[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Gräfinn von G** ge, als ich endlich die Erlaubniß und die Passe-porte vom Hofe erhielt, mich nach Moskau zu- rück zu begeben. Mein Liebhaber war gleich bey mir. Und wie eilten wir, aus diesem traurigen Lande zu kommen! Der Commendant von einem nah gelegenen Schlosse war zum Nachfolger mei- nes Gemahls ernannt. Jch übergab ihm bin- nen acht Tagen die Rechnungen meines Gemahls; allein er sahe sie nicht an. Jhr Gemahl, sprach er, war ein guter Freund und auch ein Freund des Hofs. Er wird schon gut hausgehalten ha- ben, und ich bin alt genug, ihm bald im Tode nachzufolgen. Jch bat ihn, daß er Befehl zu meiner Abreise geben, und die Meubeln und das Haus meines Gemahls von mir zum Abschiede annehmen sollte. Jch nehme es an, sprach er; sie aber haben die Freyheit, was ihnen gefällt, mit sich zu nehmen; die ihrem Stande ge- mässe Bedeckung ist alle Stunden zu ihren Diensten. Jch reiste also mit zween Wagen unter einer Wir kamen nach einer beschwerlichen Reise von
Graͤfinn von G** ge, als ich endlich die Erlaubniß und die Paſſe-porte vom Hofe erhielt, mich nach Moskau zu- ruͤck zu begeben. Mein Liebhaber war gleich bey mir. Und wie eilten wir, aus dieſem traurigen Lande zu kommen! Der Commendant von einem nah gelegenen Schloſſe war zum Nachfolger mei- nes Gemahls ernannt. Jch uͤbergab ihm bin- nen acht Tagen die Rechnungen meines Gemahls; allein er ſahe ſie nicht an. Jhr Gemahl, ſprach er, war ein guter Freund und auch ein Freund des Hofs. Er wird ſchon gut hausgehalten ha- ben, und ich bin alt genug, ihm bald im Tode nachzufolgen. Jch bat ihn, daß er Befehl zu meiner Abreiſe geben, und die Meubeln und das Haus meines Gemahls von mir zum Abſchiede annehmen ſollte. Jch nehme es an, ſprach er; ſie aber haben die Freyheit, was ihnen gefaͤllt, mit ſich zu nehmen; die ihrem Stande ge- maͤſſe Bedeckung iſt alle Stunden zu ihren Dienſten. Jch reiſte alſo mit zween Wagen unter einer Wir kamen nach einer beſchwerlichen Reiſe von
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Graͤfinn von G**
ge, als ich endlich die Erlaubniß und die Paſſe-
porte vom Hofe erhielt, mich nach Moskau zu-
ruͤck zu begeben. Mein Liebhaber war gleich bey
mir. Und wie eilten wir, aus dieſem traurigen
Lande zu kommen! Der Commendant von einem
nah gelegenen Schloſſe war zum Nachfolger mei-
nes Gemahls ernannt. Jch uͤbergab ihm bin-
nen acht Tagen die Rechnungen meines Gemahls;
allein er ſahe ſie nicht an. Jhr Gemahl, ſprach
er, war ein guter Freund und auch ein Freund
des Hofs. Er wird ſchon gut hausgehalten ha-
ben, und ich bin alt genug, ihm bald im Tode
nachzufolgen. Jch bat ihn, daß er Befehl zu
meiner Abreiſe geben, und die Meubeln und das
Haus meines Gemahls von mir zum Abſchiede
annehmen ſollte. Jch nehme es an, ſprach er;
ſie aber haben die Freyheit, was ihnen gefaͤllt,
mit ſich zu nehmen; die ihrem Stande ge-
maͤſſe Bedeckung iſt alle Stunden zu ihren
Dienſten.
Jch reiſte alſo mit zween Wagen unter einer
ſtarken Bedeckung in der Mitte des Junius fort.
Mein Gemahl hatte mir uͤber hunderttauſend
Rubeln meiſtens an Golde und Juwelen hinter-
laſſen. Die eine Haͤlfte nahmen wir auf unſern
Wagen, und die andere auf den, wo unſer Chri-
ſtian nebſt einigen befreyten Gefangnen ſaß.
Steeley ließ, ehe wir abreisten, alle Gefangene,
in und um. Tobolskoy herum, kleiden, ſie drey
Tage ſpeiſen, und jedem, etliche Rubeln geben.
Es mochten ihrer etliche funfzig ſeyn.
Wir kamen nach einer beſchwerlichen Reiſe
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