Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G **
fünfte Tag schon da wäre! O warum
muß ich denn ein Schlachtopfer meiner
Feinde werden! Doch es ist eine Schi-
ckung. Jch will meinen Tod mit Stand-
haftigkeit erwarten. Lebt noch einmal
wohl, liebste Gemahlinn. Jch fühle den
Augenblick eine außerordentliche Schwach-
heit in meinem Körper. Vielleicht sterbe
ich noch heute an meinen Wunden. Mein
Feldprediger kömmt. Jch will ihn bit-
ten, daß er euch diesen Brief zustellen
läßt. Faßt euch. Jch liebe euch ewig,
und ich sehe euch in der künftigen Welt
gewiß wieder.

Meinen Schmerz über diese Nachricht
kann ich nicht beschreiben. Die Spra-
chen sind nie ärmer, als wenn man die
gewaltsamen Leidenschaften der Liebe und
des Schmerzes ausdrücken will. Jch
habe alles gesagt, wenn ich gestehe, daß
ich etliche Tage ganz betäubt gewesen bin.
Alle Trostgründe der Religion und der

Ver-
D 2

Gräfinn von G **
fünfte Tag ſchon da wäre! O warum
muß ich denn ein Schlachtopfer meiner
Feinde werden! Doch es iſt eine Schi-
ckung. Jch will meinen Tod mit Stand-
haftigkeit erwarten. Lebt noch einmal
wohl, liebſte Gemahlinn. Jch fühle den
Augenblick eine außerordentliche Schwach-
heit in meinem Körper. Vielleicht ſterbe
ich noch heute an meinen Wunden. Mein
Feldprediger kömmt. Jch will ihn bit-
ten, daß er euch dieſen Brief zuſtellen
läßt. Faßt euch. Jch liebe euch ewig,
und ich ſehe euch in der künftigen Welt
gewiß wieder.

Meinen Schmerz über dieſe Nachricht
kann ich nicht beſchreiben. Die Spra-
chen ſind nie ärmer, als wenn man die
gewaltſamen Leidenſchaften der Liebe und
des Schmerzes ausdrücken will. Jch
habe alles geſagt, wenn ich geſtehe, daß
ich etliche Tage ganz betäubt geweſen bin.
Alle Troſtgründe der Religion und der

Ver-
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>
fünfte Tag &#x017F;chon da wäre! O warum<lb/>
muß ich denn ein Schlachtopfer meiner<lb/>
Feinde werden! Doch es i&#x017F;t eine Schi-<lb/>
ckung. Jch will meinen Tod mit Stand-<lb/>
haftigkeit erwarten. Lebt noch einmal<lb/>
wohl, lieb&#x017F;te Gemahlinn. Jch fühle den<lb/>
Augenblick eine außerordentliche Schwach-<lb/>
heit in meinem Körper. Vielleicht &#x017F;terbe<lb/>
ich noch heute an meinen Wunden. Mein<lb/>
Feldprediger kömmt. Jch will ihn bit-<lb/>
ten, daß er euch die&#x017F;en Brief zu&#x017F;tellen<lb/>
läßt. Faßt euch. Jch liebe euch ewig,<lb/>
und ich &#x017F;ehe euch in der künftigen Welt<lb/>
gewiß wieder.</p><lb/>
        <p>Meinen Schmerz über die&#x017F;e Nachricht<lb/>
kann ich nicht be&#x017F;chreiben. Die Spra-<lb/>
chen &#x017F;ind nie ärmer, als wenn man die<lb/>
gewalt&#x017F;amen Leiden&#x017F;chaften der Liebe und<lb/>
des Schmerzes ausdrücken will. Jch<lb/>
habe alles ge&#x017F;agt, wenn ich ge&#x017F;tehe, daß<lb/>
ich etliche Tage ganz betäubt gewe&#x017F;en bin.<lb/>
Alle Tro&#x017F;tgründe der Religion und der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0051] Gräfinn von G ** fünfte Tag ſchon da wäre! O warum muß ich denn ein Schlachtopfer meiner Feinde werden! Doch es iſt eine Schi- ckung. Jch will meinen Tod mit Stand- haftigkeit erwarten. Lebt noch einmal wohl, liebſte Gemahlinn. Jch fühle den Augenblick eine außerordentliche Schwach- heit in meinem Körper. Vielleicht ſterbe ich noch heute an meinen Wunden. Mein Feldprediger kömmt. Jch will ihn bit- ten, daß er euch dieſen Brief zuſtellen läßt. Faßt euch. Jch liebe euch ewig, und ich ſehe euch in der künftigen Welt gewiß wieder. Meinen Schmerz über dieſe Nachricht kann ich nicht beſchreiben. Die Spra- chen ſind nie ärmer, als wenn man die gewaltſamen Leidenſchaften der Liebe und des Schmerzes ausdrücken will. Jch habe alles geſagt, wenn ich geſtehe, daß ich etliche Tage ganz betäubt geweſen bin. Alle Troſtgründe der Religion und der Ver- D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/51
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/51>, abgerufen am 27.04.2024.