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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Leben der Schwedischen
de zum Theil zu danken hatten: so war er doch
bey allen unsern Vortheilen noch unser bestän-
diges Schrecken. Wir kannten seine unmäs-
sige Gemüthsart und mußten alle Tage fürch-
ten, daß es ihm einfallen könnte, uns von ein-
ander zu trennen, und wieder unter die an-
dern Gefangnen zu stecken. Um diesem Un-
glücke zu entgehn, ließ ich ihm durch den Ju-
den, der mein Geld in den Händen hatte, ein
klein Geschenk nach dem andern machen.

Ein Jahr war verflossen, seit dem Stee-
ley wieder bey mir lebte. Jch hoffte nun von
einem Tage zum andern auf Briefe von euch,
weil der Jude, dem ich den meinigen mitgege-
ben, nach Tobolskoy handelte, und mir also
leicht eine Antwort übermachen konnte; allein
ich hoffte vergebens. Steeley hatte ebenfalls
binnen dieser Zeit nach London, und an den
Englischen Gesandten nach Schweden, geschrie-
ben, und keine Antwort erhalten. Die Ge-
mahlinn des Gouverneurs hatte ich seit der
Zeit, da sie mir das großmüthige Geschenk ge-
macht, mit einem Worte, seit dem ersten ma-
le nicht wieder gesehn. Alles dieses machte
uns niedergeschlagen; und ie erträglicher un-
sere Gefangenschaft war, desto mehr meldete
sich d[er] Wunsch in uns, ihrer gar los zu seyn.
Und mit was für Rechte konnten wir dies hof-

fen,

Leben der Schwediſchen
de zum Theil zu danken hatten: ſo war er doch
bey allen unſern Vortheilen noch unſer beſtaͤn-
diges Schrecken. Wir kannten ſeine unmaͤſ-
ſige Gemuͤthsart und mußten alle Tage fuͤrch-
ten, daß es ihm einfallen koͤnnte, uns von ein-
ander zu trennen, und wieder unter die an-
dern Gefangnen zu ſtecken. Um dieſem Un-
gluͤcke zu entgehn, ließ ich ihm durch den Ju-
den, der mein Geld in den Haͤnden hatte, ein
klein Geſchenk nach dem andern machen.

Ein Jahr war verfloſſen, ſeit dem Stee-
ley wieder bey mir lebte. Jch hoffte nun von
einem Tage zum andern auf Briefe von euch,
weil der Jude, dem ich den meinigen mitgege-
ben, nach Tobolskoy handelte, und mir alſo
leicht eine Antwort uͤbermachen konnte; allein
ich hoffte vergebens. Steeley hatte ebenfalls
binnen dieſer Zeit nach London, und an den
Engliſchen Geſandten nach Schweden, geſchrie-
ben, und keine Antwort erhalten. Die Ge-
mahlinn des Gouverneurs hatte ich ſeit der
Zeit, da ſie mir das großmuͤthige Geſchenk ge-
macht, mit einem Worte, ſeit dem erſten ma-
le nicht wieder geſehn. Alles dieſes machte
uns niedergeſchlagen; und ie ertraͤglicher un-
ſere Gefangenſchaft war, deſto mehr meldete
ſich d[er] Wunſch in uns, ihrer gar los zu ſeyn.
Und mit was fuͤr Rechte konnten wir dies hof-

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[58/0058] Leben der Schwediſchen de zum Theil zu danken hatten: ſo war er doch bey allen unſern Vortheilen noch unſer beſtaͤn- diges Schrecken. Wir kannten ſeine unmaͤſ- ſige Gemuͤthsart und mußten alle Tage fuͤrch- ten, daß es ihm einfallen koͤnnte, uns von ein- ander zu trennen, und wieder unter die an- dern Gefangnen zu ſtecken. Um dieſem Un- gluͤcke zu entgehn, ließ ich ihm durch den Ju- den, der mein Geld in den Haͤnden hatte, ein klein Geſchenk nach dem andern machen. Ein Jahr war verfloſſen, ſeit dem Stee- ley wieder bey mir lebte. Jch hoffte nun von einem Tage zum andern auf Briefe von euch, weil der Jude, dem ich den meinigen mitgege- ben, nach Tobolskoy handelte, und mir alſo leicht eine Antwort uͤbermachen konnte; allein ich hoffte vergebens. Steeley hatte ebenfalls binnen dieſer Zeit nach London, und an den Engliſchen Geſandten nach Schweden, geſchrie- ben, und keine Antwort erhalten. Die Ge- mahlinn des Gouverneurs hatte ich ſeit der Zeit, da ſie mir das großmuͤthige Geſchenk ge- macht, mit einem Worte, ſeit dem erſten ma- le nicht wieder geſehn. Alles dieſes machte uns niedergeſchlagen; und ie ertraͤglicher un- ſere Gefangenſchaft war, deſto mehr meldete ſich der Wunſch in uns, ihrer gar los zu ſeyn. Und mit was fuͤr Rechte konnten wir dies hof- fen,

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/58>, abgerufen am 27.04.2024.