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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
nate zu, unsere äusserlichen Umstände zu ver-
bessern. Wir durften nicht bloß von der elen-
den Kost leben, die man den Gefangnen reich-
te. Wir konnten wenigstens zu Mittage etwas
bessers haben. Wir hatten dem Aufseher lange
angelegen, uns einige Englische oder Fran-
zöfische Bücher zum lesen zu verschaffen; allein
wir erhielten keine. Er gab uns etliche Rus-
sische Chroniken, und einen Popen, oder Geist-
lichen, der uns diese Sprache lehren sollte.
Wie froh waren wir, daß wir etwas zu thun
bekamen. Es waren sehr mittelmäßige Bü-
cher, und dennoch lasen wir sie wohl zehnmal
durch. Wir konnten wenigstens, so lange
wir sie lasen, nicht an unser Elend denken, und
dieser Vortheil war groß genug für die Mühe,
die wir anwenden mußten, wenn wir die Ge-
schichte der alten Barbarischen Fürsten in Ruß-
land verstehn wollten. Unser Pope vertrieb
uns durch seinen Unterricht in der Sprache al-
le Tage etliche Stunden für ein geringes Geld.
Er brachte endlich einige kleine Bücher mit,
welche von der Griechischen Religion handel-
ten. Er war so unwissend darinn, als man
nur seyn kann. Steeley widersprach ihm
nach seiner Gemüthsart sehr oft, und so we-
nig er noch das Russische sprechen konnte: so
konnte er doch genug, um ihn zu widerlegen.

Jch
B 4

Graͤfinn von G**
nate zu, unſere aͤuſſerlichen Umſtaͤnde zu ver-
beſſern. Wir durften nicht bloß von der elen-
den Koſt leben, die man den Gefangnen reich-
te. Wir konnten wenigſtens zu Mittage etwas
beſſers haben. Wir hatten dem Aufſeher lange
angelegen, uns einige Engliſche oder Fran-
zoͤfiſche Buͤcher zum leſen zu verſchaffen; allein
wir erhielten keine. Er gab uns etliche Ruſ-
ſiſche Chroniken, und einen Popen, oder Geiſt-
lichen, der uns dieſe Sprache lehren ſollte.
Wie froh waren wir, daß wir etwas zu thun
bekamen. Es waren ſehr mittelmaͤßige Buͤ-
cher, und dennoch laſen wir ſie wohl zehnmal
durch. Wir konnten wenigſtens, ſo lange
wir ſie laſen, nicht an unſer Elend denken, und
dieſer Vortheil war groß genug fuͤr die Muͤhe,
die wir anwenden mußten, wenn wir die Ge-
ſchichte der alten Barbariſchen Fuͤrſten in Ruß-
land verſtehn wollten. Unſer Pope vertrieb
uns durch ſeinen Unterricht in der Sprache al-
le Tage etliche Stunden fuͤr ein geringes Geld.
Er brachte endlich einige kleine Buͤcher mit,
welche von der Griechiſchen Religion handel-
ten. Er war ſo unwiſſend darinn, als man
nur ſeyn kann. Steeley widerſprach ihm
nach ſeiner Gemuͤthsart ſehr oft, und ſo we-
nig er noch das Ruſſiſche ſprechen konnte: ſo
konnte er doch genug, um ihn zu widerlegen.

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[23/0023] Graͤfinn von G** nate zu, unſere aͤuſſerlichen Umſtaͤnde zu ver- beſſern. Wir durften nicht bloß von der elen- den Koſt leben, die man den Gefangnen reich- te. Wir konnten wenigſtens zu Mittage etwas beſſers haben. Wir hatten dem Aufſeher lange angelegen, uns einige Engliſche oder Fran- zoͤfiſche Buͤcher zum leſen zu verſchaffen; allein wir erhielten keine. Er gab uns etliche Ruſ- ſiſche Chroniken, und einen Popen, oder Geiſt- lichen, der uns dieſe Sprache lehren ſollte. Wie froh waren wir, daß wir etwas zu thun bekamen. Es waren ſehr mittelmaͤßige Buͤ- cher, und dennoch laſen wir ſie wohl zehnmal durch. Wir konnten wenigſtens, ſo lange wir ſie laſen, nicht an unſer Elend denken, und dieſer Vortheil war groß genug fuͤr die Muͤhe, die wir anwenden mußten, wenn wir die Ge- ſchichte der alten Barbariſchen Fuͤrſten in Ruß- land verſtehn wollten. Unſer Pope vertrieb uns durch ſeinen Unterricht in der Sprache al- le Tage etliche Stunden fuͤr ein geringes Geld. Er brachte endlich einige kleine Buͤcher mit, welche von der Griechiſchen Religion handel- ten. Er war ſo unwiſſend darinn, als man nur ſeyn kann. Steeley widerſprach ihm nach ſeiner Gemuͤthsart ſehr oft, und ſo we- nig er noch das Ruſſiſche ſprechen konnte: ſo konnte er doch genug, um ihn zu widerlegen. Jch B 4

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/23>, abgerufen am 09.10.2024.