Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.forschen, so werden wir die Civilisation als solchen bestimmen müssen (Waitz 1, 478 f.). Denn einmal sichert sie erst durch engen Zusammenschluss der Individuen, welche sich im Naturzustande selbstsüchtig, also feindlich gegenüber stehen, die menschliche Gesellschaft dauernd und fest, andererseits bringt sie erst, indem sie auf diese Weise eine Menge überschüssiger Kraft frei macht, die Menschheit zu höherer Entwickelung. Sie allein ist es, welche die wichtigste Seite des menschlichen Lebens, die Thätigkeit des Geistes überhaupt erst ermöglicht. Zu diesem Endzweck menschlicher Entwickelung ist aber jedes Volk berufen und die einzige Aufgabe schon civilisirter Nationen uncivilisirten gegenüber kann nur die sein, die Civilisation auch zu jenen hinzutragen, nicht aber durch die reichlicheren und wirksameren Mittel derselben jene zu vertilgen. Auch darf hierbei nicht übersehen werden, wie nichts der Civilisation selbst gefährlicher ist, als Zurücksinken in Rohheit, weil ein solches mit stets zunehmender Geschwindigkeit, gleichsam nach den Fallgesetzen vor sich geht. Das wüste Verfahren gegen die Naturvölker ist aber ein solches Zurücksinken in Rohheit und wie beim längeren Vernichtungskampf gegen sie jene Rohheit schrecklich wächst, das haben wir schon gesehen. Ganze Stämme civilisirter Nationen sind durch sie, zu der sich dann noch Faulheit und Genusssucht gesellten, in die äusserste Barbarei zurückgesunken oder doch wenigstens merklich in ihrer Entwickelung aufgehalten: so die Holländer am Cap, die Spanier und Portugiesen und zum Theil die Engländer in Amerika. Das ewige Blutvergiessen und Morden musste sie immer gleichgültiger, immer roher machen und dadurch schwanden selbstverständlich gar manche andere Interessen; Faulheit und so manches andere, obwohl gar manche Kolonisten auch davon einen reichlichen Vorrath mitbrachten, war die natürliche Folge der fortgesetzten Grausamkeit. Führt uns dieser letztere Punkt schon aus dem theoretischen und moralischen mehr ins praktische Gebiet, so gibt es auch noch andere praktische Gründe, welche für Schonung und Hebung der Naturvölker, keinen aber, der dagegen spricht. Waitz (1, 484) setzt auseinander, dass bei den grossen Unterschieden in der Naturumgebung der Menschen, bei den mannigfaltigen Fähigkeiten und Eigenschaften, welche die verschiedenen Völker im und durch den Lauf der Zeiten entwickeln, die Civilisation der gesammten Menschheit auch in höchster Vollendung keine ganz gleiche zu sein braucht, ja auch nur sein kann. "Ohne dass ein Volk dem anderen die materielle oder die geistige Arbeit ganz abnehmen könnte, würde sich doch das Verhältniss so gestalten, dass bei einigen die eine, bei anderen die andere Art der Arbeit in ein entschiedenes Uebergewicht träte, dass einige in der einen, andere in der anderen Richtung sich produktiver zeigten und dem entsprechend auf die übrigen wirkten und ihnen mittheilten. Den Tropenländern würde alsdann mehr oder weniger allgemein die forschen, so werden wir die Civilisation als solchen bestimmen müssen (Waitz 1, 478 f.). Denn einmal sichert sie erst durch engen Zusammenschluss der Individuen, welche sich im Naturzustande selbstsüchtig, also feindlich gegenüber stehen, die menschliche Gesellschaft dauernd und fest, andererseits bringt sie erst, indem sie auf diese Weise eine Menge überschüssiger Kraft frei macht, die Menschheit zu höherer Entwickelung. Sie allein ist es, welche die wichtigste Seite des menschlichen Lebens, die Thätigkeit des Geistes überhaupt erst ermöglicht. Zu diesem Endzweck menschlicher Entwickelung ist aber jedes Volk berufen und die einzige Aufgabe schon civilisirter Nationen uncivilisirten gegenüber kann nur die sein, die Civilisation auch zu jenen hinzutragen, nicht aber durch die reichlicheren und wirksameren Mittel derselben jene zu vertilgen. Auch darf hierbei nicht übersehen werden, wie nichts der Civilisation selbst gefährlicher ist, als Zurücksinken in Rohheit, weil ein solches mit stets zunehmender Geschwindigkeit, gleichsam nach den Fallgesetzen vor sich geht. Das wüste Verfahren gegen die Naturvölker ist aber ein solches Zurücksinken in Rohheit und wie beim längeren Vernichtungskampf gegen sie jene Rohheit schrecklich wächst, das haben wir schon gesehen. Ganze Stämme civilisirter Nationen sind durch sie, zu der sich dann noch Faulheit und Genusssucht gesellten, in die äusserste Barbarei zurückgesunken oder doch wenigstens merklich in ihrer Entwickelung aufgehalten: so die Holländer am Cap, die Spanier und Portugiesen und zum Theil die Engländer in Amerika. Das ewige Blutvergiessen und Morden musste sie immer gleichgültiger, immer roher machen und dadurch schwanden selbstverständlich gar manche andere Interessen; Faulheit und so manches andere, obwohl gar manche Kolonisten auch davon einen reichlichen Vorrath mitbrachten, war die natürliche Folge der fortgesetzten Grausamkeit. Führt uns dieser letztere Punkt schon aus dem theoretischen und moralischen mehr ins praktische Gebiet, so gibt es auch noch andere praktische Gründe, welche für Schonung und Hebung der Naturvölker, keinen aber, der dagegen spricht. Waitz (1, 484) setzt auseinander, dass bei den grossen Unterschieden in der Naturumgebung der Menschen, bei den mannigfaltigen Fähigkeiten und Eigenschaften, welche die verschiedenen Völker im und durch den Lauf der Zeiten entwickeln, die Civilisation der gesammten Menschheit auch in höchster Vollendung keine ganz gleiche zu sein braucht, ja auch nur sein kann. »Ohne dass ein Volk dem anderen die materielle oder die geistige Arbeit ganz abnehmen könnte, würde sich doch das Verhältniss so gestalten, dass bei einigen die eine, bei anderen die andere Art der Arbeit in ein entschiedenes Uebergewicht träte, dass einige in der einen, andere in der anderen Richtung sich produktiver zeigten und dem entsprechend auf die übrigen wirkten und ihnen mittheilten. Den Tropenländern würde alsdann mehr oder weniger allgemein die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0155"/> forschen, so werden wir die Civilisation als solchen bestimmen müssen (Waitz 1, 478 f.). Denn einmal sichert sie erst durch engen Zusammenschluss der Individuen, welche sich im Naturzustande selbstsüchtig, also feindlich gegenüber stehen, die menschliche Gesellschaft dauernd und fest, andererseits bringt sie erst, indem sie auf diese Weise eine Menge überschüssiger Kraft frei macht, die Menschheit zu höherer Entwickelung. Sie allein ist es, welche die wichtigste Seite des menschlichen Lebens, die Thätigkeit des Geistes überhaupt erst ermöglicht. Zu diesem Endzweck menschlicher Entwickelung ist aber jedes Volk berufen und die einzige Aufgabe schon civilisirter Nationen uncivilisirten gegenüber kann nur die sein, die Civilisation auch zu jenen hinzutragen, nicht aber durch die reichlicheren und wirksameren Mittel derselben jene zu vertilgen. Auch darf hierbei nicht übersehen werden, wie nichts der Civilisation selbst gefährlicher ist, als Zurücksinken in Rohheit, weil ein solches mit stets zunehmender Geschwindigkeit, gleichsam nach den Fallgesetzen vor sich geht. Das wüste Verfahren gegen die Naturvölker ist aber ein solches Zurücksinken in Rohheit und wie beim längeren Vernichtungskampf gegen sie jene Rohheit schrecklich wächst, das haben wir schon gesehen. Ganze Stämme civilisirter Nationen sind durch sie, zu der sich dann noch Faulheit und Genusssucht gesellten, in die äusserste Barbarei zurückgesunken oder doch wenigstens merklich in ihrer Entwickelung aufgehalten: so die Holländer am Cap, die Spanier und Portugiesen und zum Theil die Engländer in Amerika. Das ewige Blutvergiessen und Morden musste sie immer gleichgültiger, immer roher machen und dadurch schwanden selbstverständlich gar manche andere Interessen; Faulheit und so manches andere, obwohl gar manche Kolonisten auch davon einen reichlichen Vorrath mitbrachten, war die natürliche Folge der fortgesetzten Grausamkeit. Führt uns dieser letztere Punkt schon aus dem theoretischen und moralischen mehr ins praktische Gebiet, so gibt es auch noch andere praktische Gründe, welche für Schonung und Hebung der Naturvölker, keinen aber, der dagegen spricht. Waitz (1, 484) setzt auseinander, dass bei den grossen Unterschieden in der Naturumgebung der Menschen, bei den mannigfaltigen Fähigkeiten und Eigenschaften, welche die verschiedenen Völker im und durch den Lauf der Zeiten entwickeln, die Civilisation der gesammten Menschheit auch in höchster Vollendung keine ganz gleiche zu sein braucht, ja auch nur sein kann. »Ohne dass ein Volk dem anderen die materielle oder die geistige Arbeit ganz abnehmen könnte, würde sich doch das Verhältniss so gestalten, dass bei einigen die eine, bei anderen die andere Art der Arbeit in ein entschiedenes Uebergewicht träte, dass einige in der einen, andere in der anderen Richtung sich produktiver zeigten und dem entsprechend auf die übrigen wirkten und ihnen mittheilten. Den Tropenländern würde alsdann mehr oder weniger allgemein die </p> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
forschen, so werden wir die Civilisation als solchen bestimmen müssen (Waitz 1, 478 f.). Denn einmal sichert sie erst durch engen Zusammenschluss der Individuen, welche sich im Naturzustande selbstsüchtig, also feindlich gegenüber stehen, die menschliche Gesellschaft dauernd und fest, andererseits bringt sie erst, indem sie auf diese Weise eine Menge überschüssiger Kraft frei macht, die Menschheit zu höherer Entwickelung. Sie allein ist es, welche die wichtigste Seite des menschlichen Lebens, die Thätigkeit des Geistes überhaupt erst ermöglicht. Zu diesem Endzweck menschlicher Entwickelung ist aber jedes Volk berufen und die einzige Aufgabe schon civilisirter Nationen uncivilisirten gegenüber kann nur die sein, die Civilisation auch zu jenen hinzutragen, nicht aber durch die reichlicheren und wirksameren Mittel derselben jene zu vertilgen. Auch darf hierbei nicht übersehen werden, wie nichts der Civilisation selbst gefährlicher ist, als Zurücksinken in Rohheit, weil ein solches mit stets zunehmender Geschwindigkeit, gleichsam nach den Fallgesetzen vor sich geht. Das wüste Verfahren gegen die Naturvölker ist aber ein solches Zurücksinken in Rohheit und wie beim längeren Vernichtungskampf gegen sie jene Rohheit schrecklich wächst, das haben wir schon gesehen. Ganze Stämme civilisirter Nationen sind durch sie, zu der sich dann noch Faulheit und Genusssucht gesellten, in die äusserste Barbarei zurückgesunken oder doch wenigstens merklich in ihrer Entwickelung aufgehalten: so die Holländer am Cap, die Spanier und Portugiesen und zum Theil die Engländer in Amerika. Das ewige Blutvergiessen und Morden musste sie immer gleichgültiger, immer roher machen und dadurch schwanden selbstverständlich gar manche andere Interessen; Faulheit und so manches andere, obwohl gar manche Kolonisten auch davon einen reichlichen Vorrath mitbrachten, war die natürliche Folge der fortgesetzten Grausamkeit. Führt uns dieser letztere Punkt schon aus dem theoretischen und moralischen mehr ins praktische Gebiet, so gibt es auch noch andere praktische Gründe, welche für Schonung und Hebung der Naturvölker, keinen aber, der dagegen spricht. Waitz (1, 484) setzt auseinander, dass bei den grossen Unterschieden in der Naturumgebung der Menschen, bei den mannigfaltigen Fähigkeiten und Eigenschaften, welche die verschiedenen Völker im und durch den Lauf der Zeiten entwickeln, die Civilisation der gesammten Menschheit auch in höchster Vollendung keine ganz gleiche zu sein braucht, ja auch nur sein kann. »Ohne dass ein Volk dem anderen die materielle oder die geistige Arbeit ganz abnehmen könnte, würde sich doch das Verhältniss so gestalten, dass bei einigen die eine, bei anderen die andere Art der Arbeit in ein entschiedenes Uebergewicht träte, dass einige in der einen, andere in der anderen Richtung sich produktiver zeigten und dem entsprechend auf die übrigen wirkten und ihnen mittheilten. Den Tropenländern würde alsdann mehr oder weniger allgemein die
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