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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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pfänglicher für ein Miasma oder einen Krankheitsstoff ist, je ferner und freier von demselben er früher war. Ist er aber, wie bei der Pockenimpfung geschieht, durch ein Minimum des Giftes affizirt und dadurch anders disponirt worden, so dass er sich nun allmählich an jenen feindlichen Stoff gewöhnt, ihn der eignen Natur und die eigene Natur ihm einigermassen assimilirt hat: so hat er dadurch Fähigkeit zum Widerstand gegen die Krankheit gewonnen, da sie ja nun seiner Natur nicht mehr absolut feindlich ist; daher denn solche Seuchen nach und nach erlöschen, denn die Ueberlebenden werden nach und nach durch das Einathmen der miasmatischen Luft körperlich selbst immer fester. Keineswegs hilft aber eine solche Gewöhnung für alle Zeit, wie ja auch die Pocken nach bestimmten Zeiträumen von neuem eingeimpft werden müssen. Merkwürdig, aber für uns wichtig genug ist, was Humboldt a 1, 92 über diese Krankheit in Mexiko sagt: "die Pocken scheinen ihre Verwüstungen nur alle 17 Jahre anzurichten. In den Aequinoktial-Gegenden" -- ob das aber nicht in allen Gegenden oder wenigstens bei allen menschlichen Individuen auf gleiche Weise gilt? -- "haben sie, wie das schwarze Erbrechen und mehrere andere Krankheiten, ihre festen Perioden, an denen sie sich regelmässig wieder einfinden: und man möchte glauben, dass sich in diesen Ländern die Anlage der Eingeborenen für gewisse Miasmen nur in sehr weit von einander entfernten Perioden erneuert; indem die Pocken, deren Samen sehr oft von europäischen Schiffen gebracht wird, nur in sehr ansehnlichen Zwischenräumen epidemisch, aber auch dem Erwachsenen nur desto gefährlicher werden." Alles dies scheint sehr für unsere obige Annahme zu sprechen. Der Europäer, der Civilisirte kommt nun fortwährend mit unendlich mehr Krankheitsstoffen und Miasmen, in den meisten Fällen ohne es selbst zu merken, in Berührung, als der im Naturzustande und der freien Natur lebende Mensch. Und nicht nur durch eigene Gewöhnung von Kindheit an, sondern auch durch Vererbung der Accommodation von Eltern und Grosseltern her hat er eine viel grössere Widerstandsfähigkeit gegen solche schädliche Einflüsse, als sie jemals früher Isolirte und namentlich, wenn sie vielleicht schon erwachsen zuerst mit diesen Einflüssen in Berührung kommen, sich erwerben können. Hiergegen spricht nicht, wenn einzelne Individuen der Naturvölker gesund etwa in Europa längere Zeit gelebt haben. Denn in den meisten Fällen ist da eine Gewöhnung von Jugend auf eingetreten und jedenfalls sind alle solche Fälle wissenschaftlich nur dann zu verwerthen, wenn man die Geschichte des Besuchers, seine Natur, die Natur seines Volkes u. s. w. bis ins Einzelne verfolgen kann. Uebrigens gibt es auch Beispiele genug, dass solche Besuche unglücklich abliefen: Liholiho, der Sohn Tamehameha I. und seine Gemahlin starben bei ihrem Aufenthalt in England, wo alle Sorgfalt ihnen zu Theil wurde, an den Masern bei raschem Verlauf der Krankheit;

pfänglicher für ein Miasma oder einen Krankheitsstoff ist, je ferner und freier von demselben er früher war. Ist er aber, wie bei der Pockenimpfung geschieht, durch ein Minimum des Giftes affizirt und dadurch anders disponirt worden, so dass er sich nun allmählich an jenen feindlichen Stoff gewöhnt, ihn der eignen Natur und die eigene Natur ihm einigermassen assimilirt hat: so hat er dadurch Fähigkeit zum Widerstand gegen die Krankheit gewonnen, da sie ja nun seiner Natur nicht mehr absolut feindlich ist; daher denn solche Seuchen nach und nach erlöschen, denn die Ueberlebenden werden nach und nach durch das Einathmen der miasmatischen Luft körperlich selbst immer fester. Keineswegs hilft aber eine solche Gewöhnung für alle Zeit, wie ja auch die Pocken nach bestimmten Zeiträumen von neuem eingeimpft werden müssen. Merkwürdig, aber für uns wichtig genug ist, was Humboldt a 1, 92 über diese Krankheit in Mexiko sagt: »die Pocken scheinen ihre Verwüstungen nur alle 17 Jahre anzurichten. In den Aequinoktial-Gegenden« — ob das aber nicht in allen Gegenden oder wenigstens bei allen menschlichen Individuen auf gleiche Weise gilt? — »haben sie, wie das schwarze Erbrechen und mehrere andere Krankheiten, ihre festen Perioden, an denen sie sich regelmässig wieder einfinden: und man möchte glauben, dass sich in diesen Ländern die Anlage der Eingeborenen für gewisse Miasmen nur in sehr weit von einander entfernten Perioden erneuert; indem die Pocken, deren Samen sehr oft von europäischen Schiffen gebracht wird, nur in sehr ansehnlichen Zwischenräumen epidemisch, aber auch dem Erwachsenen nur desto gefährlicher werden.« Alles dies scheint sehr für unsere obige Annahme zu sprechen. Der Europäer, der Civilisirte kommt nun fortwährend mit unendlich mehr Krankheitsstoffen und Miasmen, in den meisten Fällen ohne es selbst zu merken, in Berührung, als der im Naturzustande und der freien Natur lebende Mensch. Und nicht nur durch eigene Gewöhnung von Kindheit an, sondern auch durch Vererbung der Accommodation von Eltern und Grosseltern her hat er eine viel grössere Widerstandsfähigkeit gegen solche schädliche Einflüsse, als sie jemals früher Isolirte und namentlich, wenn sie vielleicht schon erwachsen zuerst mit diesen Einflüssen in Berührung kommen, sich erwerben können. Hiergegen spricht nicht, wenn einzelne Individuen der Naturvölker gesund etwa in Europa längere Zeit gelebt haben. Denn in den meisten Fällen ist da eine Gewöhnung von Jugend auf eingetreten und jedenfalls sind alle solche Fälle wissenschaftlich nur dann zu verwerthen, wenn man die Geschichte des Besuchers, seine Natur, die Natur seines Volkes u. s. w. bis ins Einzelne verfolgen kann. Uebrigens gibt es auch Beispiele genug, dass solche Besuche unglücklich abliefen: Liholiho, der Sohn Tamehameha I. und seine Gemahlin starben bei ihrem Aufenthalt in England, wo alle Sorgfalt ihnen zu Theil wurde, an den Masern bei raschem Verlauf der Krankheit;

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 für ein Miasma oder einen Krankheitsstoff ist, je ferner und
 freier von demselben er früher war. Ist er aber, wie bei der
 Pockenimpfung geschieht, durch ein Minimum des Giftes affizirt und
 dadurch anders disponirt worden, so dass er sich nun
 allmählich an jenen feindlichen Stoff gewöhnt, ihn der
 eignen Natur und die eigene Natur ihm einigermassen assimilirt hat:
 so hat er dadurch Fähigkeit zum Widerstand gegen die Krankheit
 gewonnen, da sie ja nun seiner Natur nicht mehr absolut feindlich
 ist; daher denn solche Seuchen nach und nach erlöschen, denn
 die Ueberlebenden werden nach und nach durch das Einathmen der
 miasmatischen Luft körperlich selbst immer fester. Keineswegs
 hilft aber eine solche Gewöhnung für alle Zeit, wie ja
 auch die Pocken nach bestimmten Zeiträumen von neuem
 eingeimpft werden müssen. Merkwürdig, aber für uns
 wichtig genug ist, was Humboldt a 1, 92 über diese Krankheit
 in Mexiko sagt: »die Pocken scheinen ihre Verwüstungen
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 dass sich in diesen Ländern die Anlage der Eingeborenen
 für gewisse Miasmen nur in sehr weit von einander entfernten
 Perioden erneuert; indem die Pocken, deren Samen sehr oft von
 europäischen Schiffen gebracht wird, nur in sehr ansehnlichen
 Zwischenräumen epidemisch, aber auch dem Erwachsenen nur desto
 gefährlicher werden.« Alles dies scheint sehr für
 unsere obige Annahme zu sprechen. Der Europäer, der
 Civilisirte kommt nun fortwährend mit unendlich mehr
 Krankheitsstoffen und Miasmen, in den meisten Fällen ohne es
 selbst zu merken, in Berührung, als der im Naturzustande und
 der freien Natur lebende Mensch. Und nicht nur durch eigene
 Gewöhnung von Kindheit an, sondern auch durch Vererbung der
 Accommodation von Eltern und Grosseltern her hat er eine viel
 grössere Widerstandsfähigkeit gegen solche
 schädliche Einflüsse, als sie jemals früher Isolirte
 und namentlich, wenn sie vielleicht schon erwachsen zuerst mit
 diesen Einflüssen in Berührung kommen, sich erwerben
 können. Hiergegen spricht nicht, wenn einzelne Individuen der
 Naturvölker gesund etwa in Europa längere Zeit gelebt
 haben. Denn in den meisten Fällen ist da eine Gewöhnung
 von Jugend auf eingetreten und jedenfalls sind alle solche
 Fälle wissenschaftlich nur dann zu verwerthen, wenn man die
 Geschichte des Besuchers, seine Natur, die Natur seines Volkes
 u. s. w. bis ins Einzelne verfolgen kann. Uebrigens gibt es auch
 Beispiele genug, dass solche Besuche unglücklich abliefen:
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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/25>, abgerufen am 24.11.2024.