Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.heit den Naturvölkern gegenüber wie alle ihre Zeitgenossen; allein im Ganzen ist man hier milder aufgetreten als sonst, wozu ausser dem kleineren Terrain wie der geringeren Zahl, in welcher die Europäer demgemäss auftreten, der Hauptgrund das Jahrhundert ist, in welchem man die meisten dieser Inseln entdeckte. War es doch die Zeit des Philanthropismus und glaubte man doch die erträumten Ideale von menschlicher Glückseligkeit, wie z. B. Rousseau sie in Europa entwarf, hier im Leben der Südseeinsulaner verwirklicht zu finden; ein Umstand, der für die Art, wie man den Polynesiern entgegentrat, von grosser Bedeutung war. Und noch, wichtiger war es, dass gleich nach der Entdeckung zu ihnen Missionäre der protestantischen Kirche, denen es nicht auf Ausbreitung des christlichen Namens und der äusseren Gebräuche, sondern da sie selbst im tiefsten Herzen wahre Christen waren, auf die Emporhebung und Förderung der Eingeborenen ankam. So steht der treffliche Wilson, der erste Missionär der Südsee (1795), an der Spitze einer Reihe von Ehrenmännern, die, wenn auch hin und wieder selbst nicht frei von menschlichen Schwächen, auf das Wohlgemeinteste für diese Völker sorgten. Allein weder sie noch der fortgeschrittene Geist der Jahrhunderte konnten auch hier die bösen Wirkungen der Kultur und ihrer Träger abwehren. Eine Reihe einzelner Brutalitäten, deren Helden meist Schiffskapitäne und ihre Matrosen sind, kamen auch hier vor, welche allerdings bei der geringen Anzahl der Einwohner für die einzelnen Inseln gefährlich genug sein konnten und z. B. für Waihu verderblich gewesen sind (Mörenhout 2, 278-79, der Genaueres und die Quellen gibt). Aber auf die Dauer gefährlich wurden die Europäer durch die Verbrecherkolonien, welche sie in der Südsee (Neuholland, Tasmanien und sonst) anlegten. Denn eine Menge der deportirten Verbrecher entwichen und indem sie sich auf verschiedenen Inseln des Ozeans umhertrieben oder auf einzelnen festsetzten, schleppten sie ausser Krankheiten eine Menge Laster ein oder reizten, was oft genug vorgekommen ist, die Eingeborenen zum Krieg gegen die ankommenden Weissen, der meist den Eingeborenen verderblich wurde; oder zum Widerstand gegen die Missionäre, der ihnen nach anderer Seite hin schadete. Ausserdem wird die Südsee durchkreuzt von einer Menge von Walern, welche oft ziemlich lange Rast auf den einzelnen Inseln halten und deren Mannschaft sehr oft aus dem Abschaum aller Völker zusammenfliesst. Auch sie wirkten auf gleiche Weise ausserordentlich unheilvoll. Für Hawaii allein schlägt Virgin (1, 269) die Zahl derselben auf jährlich 15-20,000 an und er erwähnt auch, wie die Syphilis durch sie fortwährend neue Nahrung bekommt. Diesen Walern und ihrem entsittlichenden Einfluss schreibt auch Gulick heit den Naturvölkern gegenüber wie alle ihre Zeitgenossen; allein im Ganzen ist man hier milder aufgetreten als sonst, wozu ausser dem kleineren Terrain wie der geringeren Zahl, in welcher die Europäer demgemäss auftreten, der Hauptgrund das Jahrhundert ist, in welchem man die meisten dieser Inseln entdeckte. War es doch die Zeit des Philanthropismus und glaubte man doch die erträumten Ideale von menschlicher Glückseligkeit, wie z. B. Rousseau sie in Europa entwarf, hier im Leben der Südseeinsulaner verwirklicht zu finden; ein Umstand, der für die Art, wie man den Polynesiern entgegentrat, von grosser Bedeutung war. Und noch, wichtiger war es, dass gleich nach der Entdeckung zu ihnen Missionäre der protestantischen Kirche, denen es nicht auf Ausbreitung des christlichen Namens und der äusseren Gebräuche, sondern da sie selbst im tiefsten Herzen wahre Christen waren, auf die Emporhebung und Förderung der Eingeborenen ankam. So steht der treffliche Wilson, der erste Missionär der Südsee (1795), an der Spitze einer Reihe von Ehrenmännern, die, wenn auch hin und wieder selbst nicht frei von menschlichen Schwächen, auf das Wohlgemeinteste für diese Völker sorgten. Allein weder sie noch der fortgeschrittene Geist der Jahrhunderte konnten auch hier die bösen Wirkungen der Kultur und ihrer Träger abwehren. Eine Reihe einzelner Brutalitäten, deren Helden meist Schiffskapitäne und ihre Matrosen sind, kamen auch hier vor, welche allerdings bei der geringen Anzahl der Einwohner für die einzelnen Inseln gefährlich genug sein konnten und z. B. für Waihu verderblich gewesen sind (Mörenhout 2, 278-79, der Genaueres und die Quellen gibt). Aber auf die Dauer gefährlich wurden die Europäer durch die Verbrecherkolonien, welche sie in der Südsee (Neuholland, Tasmanien und sonst) anlegten. Denn eine Menge der deportirten Verbrecher entwichen und indem sie sich auf verschiedenen Inseln des Ozeans umhertrieben oder auf einzelnen festsetzten, schleppten sie ausser Krankheiten eine Menge Laster ein oder reizten, was oft genug vorgekommen ist, die Eingeborenen zum Krieg gegen die ankommenden Weissen, der meist den Eingeborenen verderblich wurde; oder zum Widerstand gegen die Missionäre, der ihnen nach anderer Seite hin schadete. Ausserdem wird die Südsee durchkreuzt von einer Menge von Walern, welche oft ziemlich lange Rast auf den einzelnen Inseln halten und deren Mannschaft sehr oft aus dem Abschaum aller Völker zusammenfliesst. Auch sie wirkten auf gleiche Weise ausserordentlich unheilvoll. Für Hawaii allein schlägt Virgin (1, 269) die Zahl derselben auf jährlich 15-20,000 an und er erwähnt auch, wie die Syphilis durch sie fortwährend neue Nahrung bekommt. Diesen Walern und ihrem entsittlichenden Einfluss schreibt auch Gulick <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123"/> heit den Naturvölkern gegenüber wie alle ihre Zeitgenossen; allein im Ganzen ist man hier milder aufgetreten als sonst, wozu ausser dem kleineren Terrain wie der geringeren Zahl, in welcher die Europäer demgemäss auftreten, der Hauptgrund das Jahrhundert ist, in welchem man die meisten dieser Inseln entdeckte. War es doch die Zeit des Philanthropismus und glaubte man doch die erträumten Ideale von menschlicher Glückseligkeit, wie z. B. Rousseau sie in Europa entwarf, hier im Leben der Südseeinsulaner verwirklicht zu finden; ein Umstand, der für die Art, wie man den Polynesiern entgegentrat, von grosser Bedeutung war. Und noch, wichtiger war es, dass gleich nach der Entdeckung zu ihnen Missionäre der protestantischen Kirche, denen es nicht auf Ausbreitung des christlichen Namens und der äusseren Gebräuche, sondern da sie selbst im tiefsten Herzen wahre Christen waren, auf die Emporhebung und Förderung der Eingeborenen ankam. So steht der treffliche Wilson, der erste Missionär der Südsee (1795), an der Spitze einer Reihe von Ehrenmännern, die, wenn auch hin und wieder selbst nicht frei von menschlichen Schwächen, auf das Wohlgemeinteste für diese Völker sorgten.</p> <p>Allein weder sie noch der fortgeschrittene Geist der Jahrhunderte konnten auch hier die bösen Wirkungen der Kultur und ihrer Träger abwehren. Eine Reihe einzelner Brutalitäten, deren Helden meist Schiffskapitäne und ihre Matrosen sind, kamen auch hier vor, welche allerdings bei der geringen Anzahl der Einwohner für die einzelnen Inseln gefährlich genug sein konnten und z. B. für Waihu verderblich gewesen sind (Mörenhout 2, 278-79, der Genaueres und die Quellen gibt).</p> <p>Aber auf die Dauer gefährlich wurden die Europäer durch die Verbrecherkolonien, welche sie in der Südsee (Neuholland, Tasmanien und sonst) anlegten. Denn eine Menge der deportirten Verbrecher entwichen und indem sie sich auf verschiedenen Inseln des Ozeans umhertrieben oder auf einzelnen festsetzten, schleppten sie ausser Krankheiten eine Menge Laster ein oder reizten, was oft genug vorgekommen ist, die Eingeborenen zum Krieg gegen die ankommenden Weissen, der meist den Eingeborenen verderblich wurde; oder zum Widerstand gegen die Missionäre, der ihnen nach anderer Seite hin schadete.</p> <p>Ausserdem wird die Südsee durchkreuzt von einer Menge von Walern, welche oft ziemlich lange Rast auf den einzelnen Inseln halten und deren Mannschaft sehr oft aus dem Abschaum aller Völker zusammenfliesst. Auch sie wirkten auf gleiche Weise ausserordentlich unheilvoll. Für Hawaii allein schlägt Virgin (1, 269) die Zahl derselben auf jährlich 15-20,000 an und er erwähnt auch, wie die Syphilis durch sie fortwährend neue Nahrung bekommt. Diesen Walern und ihrem entsittlichenden Einfluss schreibt auch Gulick </p> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
heit den Naturvölkern gegenüber wie alle ihre Zeitgenossen; allein im Ganzen ist man hier milder aufgetreten als sonst, wozu ausser dem kleineren Terrain wie der geringeren Zahl, in welcher die Europäer demgemäss auftreten, der Hauptgrund das Jahrhundert ist, in welchem man die meisten dieser Inseln entdeckte. War es doch die Zeit des Philanthropismus und glaubte man doch die erträumten Ideale von menschlicher Glückseligkeit, wie z. B. Rousseau sie in Europa entwarf, hier im Leben der Südseeinsulaner verwirklicht zu finden; ein Umstand, der für die Art, wie man den Polynesiern entgegentrat, von grosser Bedeutung war. Und noch, wichtiger war es, dass gleich nach der Entdeckung zu ihnen Missionäre der protestantischen Kirche, denen es nicht auf Ausbreitung des christlichen Namens und der äusseren Gebräuche, sondern da sie selbst im tiefsten Herzen wahre Christen waren, auf die Emporhebung und Förderung der Eingeborenen ankam. So steht der treffliche Wilson, der erste Missionär der Südsee (1795), an der Spitze einer Reihe von Ehrenmännern, die, wenn auch hin und wieder selbst nicht frei von menschlichen Schwächen, auf das Wohlgemeinteste für diese Völker sorgten.
Allein weder sie noch der fortgeschrittene Geist der Jahrhunderte konnten auch hier die bösen Wirkungen der Kultur und ihrer Träger abwehren. Eine Reihe einzelner Brutalitäten, deren Helden meist Schiffskapitäne und ihre Matrosen sind, kamen auch hier vor, welche allerdings bei der geringen Anzahl der Einwohner für die einzelnen Inseln gefährlich genug sein konnten und z. B. für Waihu verderblich gewesen sind (Mörenhout 2, 278-79, der Genaueres und die Quellen gibt).
Aber auf die Dauer gefährlich wurden die Europäer durch die Verbrecherkolonien, welche sie in der Südsee (Neuholland, Tasmanien und sonst) anlegten. Denn eine Menge der deportirten Verbrecher entwichen und indem sie sich auf verschiedenen Inseln des Ozeans umhertrieben oder auf einzelnen festsetzten, schleppten sie ausser Krankheiten eine Menge Laster ein oder reizten, was oft genug vorgekommen ist, die Eingeborenen zum Krieg gegen die ankommenden Weissen, der meist den Eingeborenen verderblich wurde; oder zum Widerstand gegen die Missionäre, der ihnen nach anderer Seite hin schadete.
Ausserdem wird die Südsee durchkreuzt von einer Menge von Walern, welche oft ziemlich lange Rast auf den einzelnen Inseln halten und deren Mannschaft sehr oft aus dem Abschaum aller Völker zusammenfliesst. Auch sie wirkten auf gleiche Weise ausserordentlich unheilvoll. Für Hawaii allein schlägt Virgin (1, 269) die Zahl derselben auf jährlich 15-20,000 an und er erwähnt auch, wie die Syphilis durch sie fortwährend neue Nahrung bekommt. Diesen Walern und ihrem entsittlichenden Einfluss schreibt auch Gulick
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Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/123>, abgerufen am 16.02.2025. |