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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Leben der Schwedischen
ter ihres Gemahls zu meiner und meines
Kindes Erhaltung ausgesetzet hat, ein
kleines Landgut hier in diesem Dorfe ge-
kauft, und ich biete es ihnen nicht allein
zu ihrem Aufenthalte, sondern mit dem
größten Vergnügen zu ihrem Eigenthume
an. Wollte Gott sie blieben unerkannt
bey mir, wie ruhig wollten wir nicht le-
ben! Das Verlangen, ihnen zu dienen, soll-
te mich wieder gesund und munter ma-
chen.

Jch wagte es, mich auf ihren kleinen
Rittersitz zu begeben. Jch traf keinen
Reichthum, keinen Ueberfluß da an; aber
Ordnung und Beqvemlichkeit, die von
dem guten Geschmacke der Besitzerinn zeug-
ten. Jch fand eine Menge schöner Bü-
cher in ihrer besten Stube. Und sie war
so bescheiden, daß sie sagte, sie gehörten
ihrem Sohne, da ich doch leicht merken
konnte, daß sie ihr selber zugehörten. Es
waren fast alle die Französischen und

Schwe-

Leben der Schwediſchen
ter ihres Gemahls zu meiner und meines
Kindes Erhaltung ausgeſetzet hat, ein
kleines Landgut hier in dieſem Dorfe ge-
kauft, und ich biete es ihnen nicht allein
zu ihrem Aufenthalte, ſondern mit dem
größten Vergnügen zu ihrem Eigenthume
an. Wollte Gott ſie blieben unerkannt
bey mir, wie ruhig wollten wir nicht le-
ben! Das Verlangen, ihnen zu dienen, ſoll-
te mich wieder geſund und munter ma-
chen.

Jch wagte es, mich auf ihren kleinen
Ritterſitz zu begeben. Jch traf keinen
Reichthum, keinen Ueberfluß da an; aber
Ordnung und Beqvemlichkeit, die von
dem guten Geſchmacke der Beſitzerinn zeug-
ten. Jch fand eine Menge ſchöner Bü-
cher in ihrer beſten Stube. Und ſie war
ſo beſcheiden, daß ſie ſagte, ſie gehörten
ihrem Sohne, da ich doch leicht merken
konnte, daß ſie ihr ſelber zugehörten. Es
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[58/0058] Leben der Schwediſchen ter ihres Gemahls zu meiner und meines Kindes Erhaltung ausgeſetzet hat, ein kleines Landgut hier in dieſem Dorfe ge- kauft, und ich biete es ihnen nicht allein zu ihrem Aufenthalte, ſondern mit dem größten Vergnügen zu ihrem Eigenthume an. Wollte Gott ſie blieben unerkannt bey mir, wie ruhig wollten wir nicht le- ben! Das Verlangen, ihnen zu dienen, ſoll- te mich wieder geſund und munter ma- chen. Jch wagte es, mich auf ihren kleinen Ritterſitz zu begeben. Jch traf keinen Reichthum, keinen Ueberfluß da an; aber Ordnung und Beqvemlichkeit, die von dem guten Geſchmacke der Beſitzerinn zeug- ten. Jch fand eine Menge ſchöner Bü- cher in ihrer beſten Stube. Und ſie war ſo beſcheiden, daß ſie ſagte, ſie gehörten ihrem Sohne, da ich doch leicht merken konnte, daß ſie ihr ſelber zugehörten. Es waren faſt alle die Franzöſiſchen und Schwe-

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/58>, abgerufen am 23.11.2024.