Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
eine von meinen Freundinnen bey Hofe aus-
gewirkt. Mein Gemahl weis es nicht, daß
ich mich Jhres Unglücks angenommen habe,
und er soll es auch nicht wissen; auch nicht die
Welt. Jch bin zufrieden, daß Sie es wissen.
Und vielleicht wäre mein Dienst viel großmü-
thiger, wenn ich Jhnen solchen nicht selbst be-
kannt gemacht hätte. Jch war es Willens;
allein ich war zu schwach; und ich sehe, daß
es leichter ist, eine gute That zu unternehmen,
als sie zu verschweigen. Vergessen Sie diese
kleine Eitelkeit, durch die ich mich für meine
guten Absichten selbst belohnt habe. Jch zwei-
fle, daß ich das Vergnügen haben werde, Sie
vor Jhrer Abreise noch zu sprechen, wenigstens
doch nicht allein. Jch wünsche Jhnen also mit
der größten Aufrichtigkeit das Glück, Jhre Ge-
mahlinn bald wieder zu finden. Wie wird
sie mich lieben, daß ich ihr ihren Grafen wie-
der geschafft habe! Für Jhren Freund, den Sie
hier zurücklassen, will ich sorgen. Leben Sie
wohl, und schreiben Sie mir künftig, ob Sie Jh-
re Gemahlinn angetroffen haben. Wenn
meine Wünsche erfüllet werden: so hoffe ich
das betrübte Land, aus dem Sie eilen, noch mit
meinem Vaterlande zu verwechseln. Doch
nein, ich Unglückliche werde wohl hier mein
Leben beschliessen müssen. Schreiben Sie mir

ja

Leben der Schwediſchen
eine von meinen Freundinnen bey Hofe aus-
gewirkt. Mein Gemahl weis es nicht, daß
ich mich Jhres Ungluͤcks angenommen habe,
und er ſoll es auch nicht wiſſen; auch nicht die
Welt. Jch bin zufrieden, daß Sie es wiſſen.
Und vielleicht waͤre mein Dienſt viel großmuͤ-
thiger, wenn ich Jhnen ſolchen nicht ſelbſt be-
kannt gemacht haͤtte. Jch war es Willens;
allein ich war zu ſchwach; und ich ſehe, daß
es leichter iſt, eine gute That zu unternehmen,
als ſie zu verſchweigen. Vergeſſen Sie dieſe
kleine Eitelkeit, durch die ich mich fuͤr meine
guten Abſichten ſelbſt belohnt habe. Jch zwei-
fle, daß ich das Vergnuͤgen haben werde, Sie
vor Jhrer Abreiſe noch zu ſprechen, wenigſtens
doch nicht allein. Jch wuͤnſche Jhnen alſo mit
der groͤßten Aufrichtigkeit das Gluͤck, Jhre Ge-
mahlinn bald wieder zu finden. Wie wird
ſie mich lieben, daß ich ihr ihren Grafen wie-
der geſchafft habe! Fuͤr Jhren Freund, den Sie
hier zuruͤcklaſſen, will ich ſorgen. Leben Sie
wohl, und ſchreiben Sie mir kuͤnftig, ob Sie Jh-
re Gemahlinn angetroffen haben. Wenn
meine Wuͤnſche erfuͤllet werden: ſo hoffe ich
das betruͤbte Land, aus dem Sie eilen, noch mit
meinem Vaterlande zu verwechſeln. Doch
nein, ich Ungluͤckliche werde wohl hier mein
Leben beſchlieſſen muͤſſen. Schreiben Sie mir

ja
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div type="letter">
            <p><pb facs="#f0060" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
eine von meinen Freundinnen bey Hofe aus-<lb/>
gewirkt. Mein Gemahl weis es nicht, daß<lb/>
ich mich Jhres Unglu&#x0364;cks angenommen habe,<lb/>
und er &#x017F;oll es auch nicht wi&#x017F;&#x017F;en; auch nicht die<lb/>
Welt. Jch bin zufrieden, daß Sie es wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Und vielleicht wa&#x0364;re mein Dien&#x017F;t viel großmu&#x0364;-<lb/>
thiger, wenn ich Jhnen &#x017F;olchen nicht &#x017F;elb&#x017F;t be-<lb/>
kannt gemacht ha&#x0364;tte. Jch war es Willens;<lb/>
allein ich war zu &#x017F;chwach; und ich &#x017F;ehe, daß<lb/>
es leichter i&#x017F;t, eine gute That zu unternehmen,<lb/>
als &#x017F;ie zu ver&#x017F;chweigen. Verge&#x017F;&#x017F;en Sie die&#x017F;e<lb/>
kleine Eitelkeit, durch die ich mich fu&#x0364;r meine<lb/>
guten Ab&#x017F;ichten &#x017F;elb&#x017F;t belohnt habe. Jch zwei-<lb/>
fle, daß ich das Vergnu&#x0364;gen haben werde, Sie<lb/>
vor Jhrer Abrei&#x017F;e noch zu &#x017F;prechen, wenig&#x017F;tens<lb/>
doch nicht allein. Jch wu&#x0364;n&#x017F;che Jhnen al&#x017F;o mit<lb/>
der gro&#x0364;ßten Aufrichtigkeit das Glu&#x0364;ck, Jhre Ge-<lb/>
mahlinn bald wieder zu finden. Wie wird<lb/>
&#x017F;ie mich lieben, daß ich ihr ihren Grafen wie-<lb/>
der ge&#x017F;chafft habe! Fu&#x0364;r Jhren Freund, den Sie<lb/>
hier zuru&#x0364;ckla&#x017F;&#x017F;en, will ich &#x017F;orgen. Leben Sie<lb/>
wohl, und &#x017F;chreiben Sie mir ku&#x0364;nftig, ob Sie Jh-<lb/>
re Gemahlinn angetroffen haben. Wenn<lb/>
meine Wu&#x0364;n&#x017F;che erfu&#x0364;llet werden: &#x017F;o hoffe ich<lb/>
das betru&#x0364;bte Land, aus dem Sie eilen, noch mit<lb/>
meinem Vaterlande zu verwech&#x017F;eln. Doch<lb/>
nein, ich Unglu&#x0364;ckliche werde wohl hier mein<lb/>
Leben be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Schreiben Sie mir<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ja</fw><lb/></p>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0060] Leben der Schwediſchen eine von meinen Freundinnen bey Hofe aus- gewirkt. Mein Gemahl weis es nicht, daß ich mich Jhres Ungluͤcks angenommen habe, und er ſoll es auch nicht wiſſen; auch nicht die Welt. Jch bin zufrieden, daß Sie es wiſſen. Und vielleicht waͤre mein Dienſt viel großmuͤ- thiger, wenn ich Jhnen ſolchen nicht ſelbſt be- kannt gemacht haͤtte. Jch war es Willens; allein ich war zu ſchwach; und ich ſehe, daß es leichter iſt, eine gute That zu unternehmen, als ſie zu verſchweigen. Vergeſſen Sie dieſe kleine Eitelkeit, durch die ich mich fuͤr meine guten Abſichten ſelbſt belohnt habe. Jch zwei- fle, daß ich das Vergnuͤgen haben werde, Sie vor Jhrer Abreiſe noch zu ſprechen, wenigſtens doch nicht allein. Jch wuͤnſche Jhnen alſo mit der groͤßten Aufrichtigkeit das Gluͤck, Jhre Ge- mahlinn bald wieder zu finden. Wie wird ſie mich lieben, daß ich ihr ihren Grafen wie- der geſchafft habe! Fuͤr Jhren Freund, den Sie hier zuruͤcklaſſen, will ich ſorgen. Leben Sie wohl, und ſchreiben Sie mir kuͤnftig, ob Sie Jh- re Gemahlinn angetroffen haben. Wenn meine Wuͤnſche erfuͤllet werden: ſo hoffe ich das betruͤbte Land, aus dem Sie eilen, noch mit meinem Vaterlande zu verwechſeln. Doch nein, ich Ungluͤckliche werde wohl hier mein Leben beſchlieſſen muͤſſen. Schreiben Sie mir ja

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/60
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/60>, abgerufen am 28.04.2024.