[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen daß der Prinz, dem er sein Unglück zu dan-ken hatte, noch lebte und bey dem Könige in dem größten Ansehn stund; und was brauch- te er mehr, als dieses zu wissen, um an keine Rückkehr zu denken? Aber daß Steeley nicht kam, und daß er, auf alle seine Briefe an ihn, noch nicht die geringste Antwort erhalten, die- ses beunruhigte ihn desto mehr. Von Stee- leys Vater hatte er zwar aus London schon vor etlichen Monaten die Nachricht bekom- men, daß sein Sohn durch die Bemühungen des Englischen Gesandten, und durch ein Straf- geld von etlichen tausend Thalern seiner Ver- weisung nach Siberien erlassen worden wä- re, von ihm selbst aber hätten er und seine Landsleute in Moskau keine Briefe. Jndes- sen daß der Graf vergebens auf Steeleyn hoffte, begegnete ihm ein andrer vergnügter Zufall. Er war eine Stunde vor der Mahl- zeit, wie er zu thun pflegte, mit dem Herrn R** auf das Caffeehaus gegangen, wo die meisten Fremden einzusprechen pflegten. Kurz darauf ließ er mir sagen, er würde mir einen Gast mitbringen, für den ich ein Zimmer zu rechte machen lassen sollte. Er kam, und der Gast war der ehrliche Jude, der ihm in Si- berien so viele Menschenliebe erwiesen, und den seine Geschäfte nach Holland zu gehn genö- thigt
Leben der Schwediſchen daß der Prinz, dem er ſein Ungluͤck zu dan-ken hatte, noch lebte und bey dem Koͤnige in dem groͤßten Anſehn ſtund; und was brauch- te er mehr, als dieſes zu wiſſen, um an keine Ruͤckkehr zu denken? Aber daß Steeley nicht kam, und daß er, auf alle ſeine Briefe an ihn, noch nicht die geringſte Antwort erhalten, die- ſes beunruhigte ihn deſto mehr. Von Stee- leys Vater hatte er zwar aus London ſchon vor etlichen Monaten die Nachricht bekom- men, daß ſein Sohn durch die Bemuͤhungen des Engliſchen Geſandten, und durch ein Straf- geld von etlichen tauſend Thalern ſeiner Ver- weiſung nach Siberien erlaſſen worden waͤ- re, von ihm ſelbſt aber haͤtten er und ſeine Landsleute in Moskau keine Briefe. Jndeſ- ſen daß der Graf vergebens auf Steeleyn hoffte, begegnete ihm ein andrer vergnuͤgter Zufall. Er war eine Stunde vor der Mahl- zeit, wie er zu thun pflegte, mit dem Herrn R** auf das Caffeehaus gegangen, wo die meiſten Fremden einzuſprechen pflegten. Kurz darauf ließ er mir ſagen, er wuͤrde mir einen Gaſt mitbringen, fuͤr den ich ein Zimmer zu rechte machen laſſen ſollte. Er kam, und der Gaſt war der ehrliche Jude, der ihm in Si- berien ſo viele Menſchenliebe erwieſen, und den ſeine Geſchaͤfte nach Holland zu gehn genoͤ- thigt
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Leben der Schwediſchen
daß der Prinz, dem er ſein Ungluͤck zu dan-
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dem groͤßten Anſehn ſtund; und was brauch-
te er mehr, als dieſes zu wiſſen, um an keine
Ruͤckkehr zu denken? Aber daß Steeley nicht
kam, und daß er, auf alle ſeine Briefe an ihn,
noch nicht die geringſte Antwort erhalten, die-
ſes beunruhigte ihn deſto mehr. Von Stee-
leys Vater hatte er zwar aus London ſchon
vor etlichen Monaten die Nachricht bekom-
men, daß ſein Sohn durch die Bemuͤhungen
des Engliſchen Geſandten, und durch ein Straf-
geld von etlichen tauſend Thalern ſeiner Ver-
weiſung nach Siberien erlaſſen worden waͤ-
re, von ihm ſelbſt aber haͤtten er und ſeine
Landsleute in Moskau keine Briefe. Jndeſ-
ſen daß der Graf vergebens auf Steeleyn
hoffte, begegnete ihm ein andrer vergnuͤgter
Zufall. Er war eine Stunde vor der Mahl-
zeit, wie er zu thun pflegte, mit dem Herrn
R** auf das Caffeehaus gegangen, wo die
meiſten Fremden einzuſprechen pflegten. Kurz
darauf ließ er mir ſagen, er wuͤrde mir einen
Gaſt mitbringen, fuͤr den ich ein Zimmer zu
rechte machen laſſen ſollte. Er kam, und der
Gaſt war der ehrliche Jude, der ihm in Si-
berien ſo viele Menſchenliebe erwieſen, und den
ſeine Geſchaͤfte nach Holland zu gehn genoͤ-
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