Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.methysticum bereitet wird, ein Mittel gegen sie gefunden zu haben, und es konnte doch nichts Gefährlicheres angewendet werden, als bei dieser Krankheit dieses Mittel, das denn auch nicht verfehlte, die Wirkungen der Seuche erst recht schlimm zu machen (Mörenhout 2, 405). In Amerika wendete man gegen die Blattern vornehmlich Dampfbäder mit unmittelbar folgenden kalten Abwaschungen an und in Neuholland und Polynesien ausserdem noch andere und noch thörichtere Mittel; natürlich wurde schon durch diese Kuren die Krankheit fast immer tödtlich. Dass sich aber diese Völker bei neuen unerhörten Krankheiten nicht zu helfen wussten, wird uns nicht Wunder nehmen, wenn wir sehen, wie sie sich Kranken gegenüber für gewöhnlich zu benehmen pflegen. Die Neuholländer haben für ihre Kranken nur eine Ceremonie der Priester, welche den bösen Geist, der im Kranken sitzt, oder den Zauber, der ihn krank macht, beschwört, indem er unter allerlei Faxen einen Stein, meist ein glänzendes Stück Quarz, aus dem Kranken zieht und damit ihn vom Zauber, der in jenen Stein eingeschlossen ist, befreit (Grey 2, 337). Da nun jede Krankheit auf Bezauberung beruht und zwar häufig auf Entziehung der Seele, welche im Nierenfett ihren Sitz hat (Howitt 189), so wurde in einigen Gegenden der Kranke mit dem Nierenfett dessen, den man für den versteckten Mörder hielt und dem man es oft noch lebend ausschneidet (Angas 1, 123), bestrichen: oder man versucht die Krankheit aus dem betreffenden Glied auszusaugen, durch Aderlass zu entfernen, den bösen Geist, indem man den Kranken knetet, schlägt, tritt und sonst misshandelt, zu verjagen u. dergl. mehr. Geschickter sind die Neuholländer im Behandeln äusserer Verletzungen; auch haben sie manche rationelle Mittel gegen den Biss giftiger Schlangen (Brehm Thierleben 5, 262). So ziemlich dasselbe Bild wird nun von der Heilkunst aller Naturvölker zu entwerfen sein. Auf den Fidschiinseln werden schwer Kranke schon als todt betrachtet, aufgeputzt und ausgestellt (Williams und Calvert 183); Rücksicht nimmt man auf sie durchaus nicht, hat vielmehr, da man sie für böswillig hält und glaubt, dass sie die Gesunden nur absichtlich quälten, nicht das mindeste Mitleid mit ihnen (eb. 188). Ebenso sonst in Melanesien. Sehr gewöhnlich werden Kranke ohne weiteres erschlagen, oder ausgesetzt, z. B. auf der Fichteninsel (Cheyne 88). Auf Vate (neue Hebriden) tödtet man phantasirende Kranke sogleich, damit sie nicht Andere anstecken können (Turner 444); man begräbt sie und andere schwerer Erkrankte lebendig (450). Ebenso machen es die Ajetas der Philippinen, eine Negritobevölkerung der Gebirge Luzons mit Schwerkranken (de la Gironiere Aventures d'un gentilhomme Breton aux eiles Philippines 325). In andern Gegenden Melanesiens (auf den kleinen Inseln bei Neu-Guinea) setzen sich die Kranken methysticum bereitet wird, ein Mittel gegen sie gefunden zu haben, und es konnte doch nichts Gefährlicheres angewendet werden, als bei dieser Krankheit dieses Mittel, das denn auch nicht verfehlte, die Wirkungen der Seuche erst recht schlimm zu machen (Mörenhout 2, 405). In Amerika wendete man gegen die Blattern vornehmlich Dampfbäder mit unmittelbar folgenden kalten Abwaschungen an und in Neuholland und Polynesien ausserdem noch andere und noch thörichtere Mittel; natürlich wurde schon durch diese Kuren die Krankheit fast immer tödtlich. Dass sich aber diese Völker bei neuen unerhörten Krankheiten nicht zu helfen wussten, wird uns nicht Wunder nehmen, wenn wir sehen, wie sie sich Kranken gegenüber für gewöhnlich zu benehmen pflegen. Die Neuholländer haben für ihre Kranken nur eine Ceremonie der Priester, welche den bösen Geist, der im Kranken sitzt, oder den Zauber, der ihn krank macht, beschwört, indem er unter allerlei Faxen einen Stein, meist ein glänzendes Stück Quarz, aus dem Kranken zieht und damit ihn vom Zauber, der in jenen Stein eingeschlossen ist, befreit (Grey 2, 337). Da nun jede Krankheit auf Bezauberung beruht und zwar häufig auf Entziehung der Seele, welche im Nierenfett ihren Sitz hat (Howitt 189), so wurde in einigen Gegenden der Kranke mit dem Nierenfett dessen, den man für den versteckten Mörder hielt und dem man es oft noch lebend ausschneidet (Angas 1, 123), bestrichen: oder man versucht die Krankheit aus dem betreffenden Glied auszusaugen, durch Aderlass zu entfernen, den bösen Geist, indem man den Kranken knetet, schlägt, tritt und sonst misshandelt, zu verjagen u. dergl. mehr. Geschickter sind die Neuholländer im Behandeln äusserer Verletzungen; auch haben sie manche rationelle Mittel gegen den Biss giftiger Schlangen (Brehm Thierleben 5, 262). So ziemlich dasselbe Bild wird nun von der Heilkunst aller Naturvölker zu entwerfen sein. Auf den Fidschiinseln werden schwer Kranke schon als todt betrachtet, aufgeputzt und ausgestellt (Williams und Calvert 183); Rücksicht nimmt man auf sie durchaus nicht, hat vielmehr, da man sie für böswillig hält und glaubt, dass sie die Gesunden nur absichtlich quälten, nicht das mindeste Mitleid mit ihnen (eb. 188). Ebenso sonst in Melanesien. Sehr gewöhnlich werden Kranke ohne weiteres erschlagen, oder ausgesetzt, z. B. auf der Fichteninsel (Cheyne 88). Auf Vate (neue Hebriden) tödtet man phantasirende Kranke sogleich, damit sie nicht Andere anstecken können (Turner 444); man begräbt sie und andere schwerer Erkrankte lebendig (450). Ebenso machen es die Ajetas der Philippinen, eine Negritobevölkerung der Gebirge Luzons mit Schwerkranken (de la Gironière Aventures d'un gentilhomme Breton aux îles Philippines 325). In andern Gegenden Melanesiens (auf den kleinen Inseln bei Neu-Guinea) setzen sich die Kranken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> methysticum bereitet wird, ein Mittel gegen sie gefunden zu haben, und es konnte doch nichts Gefährlicheres angewendet werden, als bei dieser Krankheit dieses Mittel, das denn auch nicht verfehlte, die Wirkungen der Seuche erst recht schlimm zu machen (Mörenhout 2, 405). In Amerika wendete man gegen die Blattern vornehmlich Dampfbäder mit unmittelbar folgenden kalten Abwaschungen an und in Neuholland und Polynesien ausserdem noch andere und noch thörichtere Mittel; natürlich wurde schon durch diese Kuren die Krankheit fast immer tödtlich. Dass sich aber diese Völker bei neuen unerhörten Krankheiten nicht zu helfen wussten, wird uns nicht Wunder nehmen, wenn wir sehen, wie sie sich Kranken gegenüber für gewöhnlich zu benehmen pflegen.</p> <p>Die Neuholländer haben für ihre Kranken nur eine Ceremonie der Priester, welche den bösen Geist, der im Kranken sitzt, oder den Zauber, der ihn krank macht, beschwört, indem er unter allerlei Faxen einen Stein, meist ein glänzendes Stück Quarz, aus dem Kranken zieht und damit ihn vom Zauber, der in jenen Stein eingeschlossen ist, befreit (Grey 2, 337). Da nun jede Krankheit auf Bezauberung beruht und zwar häufig auf Entziehung der Seele, welche im Nierenfett ihren Sitz hat (Howitt 189), so wurde in einigen Gegenden der Kranke mit dem Nierenfett dessen, den man für den versteckten Mörder hielt und dem man es oft noch lebend ausschneidet (Angas 1, 123), bestrichen: oder man versucht die Krankheit aus dem betreffenden Glied auszusaugen, durch Aderlass zu entfernen, den bösen Geist, indem man den Kranken knetet, schlägt, tritt und sonst misshandelt, zu verjagen u. dergl. mehr. Geschickter sind die Neuholländer im Behandeln äusserer Verletzungen; auch haben sie manche rationelle Mittel gegen den Biss giftiger Schlangen (Brehm Thierleben 5, 262).</p> <p>So ziemlich dasselbe Bild wird nun von der Heilkunst aller Naturvölker zu entwerfen sein. Auf den Fidschiinseln werden schwer Kranke schon als todt betrachtet, aufgeputzt und ausgestellt (Williams und Calvert 183); Rücksicht nimmt man auf sie durchaus nicht, hat vielmehr, da man sie für böswillig hält und glaubt, dass sie die Gesunden nur absichtlich quälten, nicht das mindeste Mitleid mit ihnen (eb. 188). Ebenso sonst in Melanesien. Sehr gewöhnlich werden Kranke ohne weiteres erschlagen, oder ausgesetzt, z. B. auf der Fichteninsel (Cheyne 88). Auf Vate (neue Hebriden) tödtet man phantasirende Kranke sogleich, damit sie nicht Andere anstecken können (Turner 444); man begräbt sie und andere schwerer Erkrankte lebendig (450). Ebenso machen es die Ajetas der Philippinen, eine Negritobevölkerung der Gebirge Luzons mit Schwerkranken (de la Gironière Aventures d'un gentilhomme Breton aux îles Philippines 325). In andern Gegenden Melanesiens (auf den kleinen Inseln bei Neu-Guinea) setzen sich die Kranken </p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
methysticum bereitet wird, ein Mittel gegen sie gefunden zu haben, und es konnte doch nichts Gefährlicheres angewendet werden, als bei dieser Krankheit dieses Mittel, das denn auch nicht verfehlte, die Wirkungen der Seuche erst recht schlimm zu machen (Mörenhout 2, 405). In Amerika wendete man gegen die Blattern vornehmlich Dampfbäder mit unmittelbar folgenden kalten Abwaschungen an und in Neuholland und Polynesien ausserdem noch andere und noch thörichtere Mittel; natürlich wurde schon durch diese Kuren die Krankheit fast immer tödtlich. Dass sich aber diese Völker bei neuen unerhörten Krankheiten nicht zu helfen wussten, wird uns nicht Wunder nehmen, wenn wir sehen, wie sie sich Kranken gegenüber für gewöhnlich zu benehmen pflegen.
Die Neuholländer haben für ihre Kranken nur eine Ceremonie der Priester, welche den bösen Geist, der im Kranken sitzt, oder den Zauber, der ihn krank macht, beschwört, indem er unter allerlei Faxen einen Stein, meist ein glänzendes Stück Quarz, aus dem Kranken zieht und damit ihn vom Zauber, der in jenen Stein eingeschlossen ist, befreit (Grey 2, 337). Da nun jede Krankheit auf Bezauberung beruht und zwar häufig auf Entziehung der Seele, welche im Nierenfett ihren Sitz hat (Howitt 189), so wurde in einigen Gegenden der Kranke mit dem Nierenfett dessen, den man für den versteckten Mörder hielt und dem man es oft noch lebend ausschneidet (Angas 1, 123), bestrichen: oder man versucht die Krankheit aus dem betreffenden Glied auszusaugen, durch Aderlass zu entfernen, den bösen Geist, indem man den Kranken knetet, schlägt, tritt und sonst misshandelt, zu verjagen u. dergl. mehr. Geschickter sind die Neuholländer im Behandeln äusserer Verletzungen; auch haben sie manche rationelle Mittel gegen den Biss giftiger Schlangen (Brehm Thierleben 5, 262).
So ziemlich dasselbe Bild wird nun von der Heilkunst aller Naturvölker zu entwerfen sein. Auf den Fidschiinseln werden schwer Kranke schon als todt betrachtet, aufgeputzt und ausgestellt (Williams und Calvert 183); Rücksicht nimmt man auf sie durchaus nicht, hat vielmehr, da man sie für böswillig hält und glaubt, dass sie die Gesunden nur absichtlich quälten, nicht das mindeste Mitleid mit ihnen (eb. 188). Ebenso sonst in Melanesien. Sehr gewöhnlich werden Kranke ohne weiteres erschlagen, oder ausgesetzt, z. B. auf der Fichteninsel (Cheyne 88). Auf Vate (neue Hebriden) tödtet man phantasirende Kranke sogleich, damit sie nicht Andere anstecken können (Turner 444); man begräbt sie und andere schwerer Erkrankte lebendig (450). Ebenso machen es die Ajetas der Philippinen, eine Negritobevölkerung der Gebirge Luzons mit Schwerkranken (de la Gironière Aventures d'un gentilhomme Breton aux îles Philippines 325). In andern Gegenden Melanesiens (auf den kleinen Inseln bei Neu-Guinea) setzen sich die Kranken
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/33 |
Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/33>, abgerufen am 16.02.2025. |