Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
zu wichtig, als daß wir unsere Reise hät-
ten fortsetzen sollen, ohne den Herrn An-
dreas zu sprechen. Aber wollte der Him-
mel, daß wir ihn in unserm Leben nicht
gesehen hätten! Er kam den andern Tag
zu uns. Carolinens erste Frage war,
warum er ihr denn vor seiner Abreise
nach Ostindien nichts ausführliches von
dem Tode ihrer Tochter geschrieben hät-
te? Jst denn Mariane todt? rief er. Was
willst du denn mit der Mariane? ver-
setzte seine Schwester. Meine Tochter
hieß ja, wie ich, Caroline. Wo ist sie
denn? Jst sie nicht todt? Ach wenn doch die-
ses Gott wollte! Ja doch, sprach Andreas,
ich weis es wohl, sie hieß Caroline; aber
aus Liebe zu meiner Frau, und weil ich
sie an Kindesstatt angenommen hatte,
nennte ich sie nach meiner Frau, Maria-
ne. Jch will dir alles erzählen; aber
versprich mir, daß du mir auch alles ver-
geben willst. Meine liebe Frau starb
mir, wie ich dir vor zehn Jahren gemel-

det

Leben der Schwediſchen
zu wichtig, als daß wir unſere Reiſe hät-
ten fortſetzen ſollen, ohne den Herrn An-
dreas zu ſprechen. Aber wollte der Him-
mel, daß wir ihn in unſerm Leben nicht
geſehen hätten! Er kam den andern Tag
zu uns. Carolinens erſte Frage war,
warum er ihr denn vor ſeiner Abreiſe
nach Oſtindien nichts ausführliches von
dem Tode ihrer Tochter geſchrieben hät-
te? Jſt denn Mariane todt? rief er. Was
willſt du denn mit der Mariane? ver-
ſetzte ſeine Schweſter. Meine Tochter
hieß ja, wie ich, Caroline. Wo iſt ſie
denn? Jſt ſie nicht todt? Ach wenn doch die-
ſes Gott wollte! Ja doch, ſprach Andreas,
ich weis es wohl, ſie hieß Caroline; aber
aus Liebe zu meiner Frau, und weil ich
ſie an Kindesſtatt angenommen hatte,
nennte ich ſie nach meiner Frau, Maria-
ne. Jch will dir alles erzählen; aber
verſprich mir, daß du mir auch alles ver-
geben willſt. Meine liebe Frau ſtarb
mir, wie ich dir vor zehn Jahren gemel-

det
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
zu wichtig, als daß wir un&#x017F;ere Rei&#x017F;e hät-<lb/>
ten fort&#x017F;etzen &#x017F;ollen, ohne den Herrn An-<lb/>
dreas zu &#x017F;prechen. Aber wollte der Him-<lb/>
mel, daß wir ihn in un&#x017F;erm Leben nicht<lb/>
ge&#x017F;ehen hätten! Er kam den andern Tag<lb/>
zu uns. Carolinens er&#x017F;te Frage war,<lb/>
warum er ihr denn vor &#x017F;einer Abrei&#x017F;e<lb/>
nach O&#x017F;tindien nichts ausführliches von<lb/>
dem Tode ihrer Tochter ge&#x017F;chrieben hät-<lb/>
te? J&#x017F;t denn Mariane todt? rief er. Was<lb/>
will&#x017F;t du denn mit der Mariane? ver-<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter. Meine Tochter<lb/>
hieß ja, wie ich, Caroline. Wo i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
denn? J&#x017F;t &#x017F;ie nicht todt? Ach wenn doch die-<lb/>
&#x017F;es Gott wollte! Ja doch, &#x017F;prach Andreas,<lb/>
ich weis es wohl, &#x017F;ie hieß Caroline; aber<lb/>
aus Liebe zu meiner Frau, und weil ich<lb/>
&#x017F;ie an Kindes&#x017F;tatt angenommen hatte,<lb/>
nennte ich &#x017F;ie nach meiner Frau, Maria-<lb/>
ne. Jch will dir alles erzählen; aber<lb/>
ver&#x017F;prich mir, daß du mir auch alles ver-<lb/>
geben will&#x017F;t. Meine liebe Frau &#x017F;tarb<lb/>
mir, wie ich dir vor zehn Jahren gemel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">det</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0088] Leben der Schwediſchen zu wichtig, als daß wir unſere Reiſe hät- ten fortſetzen ſollen, ohne den Herrn An- dreas zu ſprechen. Aber wollte der Him- mel, daß wir ihn in unſerm Leben nicht geſehen hätten! Er kam den andern Tag zu uns. Carolinens erſte Frage war, warum er ihr denn vor ſeiner Abreiſe nach Oſtindien nichts ausführliches von dem Tode ihrer Tochter geſchrieben hät- te? Jſt denn Mariane todt? rief er. Was willſt du denn mit der Mariane? ver- ſetzte ſeine Schweſter. Meine Tochter hieß ja, wie ich, Caroline. Wo iſt ſie denn? Jſt ſie nicht todt? Ach wenn doch die- ſes Gott wollte! Ja doch, ſprach Andreas, ich weis es wohl, ſie hieß Caroline; aber aus Liebe zu meiner Frau, und weil ich ſie an Kindesſtatt angenommen hatte, nennte ich ſie nach meiner Frau, Maria- ne. Jch will dir alles erzählen; aber verſprich mir, daß du mir auch alles ver- geben willſt. Meine liebe Frau ſtarb mir, wie ich dir vor zehn Jahren gemel- det

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/88
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/88>, abgerufen am 03.05.2024.