[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** nem sechzehnten Jahre nicht wenigstensein Dutzend Liebeshändel zählen konnte. Doch ich kann mir nicht helfen. Es mag nun zu meinem Ruhme, oder zu meiner Schande gereichen: so kann man sich dar- auf verlassen, daß ich noch nie geliebet hat- te, ob ich gleich mit vielen jungen Manns- personen umgegangen war. Nunmehr aber fieng mein Herz auf einmal an zu em- pfinden. Mein Graf war zwar auf et- liche vierzig Meilen von mir entfernt; al- lein die Liebe machte mir ihn gegenwärtig. Wo ich stand, da war er bey mir. Es war nichts schöners, nichts vollkomm- ners, als er. Jch wünschte nichts als ihn. Jch fieng oft mit ihm an zu reden. Er erwies mir in meinen Gedanken aller- hand Liebkosungen, und ich weigerte mich mit einer verschämten Art, sie anzu- nehmen. Vielen wird dieses lächerlich vorkommen, und ich habe nicht viel dar- wider einzuwenden. Eine unschuldige, eine recht zärtliche Braut ist in der That eine
Gräfinn von G ** nem ſechzehnten Jahre nicht wenigſtensein Dutzend Liebeshändel zählen konnte. Doch ich kann mir nicht helfen. Es mag nun zu meinem Ruhme, oder zu meiner Schande gereichen: ſo kann man ſich dar- auf verlaſſen, daß ich noch nie geliebet hat- te, ob ich gleich mit vielen jungen Manns- perſonen umgegangen war. Nunmehr aber fieng mein Herz auf einmal an zu em- pfinden. Mein Graf war zwar auf et- liche vierzig Meilen von mir entfernt; al- lein die Liebe machte mir ihn gegenwärtig. Wo ich ſtand, da war er bey mir. Es war nichts ſchöners, nichts vollkomm- ners, als er. Jch wünſchte nichts als ihn. Jch fieng oft mit ihm an zu reden. Er erwies mir in meinen Gedanken aller- hand Liebkoſungen, und ich weigerte mich mit einer verſchämten Art, ſie anzu- nehmen. Vielen wird dieſes lächerlich vorkommen, und ich habe nicht viel dar- wider einzuwenden. Eine unſchuldige, eine recht zärtliche Braut iſt in der That eine
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Gräfinn von G **
nem ſechzehnten Jahre nicht wenigſtens
ein Dutzend Liebeshändel zählen konnte.
Doch ich kann mir nicht helfen. Es mag
nun zu meinem Ruhme, oder zu meiner
Schande gereichen: ſo kann man ſich dar-
auf verlaſſen, daß ich noch nie geliebet hat-
te, ob ich gleich mit vielen jungen Manns-
perſonen umgegangen war. Nunmehr
aber fieng mein Herz auf einmal an zu em-
pfinden. Mein Graf war zwar auf et-
liche vierzig Meilen von mir entfernt; al-
lein die Liebe machte mir ihn gegenwärtig.
Wo ich ſtand, da war er bey mir. Es
war nichts ſchöners, nichts vollkomm-
ners, als er. Jch wünſchte nichts als
ihn. Jch fieng oft mit ihm an zu reden.
Er erwies mir in meinen Gedanken aller-
hand Liebkoſungen, und ich weigerte
mich mit einer verſchämten Art, ſie anzu-
nehmen. Vielen wird dieſes lächerlich
vorkommen, und ich habe nicht viel dar-
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Zitationshilfe: | [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/15>, abgerufen am 16.02.2025. |