[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** daß er der Herr davon war. Andreas,der die See stets in Gedanken hatte, hörte ihnen begierig zu. Nur mir ward die Zeit zu lang. Jch trat daher mit meinem Manne auf die Seite, und bat ihn, daß er wieder zurück fahren möchte. Da ich noch mit ihm rede, so kömmt einer von den Passagiern auf mich zugesprungen, um- armet mich, und ruft: Ja, ja, sie sind es, ich habe meinen Augen nicht trauen wol- len; aber sie sind meine liebe Gemahlinn. Er drückte mich einige Minuten so fest an sich, daß ich nicht sehen konnte, wer mir diese Zärtlichkeit erwies. Das Schrecken kam darzu, und ich glaubte nicht anders, als daß ein unsinnig Verliebter mich ange- fallen hätte. Aber ach Himmel, wen sah ich endlich in meinen Armen! Mei- nen Grafen in Russischer Kleidung, mei- nen ersten Mann, den ich zehn Jahr für todt gehalten hatte. Jch kann nicht sagen, wie mir ward. So viel weis ich, daß ich kein Wort aufbringen konnte. Mein Graf J 3
Gräfinn von G ** daß er der Herr davon war. Andreas,der die See ſtets in Gedanken hatte, hörte ihnen begierig zu. Nur mir ward die Zeit zu lang. Jch trat daher mit meinem Manne auf die Seite, und bat ihn, daß er wieder zurück fahren möchte. Da ich noch mit ihm rede, ſo kömmt einer von den Paſſagiern auf mich zugeſprungen, um- armet mich, und ruft: Ja, ja, ſie ſind es, ich habe meinen Augen nicht trauen wol- len; aber ſie ſind meine liebe Gemahlinn. Er drückte mich einige Minuten ſo feſt an ſich, daß ich nicht ſehen konnte, wer mir dieſe Zärtlichkeit erwies. Das Schrecken kam darzu, und ich glaubte nicht anders, als daß ein unſinnig Verliebter mich ange- fallen hätte. Aber ach Himmel, wen ſah ich endlich in meinen Armen! Mei- nen Grafen in Ruſſiſcher Kleidung, mei- nen erſten Mann, den ich zehn Jahr für todt gehalten hatte. Jch kann nicht ſagen, wie mir ward. So viel weis ich, daß ich kein Wort aufbringen konnte. Mein Graf J 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="133"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/> daß er der Herr davon war. Andreas,<lb/> der die See ſtets in Gedanken hatte, hörte<lb/> ihnen begierig zu. Nur mir ward die<lb/> Zeit zu lang. Jch trat daher mit meinem<lb/> Manne auf die Seite, und bat ihn, daß<lb/> er wieder zurück fahren möchte. Da ich<lb/> noch mit ihm rede, ſo kömmt einer von den<lb/> Paſſagiern auf mich zugeſprungen, um-<lb/> armet mich, und ruft: Ja, ja, ſie ſind es,<lb/> ich habe meinen Augen nicht trauen wol-<lb/> len; aber ſie ſind meine liebe Gemahlinn.<lb/> Er drückte mich einige Minuten ſo feſt<lb/> an ſich, daß ich nicht ſehen konnte, wer mir<lb/> dieſe Zärtlichkeit erwies. Das Schrecken<lb/> kam darzu, und ich glaubte nicht anders,<lb/> als daß ein unſinnig Verliebter mich ange-<lb/> fallen hätte. Aber ach Himmel, wen<lb/> ſah ich endlich in meinen Armen! Mei-<lb/> nen Grafen in Ruſſiſcher Kleidung, mei-<lb/> nen erſten Mann, den ich zehn Jahr für<lb/> todt gehalten hatte. Jch kann nicht ſagen,<lb/> wie mir ward. So viel weis ich, daß ich<lb/> kein Wort aufbringen konnte. Mein<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Graf</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0133]
Gräfinn von G **
daß er der Herr davon war. Andreas,
der die See ſtets in Gedanken hatte, hörte
ihnen begierig zu. Nur mir ward die
Zeit zu lang. Jch trat daher mit meinem
Manne auf die Seite, und bat ihn, daß
er wieder zurück fahren möchte. Da ich
noch mit ihm rede, ſo kömmt einer von den
Paſſagiern auf mich zugeſprungen, um-
armet mich, und ruft: Ja, ja, ſie ſind es,
ich habe meinen Augen nicht trauen wol-
len; aber ſie ſind meine liebe Gemahlinn.
Er drückte mich einige Minuten ſo feſt
an ſich, daß ich nicht ſehen konnte, wer mir
dieſe Zärtlichkeit erwies. Das Schrecken
kam darzu, und ich glaubte nicht anders,
als daß ein unſinnig Verliebter mich ange-
fallen hätte. Aber ach Himmel, wen
ſah ich endlich in meinen Armen! Mei-
nen Grafen in Ruſſiſcher Kleidung, mei-
nen erſten Mann, den ich zehn Jahr für
todt gehalten hatte. Jch kann nicht ſagen,
wie mir ward. So viel weis ich, daß ich
kein Wort aufbringen konnte. Mein
Graf
J 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/133 |
Zitationshilfe: | [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/133>, abgerufen am 04.07.2024. |