Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Zweiter Abschnitt. Agnaten des fürstlichen Hauses oder sonstige Berech-tigte kommt, deren Recht vor der Einführung der Erst- geburtsordnung begründet war und auch bei deren spä- terer Einführung ausserhalb des Kreises ihrer Herrschaft geblieben ist. Auch hier äussert nun zwar das Ver- fassungsrecht den Einfluss, dass nur Einer und dieser wieder mit sofortiger Unterwerfung unter das Primo- geniturrecht eintreten kann; auf die Entscheidung der Frage aber, wer dieser Eine sei, will die Erstgeburts- ordnung nicht rückwirkend einwirken, vielmehr kann diese nur nach Massgabe des zur Zeit der Entstehung des Anspruchs herrschenden Rechts oder des Haus- rechts überhaupt beantwortet werden.4 Darüber lässt sich freilich etwas Allgemeines nicht aufstellen.5 Geben die Dispositionen des Hauses (fürstliche Testamente, Theilungsverträge, Vergleiche, Verzichte, sonstige Ord- nungen), oder seine Observanz, oder die ältere Landes- verfassung keine Entscheidung, so kann von Bedeutung werden die Lehnsfolgeordnung des gemeinen und be- sonders des Reichsrechts, der Einfluss der gesammten Hand, unter Umständen auch die Erbfolgeordnung bei allodialen Stammgütern, -- alles diess beurtheilt nach Massgabe des älteren deutschen Fürstenrechts.6 Wenn 4 Siehe meine angeführte Abhandlung S. 19 flg. 5 Die vollständigste neuere Darstellung des fürstlichen Suc- cessionsrechts und seiner Ordnung hat Pfeiffer (über die Ord- nung der Regierungsnachfolge in den monarchischen Staaten des deutschen Bundes 1826, 2 Bände) geliefert. Indessen bin ich namentlich mit der Ansicht nicht einverstanden, welche darin über den Geltungsumfang des Primogeniturrechts vorgetragen wird. 6 Es ist hier nicht der Ort, die Grundsätze über diese Succes-
sionsordnungen des deutschen Landrechts und des Lehnrechts zu Zweiter Abschnitt. Agnaten des fürstlichen Hauses oder sonstige Berech-tigte kommt, deren Recht vor der Einführung der Erst- geburtsordnung begründet war und auch bei deren spä- terer Einführung ausserhalb des Kreises ihrer Herrschaft geblieben ist. Auch hier äussert nun zwar das Ver- fassungsrecht den Einfluss, dass nur Einer und dieser wieder mit sofortiger Unterwerfung unter das Primo- geniturrecht eintreten kann; auf die Entscheidung der Frage aber, wer dieser Eine sei, will die Erstgeburts- ordnung nicht rückwirkend einwirken, vielmehr kann diese nur nach Massgabe des zur Zeit der Entstehung des Anspruchs herrschenden Rechts oder des Haus- rechts überhaupt beantwortet werden.4 Darüber lässt sich freilich etwas Allgemeines nicht aufstellen.5 Geben die Dispositionen des Hauses (fürstliche Testamente, Theilungsverträge, Vergleiche, Verzichte, sonstige Ord- nungen), oder seine Observanz, oder die ältere Landes- verfassung keine Entscheidung, so kann von Bedeutung werden die Lehnsfolgeordnung des gemeinen und be- sonders des Reichsrechts, der Einfluss der gesammten Hand, unter Umständen auch die Erbfolgeordnung bei allodialen Stammgütern, — alles diess beurtheilt nach Massgabe des älteren deutschen Fürstenrechts.6 Wenn 4 Siehe meine angeführte Abhandlung S. 19 flg. 5 Die vollständigste neuere Darstellung des fürstlichen Suc- cessionsrechts und seiner Ordnung hat Pfeiffer (über die Ord- nung der Regierungsnachfolge in den monarchischen Staaten des deutschen Bundes 1826, 2 Bände) geliefert. Indessen bin ich namentlich mit der Ansicht nicht einverstanden, welche darin über den Geltungsumfang des Primogeniturrechts vorgetragen wird. 6 Es ist hier nicht der Ort, die Grundsätze über diese Succes-
sionsordnungen des deutschen Landrechts und des Lehnrechts zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0102" n="84"/><fw place="top" type="header">Zweiter Abschnitt.</fw><lb/> Agnaten des fürstlichen Hauses oder sonstige Berech-<lb/> tigte kommt, deren Recht vor der Einführung der Erst-<lb/> geburtsordnung begründet war und auch bei deren spä-<lb/> terer Einführung ausserhalb des Kreises ihrer Herrschaft<lb/> geblieben ist. Auch hier äussert nun zwar das Ver-<lb/> fassungsrecht den Einfluss, dass nur <hi rendition="#g">Einer</hi> und dieser<lb/> wieder mit sofortiger Unterwerfung unter das Primo-<lb/> geniturrecht eintreten kann; auf die Entscheidung der<lb/> Frage aber, wer dieser Eine sei, will die Erstgeburts-<lb/> ordnung nicht rückwirkend einwirken, vielmehr kann<lb/> diese nur nach Massgabe des zur Zeit der Entstehung<lb/> des Anspruchs herrschenden Rechts oder des Haus-<lb/> rechts überhaupt beantwortet werden.<note place="foot" n="4">Siehe <hi rendition="#g">meine</hi> angeführte Abhandlung S. 19 flg.</note> Darüber lässt<lb/> sich freilich etwas Allgemeines nicht aufstellen.<note place="foot" n="5">Die vollständigste neuere Darstellung des fürstlichen Suc-<lb/> cessionsrechts und seiner Ordnung hat <hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> (über die Ord-<lb/> nung der Regierungsnachfolge in den monarchischen Staaten des<lb/> deutschen Bundes 1826, 2 Bände) geliefert. Indessen bin ich<lb/> namentlich mit der Ansicht nicht einverstanden, welche darin über<lb/> den Geltungsumfang des Primogeniturrechts vorgetragen wird.</note> Geben<lb/> die Dispositionen des Hauses (fürstliche Testamente,<lb/> Theilungsverträge, Vergleiche, Verzichte, sonstige Ord-<lb/> nungen), oder seine Observanz, oder die ältere Landes-<lb/> verfassung keine Entscheidung, so kann von Bedeutung<lb/> werden die Lehnsfolgeordnung des gemeinen und be-<lb/> sonders des Reichsrechts, der Einfluss der gesammten<lb/> Hand, unter Umständen auch die Erbfolgeordnung bei<lb/> allodialen Stammgütern, — alles diess beurtheilt nach<lb/> Massgabe des älteren deutschen Fürstenrechts.<note xml:id="note-0102" next="#note-0103" place="foot" n="6">Es ist hier nicht der Ort, die Grundsätze über diese Succes-<lb/> sionsordnungen des deutschen Landrechts und des Lehnrechts zu</note> Wenn<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0102]
Zweiter Abschnitt.
Agnaten des fürstlichen Hauses oder sonstige Berech-
tigte kommt, deren Recht vor der Einführung der Erst-
geburtsordnung begründet war und auch bei deren spä-
terer Einführung ausserhalb des Kreises ihrer Herrschaft
geblieben ist. Auch hier äussert nun zwar das Ver-
fassungsrecht den Einfluss, dass nur Einer und dieser
wieder mit sofortiger Unterwerfung unter das Primo-
geniturrecht eintreten kann; auf die Entscheidung der
Frage aber, wer dieser Eine sei, will die Erstgeburts-
ordnung nicht rückwirkend einwirken, vielmehr kann
diese nur nach Massgabe des zur Zeit der Entstehung
des Anspruchs herrschenden Rechts oder des Haus-
rechts überhaupt beantwortet werden. 4 Darüber lässt
sich freilich etwas Allgemeines nicht aufstellen. 5 Geben
die Dispositionen des Hauses (fürstliche Testamente,
Theilungsverträge, Vergleiche, Verzichte, sonstige Ord-
nungen), oder seine Observanz, oder die ältere Landes-
verfassung keine Entscheidung, so kann von Bedeutung
werden die Lehnsfolgeordnung des gemeinen und be-
sonders des Reichsrechts, der Einfluss der gesammten
Hand, unter Umständen auch die Erbfolgeordnung bei
allodialen Stammgütern, — alles diess beurtheilt nach
Massgabe des älteren deutschen Fürstenrechts. 6 Wenn
4 Siehe meine angeführte Abhandlung S. 19 flg.
5 Die vollständigste neuere Darstellung des fürstlichen Suc-
cessionsrechts und seiner Ordnung hat Pfeiffer (über die Ord-
nung der Regierungsnachfolge in den monarchischen Staaten des
deutschen Bundes 1826, 2 Bände) geliefert. Indessen bin ich
namentlich mit der Ansicht nicht einverstanden, welche darin über
den Geltungsumfang des Primogeniturrechts vorgetragen wird.
6 Es ist hier nicht der Ort, die Grundsätze über diese Succes-
sionsordnungen des deutschen Landrechts und des Lehnrechts zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/102 |
Zitationshilfe: | Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/102>, abgerufen am 16.02.2025. |