, Ellis 1, 309, Perl- oder Palliserinseln ebend. 1, 358, Aitutaiki 1, 309, Rarotonga 1, 359, Neuseeland Dieffenbach 2, 134, Samoa Turner 301. 304). Hiermit hängt die weite Verbreitung der Menschenfresserei enge zusammen, wie sie nach Hale 38 in Neuseeland, wo nach Thomson 1, 148 das letzte Beispiel dieser Sitte noch 1843 vorkam, Hervey, Mangareva (Gambier), Paumotu und dem Marquesasarchipel ganz allgemein und ohne Scham betrieben wurde. Auch zu Kriegen wird sie oft Anlass, indem man, um ihn zu fressen, einen oder mehrere Menschen eines fremden Stammes erschlug, welche That natürlich Rache erheischte. Auf Samoa, Tonga, Tahiti und Hawaii kommt der Kannibalismus jetzt nur noch einzeln vor, auf Samoa bei ganz besonders erbittertem Hass (Turner 194), auf Tonga aus Prahlerei und in Nachahmung der Fidschisitten, (Mariner 1, 116-17), so wie bei Hungersnoth, wo man irgend Jemanden, meist einen Verwandten erschlägt und isst (eb. 2, 19; 1, 117); in Tahiti gleichfalls, aus Prahlerei, um sich furchtbar zu machen (Ellis 1, 310). Aber früher war er auf diesen Inseln allgemeine Sitte (Hale 37), wie eine Menge seltsamer und anders ganz unerklärbarer Gebräuche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084"/> gefürchtete Krieger, die unter sich die heftigsten Kriege führen. Die Bewohner von Anaa (Chainisland) verwüsteten alle umliegenden Inseln, hieben die Fruchtbäume nieder und was von den Bewohnern nicht getödtet wurde, ward als Sklave mit fortgeschleppt (Mörenhout 1, 199 vergl. 169). Nicht weniger als 38 Inseln haben sie auf diese Art verödet (Hale 35).</p> <p>Auch in Mikronesien wurden und werden heftige Kriege geführt, so auf den Palaus (Keate), auf einzelnen Karolinen und zwar auf den hohen Inseln Eap, Truck (Hogoleu), Ponapi, nicht aber auf Kusaie (Ualan Chamisso 135, Kittlitz 1, 356): so und besonders leidenschaftlich auf der Eatakkette (Kotzebue, Chamisso) und auf den Gilbertinseln (Gulick 410). Während man in diesem Gebiet nur an einigen Orten die Bäume schonte (Hale 84) hieb man, sie nach der gemeinsamen Sitte der Ozeanier, auf Ratak und sonst nieder (Kotzebue 287), und man kann sich denken, wie furchtbar solche Barbareien auf den kleinen schon ohnehin nur überaus kärgliche Nahrung bietenden Inseln wirken mussten: viele, die der Krieg verschont hatte, namentlich Weiber und Kinder, erlagen dem Hunger, dem Elend, das ihm folgte. Daher ist die Behauptung, dass die einheimischen Kriege der ozeanischen Bevölkerung ganz unberechenbaren Schaden zugefügt und wesentlich zu ihrer stetigen Verminderung beigetragen haben, nur allzusehr gerechtfertigt.</p> <p>Die Sitte des Schädelerbeutens, welche wir auf Neuguinea sahen und die das ganze Malaisien beherrscht, finden wir insofern überall in Polynesien, als man gierig die Schädel und in Tahiti auch die Unterkiefer der Feinde erstrebt, um sie als Trophäe aufzuheben (Nukuhiva Melville 2, 129, Tahiti Bougainville 181, Ellis 1, 309, Perl- oder Palliserinseln ebend. 1, 358, Aitutaiki 1, 309, Rarotonga 1, 359, Neuseeland Dieffenbach 2, 134, Samoa Turner 301. 304). Hiermit hängt die weite Verbreitung der Menschenfresserei enge zusammen, wie sie nach Hale 38 in Neuseeland, wo nach Thomson 1, 148 das letzte Beispiel dieser Sitte noch 1843 vorkam, Hervey, Mangareva (Gambier), Paumotu und dem Marquesasarchipel ganz allgemein und ohne Scham betrieben wurde. Auch zu Kriegen wird sie oft Anlass, indem man, um ihn zu fressen, einen oder mehrere Menschen eines fremden Stammes erschlug, welche That natürlich Rache erheischte. Auf Samoa, Tonga, Tahiti und Hawaii kommt der Kannibalismus jetzt nur noch einzeln vor, auf Samoa bei ganz besonders erbittertem Hass (Turner 194), auf Tonga aus Prahlerei und in Nachahmung der Fidschisitten, (Mariner 1, 116-17), so wie bei Hungersnoth, wo man irgend Jemanden, meist einen Verwandten erschlägt und isst (eb. 2, 19; 1, 117); in Tahiti gleichfalls, aus Prahlerei, um sich furchtbar zu machen (Ellis 1, 310). Aber früher war er auf diesen Inseln allgemeine Sitte (Hale 37), wie eine Menge seltsamer und anders ganz unerklärbarer Gebräuche </p> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
gefürchtete Krieger, die unter sich die heftigsten Kriege führen. Die Bewohner von Anaa (Chainisland) verwüsteten alle umliegenden Inseln, hieben die Fruchtbäume nieder und was von den Bewohnern nicht getödtet wurde, ward als Sklave mit fortgeschleppt (Mörenhout 1, 199 vergl. 169). Nicht weniger als 38 Inseln haben sie auf diese Art verödet (Hale 35).
Auch in Mikronesien wurden und werden heftige Kriege geführt, so auf den Palaus (Keate), auf einzelnen Karolinen und zwar auf den hohen Inseln Eap, Truck (Hogoleu), Ponapi, nicht aber auf Kusaie (Ualan Chamisso 135, Kittlitz 1, 356): so und besonders leidenschaftlich auf der Eatakkette (Kotzebue, Chamisso) und auf den Gilbertinseln (Gulick 410). Während man in diesem Gebiet nur an einigen Orten die Bäume schonte (Hale 84) hieb man, sie nach der gemeinsamen Sitte der Ozeanier, auf Ratak und sonst nieder (Kotzebue 287), und man kann sich denken, wie furchtbar solche Barbareien auf den kleinen schon ohnehin nur überaus kärgliche Nahrung bietenden Inseln wirken mussten: viele, die der Krieg verschont hatte, namentlich Weiber und Kinder, erlagen dem Hunger, dem Elend, das ihm folgte. Daher ist die Behauptung, dass die einheimischen Kriege der ozeanischen Bevölkerung ganz unberechenbaren Schaden zugefügt und wesentlich zu ihrer stetigen Verminderung beigetragen haben, nur allzusehr gerechtfertigt.
Die Sitte des Schädelerbeutens, welche wir auf Neuguinea sahen und die das ganze Malaisien beherrscht, finden wir insofern überall in Polynesien, als man gierig die Schädel und in Tahiti auch die Unterkiefer der Feinde erstrebt, um sie als Trophäe aufzuheben (Nukuhiva Melville 2, 129, Tahiti Bougainville 181, Ellis 1, 309, Perl- oder Palliserinseln ebend. 1, 358, Aitutaiki 1, 309, Rarotonga 1, 359, Neuseeland Dieffenbach 2, 134, Samoa Turner 301. 304). Hiermit hängt die weite Verbreitung der Menschenfresserei enge zusammen, wie sie nach Hale 38 in Neuseeland, wo nach Thomson 1, 148 das letzte Beispiel dieser Sitte noch 1843 vorkam, Hervey, Mangareva (Gambier), Paumotu und dem Marquesasarchipel ganz allgemein und ohne Scham betrieben wurde. Auch zu Kriegen wird sie oft Anlass, indem man, um ihn zu fressen, einen oder mehrere Menschen eines fremden Stammes erschlug, welche That natürlich Rache erheischte. Auf Samoa, Tonga, Tahiti und Hawaii kommt der Kannibalismus jetzt nur noch einzeln vor, auf Samoa bei ganz besonders erbittertem Hass (Turner 194), auf Tonga aus Prahlerei und in Nachahmung der Fidschisitten, (Mariner 1, 116-17), so wie bei Hungersnoth, wo man irgend Jemanden, meist einen Verwandten erschlägt und isst (eb. 2, 19; 1, 117); in Tahiti gleichfalls, aus Prahlerei, um sich furchtbar zu machen (Ellis 1, 310). Aber früher war er auf diesen Inseln allgemeine Sitte (Hale 37), wie eine Menge seltsamer und anders ganz unerklärbarer Gebräuche
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