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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Zweiter Abschnitt.
Krankheit oder Abwesenheit mag die Einsetzung einer
Regentschaft auch durch seine eigene Erklärung bewirkt
werden. 6 Durch blosse Willkühr des Monarchen, also
abgesehen von einem verfassungsmässigen Grunde,
kann die Bestellung einer Regentschaft nicht herbei-
geführt werden. 7

Aus dem Begriffe der Regentschaft als einer un-
vollkommenen Art der Thronfolge ergiebt sich, dass
das Recht, als Regent berufen zu werden, denselben
Personen zustehen muss, welchen die Thronfolge über-
haupt gebührt, und zwar auch nach Massgabe der
bestehenden Thronfolgeordnung; 8 eine besondere Be-

Initiative übernehmen. Nach Preussischem Rechte (Verf. 56.) hat
der zur Regentschaft berufene Agnat nicht erst das Gesetz abzu-
warten, sondern übernimmt sofort die Regierung und erwirkt nach-
träglich den Beschluss der Stände. Uebrigens ist das Verfahren
in dieser Angelegenheit particularrechtlich verschieden. Immer
aber wird dabei anderen Personen als dem Monarchen (dem
nächsten Agnaten oder dem Staatsministerium) eine ausserordent-
liche Ermächtigung zur Berufung der Stände durch das Gesetz
beigelegt.
6 In diesem Falle würde es nach allgemeiner juristischer
Betrachtung eines Gesetzes nicht bedürfen, sondern nur der Mit-
theilung
des Monarchen an die Stände.
7 Der Monarch hat das Recht und die Pflicht, zu regieren.
Will er diess nicht, so kann er dem Throne entsagen. Kann er
diess nicht, so tritt eine Regentschaft ein. Diess sind die gege-
benen Möglichkeiten. Daher kann auch nach den neueren Ver-
fassungen die Annahme eines Mitregenten, wenn darunter nur eine
willkührlich herbei geführte Regentschaft verstanden sein sollte,
nicht mehr als zulässig betrachtet werden. Jede Regentschaft
muss als etwas Ausserordentliches, als ein Nothbehelf angesehen
werden, der nur ertragen zu werden braucht, wenn eine gegrün-
dete Veranlassung dazu vorliegt.
8 In dem Verzichte eines Agnaten auf die Führung der Regent-
schaft würde noch nicht ein Verzicht auf die Thronfolge liegen.

Zweiter Abschnitt.
Krankheit oder Abwesenheit mag die Einsetzung einer
Regentschaft auch durch seine eigene Erklärung bewirkt
werden. 6 Durch blosse Willkühr des Monarchen, also
abgesehen von einem verfassungsmässigen Grunde,
kann die Bestellung einer Regentschaft nicht herbei-
geführt werden. 7

Aus dem Begriffe der Regentschaft als einer un-
vollkommenen Art der Thronfolge ergiebt sich, dass
das Recht, als Regent berufen zu werden, denselben
Personen zustehen muss, welchen die Thronfolge über-
haupt gebührt, und zwar auch nach Massgabe der
bestehenden Thronfolgeordnung; 8 eine besondere Be-

Initiative übernehmen. Nach Preussischem Rechte (Verf. 56.) hat
der zur Regentschaft berufene Agnat nicht erst das Gesetz abzu-
warten, sondern übernimmt sofort die Regierung und erwirkt nach-
träglich den Beschluss der Stände. Uebrigens ist das Verfahren
in dieser Angelegenheit particularrechtlich verschieden. Immer
aber wird dabei anderen Personen als dem Monarchen (dem
nächsten Agnaten oder dem Staatsministerium) eine ausserordent-
liche Ermächtigung zur Berufung der Stände durch das Gesetz
beigelegt.
6 In diesem Falle würde es nach allgemeiner juristischer
Betrachtung eines Gesetzes nicht bedürfen, sondern nur der Mit-
theilung
des Monarchen an die Stände.
7 Der Monarch hat das Recht und die Pflicht, zu regieren.
Will er diess nicht, so kann er dem Throne entsagen. Kann er
diess nicht, so tritt eine Regentschaft ein. Diess sind die gege-
benen Möglichkeiten. Daher kann auch nach den neueren Ver-
fassungen die Annahme eines Mitregenten, wenn darunter nur eine
willkührlich herbei geführte Regentschaft verstanden sein sollte,
nicht mehr als zulässig betrachtet werden. Jede Regentschaft
muss als etwas Ausserordentliches, als ein Nothbehelf angesehen
werden, der nur ertragen zu werden braucht, wenn eine gegrün-
dete Veranlassung dazu vorliegt.
8 In dem Verzichte eines Agnaten auf die Führung der Regent-
schaft würde noch nicht ein Verzicht auf die Thronfolge liegen.
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[100/0118] Zweiter Abschnitt. Krankheit oder Abwesenheit mag die Einsetzung einer Regentschaft auch durch seine eigene Erklärung bewirkt werden. 6 Durch blosse Willkühr des Monarchen, also abgesehen von einem verfassungsmässigen Grunde, kann die Bestellung einer Regentschaft nicht herbei- geführt werden. 7 Aus dem Begriffe der Regentschaft als einer un- vollkommenen Art der Thronfolge ergiebt sich, dass das Recht, als Regent berufen zu werden, denselben Personen zustehen muss, welchen die Thronfolge über- haupt gebührt, und zwar auch nach Massgabe der bestehenden Thronfolgeordnung; 8 eine besondere Be- 5 6 In diesem Falle würde es nach allgemeiner juristischer Betrachtung eines Gesetzes nicht bedürfen, sondern nur der Mit- theilung des Monarchen an die Stände. 7 Der Monarch hat das Recht und die Pflicht, zu regieren. Will er diess nicht, so kann er dem Throne entsagen. Kann er diess nicht, so tritt eine Regentschaft ein. Diess sind die gege- benen Möglichkeiten. Daher kann auch nach den neueren Ver- fassungen die Annahme eines Mitregenten, wenn darunter nur eine willkührlich herbei geführte Regentschaft verstanden sein sollte, nicht mehr als zulässig betrachtet werden. Jede Regentschaft muss als etwas Ausserordentliches, als ein Nothbehelf angesehen werden, der nur ertragen zu werden braucht, wenn eine gegrün- dete Veranlassung dazu vorliegt. 8 In dem Verzichte eines Agnaten auf die Führung der Regent- schaft würde noch nicht ein Verzicht auf die Thronfolge liegen. 5 Initiative übernehmen. Nach Preussischem Rechte (Verf. 56.) hat der zur Regentschaft berufene Agnat nicht erst das Gesetz abzu- warten, sondern übernimmt sofort die Regierung und erwirkt nach- träglich den Beschluss der Stände. Uebrigens ist das Verfahren in dieser Angelegenheit particularrechtlich verschieden. Immer aber wird dabei anderen Personen als dem Monarchen (dem nächsten Agnaten oder dem Staatsministerium) eine ausserordent- liche Ermächtigung zur Berufung der Stände durch das Gesetz beigelegt.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/118>, abgerufen am 09.11.2024.