Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 34. Der Monarch. üben, als das Bedürfniss der Regentschaft dauert. 4 DieNothwendigkeit einer Regentschaft ergiebt sich im Falle der Minderjährigkeit des Monarchen von selbst; im Falle der Regierungsunfähigkeit aber setzt sie ein be- sonderes Gesetz voraus, welches entweder vorsorglich durch den Monarchen, der damit bezüglich des schon jetzt als unfähig erkannten zukünftigen Thronfolgers sorgen will, oder, wenn die Unfähigkeit des Monarchen während seiner Regierung eintritt, durch einen unter Mitwirkung der höchsten Staatsstellen gefassten Be- schluss der volljährigen Agnaten veranlasst wird;5 im Falle der Verhinderung des Monarchen durch längere 4 Der Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art der Thronfolge sei, scheint mir für die ganze juristische Behandlung des Instituts entscheidend zu sein. Der Fall des Eintritts der Regentschaft ist ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es ist zwar ein Monarch vorhanden, aber ein solcher, der das Monarchenrecht nicht ausüben kann; insoweit ist der Thron leer. -- Auch das Recht, in dieser beschränkteren Weise Inhaber des Monarchenrechts zu sein, ist in dem Thronfolgerechte enthalten. 5 Die Nothwendigkeit eines Gesetzes, oder doch die Zustim- mung der Stände zur Constatirung dieses ausserordentlichen Falles der Regentschaft ergiebt sich aus der Erwägung, dass kein Einzelner, auch keine Behörde die Verantwortlichkeit einer solchen Bestimmung zu tragen und in einer so schwierigen Situa- tion eine Entscheidung zu geben vermöchte, welche auf allge- meine Anerkennung rechnen könnte. Daher wird sie auch über- all in den Verfassungen vorgeschrieben; siehe z. B. Preussische Art. 56., Bayerische II., 11., Sächsische §. 11., Hannoverische §. 20., Württembergische §. 13. Die Mitwirkung der Agnaten (wobei häufig der zur Regentschaft zunächst Berufene ausgeschlossen wird) rechtfertigt sich bei dieser Angelegenheit nicht bloss aus uraltem Herkommen, sondern durch die Natur der Sache; sie sind es, welche am besten über die geistige und körperliche Beschaffen- heit des Monarchen zu urtheilen vermögen und von ihnen darf vorzugsweise erwartet werden, dass sie die Verantwortung einer 7 *
§. 34. Der Monarch. üben, als das Bedürfniss der Regentschaft dauert. 4 DieNothwendigkeit einer Regentschaft ergiebt sich im Falle der Minderjährigkeit des Monarchen von selbst; im Falle der Regierungsunfähigkeit aber setzt sie ein be- sonderes Gesetz voraus, welches entweder vorsorglich durch den Monarchen, der damit bezüglich des schon jetzt als unfähig erkannten zukünftigen Thronfolgers sorgen will, oder, wenn die Unfähigkeit des Monarchen während seiner Regierung eintritt, durch einen unter Mitwirkung der höchsten Staatsstellen gefassten Be- schluss der volljährigen Agnaten veranlasst wird;5 im Falle der Verhinderung des Monarchen durch längere 4 Der Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art der Thronfolge sei, scheint mir für die ganze juristische Behandlung des Instituts entscheidend zu sein. Der Fall des Eintritts der Regentschaft ist ein unvollkommener Fall der Thronerledigung. Es ist zwar ein Monarch vorhanden, aber ein solcher, der das Monarchenrecht nicht ausüben kann; insoweit ist der Thron leer. — Auch das Recht, in dieser beschränkteren Weise Inhaber des Monarchenrechts zu sein, ist in dem Thronfolgerechte enthalten. 5 Die Nothwendigkeit eines Gesetzes, oder doch die Zustim- mung der Stände zur Constatirung dieses ausserordentlichen Falles der Regentschaft ergiebt sich aus der Erwägung, dass kein Einzelner, auch keine Behörde die Verantwortlichkeit einer solchen Bestimmung zu tragen und in einer so schwierigen Situa- tion eine Entscheidung zu geben vermöchte, welche auf allge- meine Anerkennung rechnen könnte. Daher wird sie auch über- all in den Verfassungen vorgeschrieben; siehe z. B. Preussische Art. 56., Bayerische II., 11., Sächsische §. 11., Hannoverische §. 20., Württembergische §. 13. Die Mitwirkung der Agnaten (wobei häufig der zur Regentschaft zunächst Berufene ausgeschlossen wird) rechtfertigt sich bei dieser Angelegenheit nicht bloss aus uraltem Herkommen, sondern durch die Natur der Sache; sie sind es, welche am besten über die geistige und körperliche Beschaffen- heit des Monarchen zu urtheilen vermögen und von ihnen darf vorzugsweise erwartet werden, dass sie die Verantwortung einer 7 *
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§. 34. Der Monarch.
üben, als das Bedürfniss der Regentschaft dauert. 4 Die
Nothwendigkeit einer Regentschaft ergiebt sich im Falle
der Minderjährigkeit des Monarchen von selbst; im
Falle der Regierungsunfähigkeit aber setzt sie ein be-
sonderes Gesetz voraus, welches entweder vorsorglich
durch den Monarchen, der damit bezüglich des schon
jetzt als unfähig erkannten zukünftigen Thronfolgers
sorgen will, oder, wenn die Unfähigkeit des Monarchen
während seiner Regierung eintritt, durch einen unter
Mitwirkung der höchsten Staatsstellen gefassten Be-
schluss der volljährigen Agnaten veranlasst wird; 5 im
Falle der Verhinderung des Monarchen durch längere
4 Der Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art der
Thronfolge sei, scheint mir für die ganze juristische Behandlung
des Instituts entscheidend zu sein. Der Fall des Eintritts der
Regentschaft ist ein unvollkommener Fall der Thronerledigung.
Es ist zwar ein Monarch vorhanden, aber ein solcher, der das
Monarchenrecht nicht ausüben kann; insoweit ist der Thron leer.
— Auch das Recht, in dieser beschränkteren Weise Inhaber des
Monarchenrechts zu sein, ist in dem Thronfolgerechte enthalten.
5 Die Nothwendigkeit eines Gesetzes, oder doch die Zustim-
mung der Stände zur Constatirung dieses ausserordentlichen
Falles der Regentschaft ergiebt sich aus der Erwägung, dass kein
Einzelner, auch keine Behörde die Verantwortlichkeit einer
solchen Bestimmung zu tragen und in einer so schwierigen Situa-
tion eine Entscheidung zu geben vermöchte, welche auf allge-
meine Anerkennung rechnen könnte. Daher wird sie auch über-
all in den Verfassungen vorgeschrieben; siehe z. B. Preussische
Art. 56., Bayerische II., 11., Sächsische §. 11., Hannoverische §. 20.,
Württembergische §. 13. Die Mitwirkung der Agnaten (wobei
häufig der zur Regentschaft zunächst Berufene ausgeschlossen
wird) rechtfertigt sich bei dieser Angelegenheit nicht bloss aus
uraltem Herkommen, sondern durch die Natur der Sache; sie sind
es, welche am besten über die geistige und körperliche Beschaffen-
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