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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 29. Der Monarch.
Erbverbrüderung, oder lehnsherrliches Heimfallsrecht,
oder kaiserliche Eventualbelehnung, oder Belehnung zu
gesammter Hand den Rechtstitel der Thronfolge bilden,
so werden häufig die constituirenden Acte selbst für die
Frage der Ordnung des Anfalls von Bedeutung sein.

Welches aber auch der Grund eines aus der Ab-
stammung vom erwerbenden Ahnherrn abgeleiteten An-
rechts auf die Thronfolge sei, immer ist es in der Person
des Berechtigten ein ursprünglich eigenes, und jeder
willkührlichen Verfügung7 des Monarchen wie der Staats-

entwickeln, da sie hier nur als abgeleitete angezogen werden. Es
genügt daher, auf die Schriften über deutsches Erbrecht und
Lehnrecht zu verweisen. Ueberdiess aber wird eine Darstellung
dieser Sätze an diesem Orte niemals der Aufgabe einer vollstän-
digen Entwickelung des älteren fürstlichen Successionsrechts ent-
sprechen können, da jeder Fall unter dem Einflusse besonderer
und ganz eigenthümlicher Thatsachen steht. Als die zur nächsten
Orientirung wichtigste Schrift muss noch immer Moser's Fami-
lienstaatsrecht der deutschen Reichsstände, 2 Bände 1775, gelten.
7 Das ältere deutsche Fürstenrecht leitete diesen Satz aus
dem Principe der successio ex pacto et providentia majorum ab,
wie denn in der That das Anwartschaftsrecht auf den Thron in
dem eventuellen Lehnsfolgerechte der Agnaten seine juristische
Analogie hat. Im heutigen Verfassungsrechte gilt aber jener
Satz, weil es eine der ersten Forderungen des modernen Staats ist,
dass die Ordnung der Thronfolge jeder Willkühr entrückt sei; auf
diesen letzteren Grund ist jetzt in den neuen Verfassungsstaaten
der aus dem älteren Fürstenrechte äusserlich entlehnte und nun
verfassungsrechtlich gewordene Satz zurückzuführen. Von der
Möglichkeit einer Disposition des Monarchen über die Thronfolge
durch Testament, Vertrag u. s. w. zum Nachtheile eines durch die
Successionsordnung Berufenen kann daher nicht die Rede sein. --
Für den Fall, dass der ganze Kreis der zur Succession Berechtig-
ten erschöpft wäre, müsste der neue Monarch durch ein Verfas-
sungsgesetz bestimmt werden, welches die bisherige Verfassung
in dieser Richtung ergänzte. Auch eine neue Erbverbrüderung
könnte jetzt nur als Verfassungsgesetz zu Stande kommen.

§. 29. Der Monarch.
Erbverbrüderung, oder lehnsherrliches Heimfallsrecht,
oder kaiserliche Eventualbelehnung, oder Belehnung zu
gesammter Hand den Rechtstitel der Thronfolge bilden,
so werden häufig die constituirenden Acte selbst für die
Frage der Ordnung des Anfalls von Bedeutung sein.

Welches aber auch der Grund eines aus der Ab-
stammung vom erwerbenden Ahnherrn abgeleiteten An-
rechts auf die Thronfolge sei, immer ist es in der Person
des Berechtigten ein ursprünglich eigenes, und jeder
willkührlichen Verfügung7 des Monarchen wie der Staats-

entwickeln, da sie hier nur als abgeleitete angezogen werden. Es
genügt daher, auf die Schriften über deutsches Erbrecht und
Lehnrecht zu verweisen. Ueberdiess aber wird eine Darstellung
dieser Sätze an diesem Orte niemals der Aufgabe einer vollstän-
digen Entwickelung des älteren fürstlichen Successionsrechts ent-
sprechen können, da jeder Fall unter dem Einflusse besonderer
und ganz eigenthümlicher Thatsachen steht. Als die zur nächsten
Orientirung wichtigste Schrift muss noch immer Moser’s Fami-
lienstaatsrecht der deutschen Reichsstände, 2 Bände 1775, gelten.
7 Das ältere deutsche Fürstenrecht leitete diesen Satz aus
dem Principe der successio ex pacto et providentia majorum ab,
wie denn in der That das Anwartschaftsrecht auf den Thron in
dem eventuellen Lehnsfolgerechte der Agnaten seine juristische
Analogie hat. Im heutigen Verfassungsrechte gilt aber jener
Satz, weil es eine der ersten Forderungen des modernen Staats ist,
dass die Ordnung der Thronfolge jeder Willkühr entrückt sei; auf
diesen letzteren Grund ist jetzt in den neuen Verfassungsstaaten
der aus dem älteren Fürstenrechte äusserlich entlehnte und nun
verfassungsrechtlich gewordene Satz zurückzuführen. Von der
Möglichkeit einer Disposition des Monarchen über die Thronfolge
durch Testament, Vertrag u. s. w. zum Nachtheile eines durch die
Successionsordnung Berufenen kann daher nicht die Rede sein. —
Für den Fall, dass der ganze Kreis der zur Succession Berechtig-
ten erschöpft wäre, müsste der neue Monarch durch ein Verfas-
sungsgesetz bestimmt werden, welches die bisherige Verfassung
in dieser Richtung ergänzte. Auch eine neue Erbverbrüderung
könnte jetzt nur als Verfassungsgesetz zu Stande kommen.
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[85/0103] §. 29. Der Monarch. Erbverbrüderung, oder lehnsherrliches Heimfallsrecht, oder kaiserliche Eventualbelehnung, oder Belehnung zu gesammter Hand den Rechtstitel der Thronfolge bilden, so werden häufig die constituirenden Acte selbst für die Frage der Ordnung des Anfalls von Bedeutung sein. Welches aber auch der Grund eines aus der Ab- stammung vom erwerbenden Ahnherrn abgeleiteten An- rechts auf die Thronfolge sei, immer ist es in der Person des Berechtigten ein ursprünglich eigenes, und jeder willkührlichen Verfügung 7 des Monarchen wie der Staats- 6 7 Das ältere deutsche Fürstenrecht leitete diesen Satz aus dem Principe der successio ex pacto et providentia majorum ab, wie denn in der That das Anwartschaftsrecht auf den Thron in dem eventuellen Lehnsfolgerechte der Agnaten seine juristische Analogie hat. Im heutigen Verfassungsrechte gilt aber jener Satz, weil es eine der ersten Forderungen des modernen Staats ist, dass die Ordnung der Thronfolge jeder Willkühr entrückt sei; auf diesen letzteren Grund ist jetzt in den neuen Verfassungsstaaten der aus dem älteren Fürstenrechte äusserlich entlehnte und nun verfassungsrechtlich gewordene Satz zurückzuführen. Von der Möglichkeit einer Disposition des Monarchen über die Thronfolge durch Testament, Vertrag u. s. w. zum Nachtheile eines durch die Successionsordnung Berufenen kann daher nicht die Rede sein. — Für den Fall, dass der ganze Kreis der zur Succession Berechtig- ten erschöpft wäre, müsste der neue Monarch durch ein Verfas- sungsgesetz bestimmt werden, welches die bisherige Verfassung in dieser Richtung ergänzte. Auch eine neue Erbverbrüderung könnte jetzt nur als Verfassungsgesetz zu Stande kommen. 6 entwickeln, da sie hier nur als abgeleitete angezogen werden. Es genügt daher, auf die Schriften über deutsches Erbrecht und Lehnrecht zu verweisen. Ueberdiess aber wird eine Darstellung dieser Sätze an diesem Orte niemals der Aufgabe einer vollstän- digen Entwickelung des älteren fürstlichen Successionsrechts ent- sprechen können, da jeder Fall unter dem Einflusse besonderer und ganz eigenthümlicher Thatsachen steht. Als die zur nächsten Orientirung wichtigste Schrift muss noch immer Moser’s Fami- lienstaatsrecht der deutschen Reichsstände, 2 Bände 1775, gelten.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/103>, abgerufen am 21.11.2024.