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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Gräfinn von G **
Schlummer, und in etlichen Stunden
darauf war sie todt.

Mir gieng es, wie denen Leuten, die in
einer Gefahr heftig verwundet werden,
und es doch nicht eher fühlen, bis sie aus der
Gefahr sind. So bald Mariane todt war,
so gieng erst meine Marter an. Jch hät-
te mir lieber die Schuld von ihrem Tode
beygemessen, weil ich dieselbe Nacht nicht
genauer auf sie Achtung gegeben hatte.
Allein welche menschliche Klugheit kann
alles voraus sehen! Jch hatte Marianen
in der That zur Heyrath mit Dormunden
gerathen. Jch sah, daß dieser Mann
Schuld an ihrem Selbstmorde war. Jch
dachte an Marianens Schicksal in der an-
dern Welt. Und ich würde noch tausend-
mal mehr ausgestanden haben, wenn mir
die Liebe zu Marianen verstattet hätte, sie
für unglücklich zu halten. Jhre Mutter
war noch weit gelassener, als ich. Jch
weis nicht, wem sie ihren Beystand zu

danken

Gräfinn von G **
Schlummer, und in etlichen Stunden
darauf war ſie todt.

Mir gieng es, wie denen Leuten, die in
einer Gefahr heftig verwundet werden,
und es doch nicht eher fühlen, bis ſie aus der
Gefahr ſind. So bald Mariane todt war,
ſo gieng erſt meine Marter an. Jch hät-
te mir lieber die Schuld von ihrem Tode
beygemeſſen, weil ich dieſelbe Nacht nicht
genauer auf ſie Achtung gegeben hatte.
Allein welche menſchliche Klugheit kann
alles voraus ſehen! Jch hatte Marianen
in der That zur Heyrath mit Dormunden
gerathen. Jch ſah, daß dieſer Mann
Schuld an ihrem Selbſtmorde war. Jch
dachte an Marianens Schickſal in der an-
dern Welt. Und ich würde noch tauſend-
mal mehr ausgeſtanden haben, wenn mir
die Liebe zu Marianen verſtattet hätte, ſie
für unglücklich zu halten. Jhre Mutter
war noch weit gelaſſener, als ich. Jch
weis nicht, wem ſie ihren Beyſtand zu

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[125/0125] Gräfinn von G ** Schlummer, und in etlichen Stunden darauf war ſie todt. Mir gieng es, wie denen Leuten, die in einer Gefahr heftig verwundet werden, und es doch nicht eher fühlen, bis ſie aus der Gefahr ſind. So bald Mariane todt war, ſo gieng erſt meine Marter an. Jch hät- te mir lieber die Schuld von ihrem Tode beygemeſſen, weil ich dieſelbe Nacht nicht genauer auf ſie Achtung gegeben hatte. Allein welche menſchliche Klugheit kann alles voraus ſehen! Jch hatte Marianen in der That zur Heyrath mit Dormunden gerathen. Jch ſah, daß dieſer Mann Schuld an ihrem Selbſtmorde war. Jch dachte an Marianens Schickſal in der an- dern Welt. Und ich würde noch tauſend- mal mehr ausgeſtanden haben, wenn mir die Liebe zu Marianen verſtattet hätte, ſie für unglücklich zu halten. Jhre Mutter war noch weit gelaſſener, als ich. Jch weis nicht, wem ſie ihren Beyſtand zu danken

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/125>, abgerufen am 25.11.2024.