Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Arresten/ Bürgen/ Urtheilen und Straffen.
ungewissen Ausgang der Sache die Straffe noch zweiffelhafft und
willkührlich/ daß sie zu Leib und Leben oder schweren Geld-Bussen er-
strecket werden möchte/ oder der Verwundete etwan noch nicht ausser
Lebens Gefahr/ alsdann mögen Richter der Flucht des Beschuldigten
mit Verhafft zuvor kommen/ auff daß nicht durch ihre Versäumniß-
Schuld des Gerichtes Lauff zerstört und verspottet werde; Ein
Flucht-verdächtiger Beklagter aber/ auch in Geld-Buß fälligen La-
stern/ der keinen Bürgen hat/ mag gefänglich eingezogen werden/ und
so fern er sich versteckt/ mögen ihn die Häscher ergreiffen/ auch in seinem
Hause/ gleich denen/ die Armuth wegen Geld-Straffe meiden und am
Leibe leiden.

Tot. Tit. ff. de cust. reor. L. 1. ff. & Auth. hodie Eod. L. 1. ff. an per alium causa
appellat.

§. 16. So dann jemand einer Ubelthat durch gemeinen LeumuthLeumuths Ver-
dacht und An-
zeigen Recht.

berüchtiget/ oder andere genugsame verdächtigen Argwohns Anzeigen
vorhanden/ also/ und nicht widrigen Falls/ mag er durch die Obrigkeit
von Amts wegen ergriffen/ angenommen und zur Gefängniß gebracht
werden. Auff daß dadurch niemanden an seinen Ehren Nachtheil ge-
schehe/ gilt auch Gesetzes Freyheit/ wegen nicht Ausziehung des Be-
klagten aus seinem Hause in keinen Verbrechen/ daß jedoch mit sol-
chem Angriff etwa durch die Obrigkeit nicht allzugeschwind und gar
unbedachtsam gehandelt werde/ welches sich nicht geziemet; welche
Anzeigungen aber zur sonderbaren Nachforschung genügen/ die mö-Verhafft und
Nachfor-
schungs gülti-
ge Anzeigen.

gen auch zur gefänglichen Hafft gültig seyn/ weilen diese zu jener das
Vorspiel und ersten Anfang zu machen pflegt. So gilt nun Anzeigung/
Flucht/ böser Leumuth/ Bedrohung/ Feindschafft/ eines Mannes Zeug-
niß/ aussergerichtliche Bekäntniß und dergleichen.

L. 1. §. ult. ff. de poen. L. 2. & 3. C. de Exhib. reor. L. 18. ff. de in jus vocando. P.
H O. art. 218.

§. 17. Wann nun jemand/ einer Ubelthat wegen beschreyet/ mit der
Flucht sich berathet/ so mag er freylich ungehindert ergriffen und ge-
fangen genommen werden/ zu dem Ende dann von jeder Obrigkeit
die Bedienten mit offenen Steck-Brieffen an andern Orts Obrigkei-Steck-Brieffe
Gebrauchs
Recht.

ten pflegen abgefertigt zu werden/ allenthalben damit zu ersuchen/ daß
der flüchtige Thäter auff deren Zulassung/ allwo er nur zu finden/ mö-
ge angegriffen werden/ worinn billig wegen der Anzeigen Richters
Willkühr nicht auszuschliessen/ welcher so wohl der Personen als Ver-Richters Will-
kühr wegen
Anzeigen.

brechen Umstände Beschaffenheit und alle Muthmassungen mit Be-
scheidenheit besser und reifflich erwegen kan.

§. 18. Wann

Von Arreſten/ Buͤrgen/ Urtheilen und Straffen.
ungewiſſen Ausgang der Sache die Straffe noch zweiffelhafft und
willkuͤhrlich/ daß ſie zu Leib und Leben oder ſchweren Geld-Buſſen er-
ſtrecket werden moͤchte/ oder der Verwundete etwan noch nicht auſſer
Lebens Gefahr/ alsdann moͤgen Richter der Flucht des Beſchuldigten
mit Verhafft zuvor kommen/ auff daß nicht durch ihre Verſaͤumniß-
Schuld des Gerichtes Lauff zerſtoͤrt und verſpottet werde; Ein
Flucht-verdaͤchtiger Beklagter aber/ auch in Geld-Buß faͤlligen La-
ſtern/ der keinen Buͤrgen hat/ mag gefaͤnglich eingezogen werden/ und
ſo fern er ſich verſteckt/ moͤgen ihn die Haͤſcher ergreiffen/ auch in ſeinem
Hauſe/ gleich denen/ die Armuth wegen Geld-Straffe meiden und am
Leibe leiden.

Tot. Tit. ff. de cuſt. reor. L. 1. ff. & Auth. hodie Eod. L. 1. ff. an per alium cauſa
appellat.

§. 16. So dann jemand einer Ubelthat durch gemeinen LeumuthLeumuths Ver-
dacht und An-
zeigen Recht.

beruͤchtiget/ oder andere genugſame verdaͤchtigen Argwohns Anzeigen
vorhanden/ alſo/ und nicht widrigen Falls/ mag er durch die Obrigkeit
von Amts wegen ergriffen/ angenommen und zur Gefaͤngniß gebracht
werden. Auff daß dadurch niemanden an ſeinen Ehren Nachtheil ge-
ſchehe/ gilt auch Geſetzes Freyheit/ wegen nicht Ausziehung des Be-
klagten aus ſeinem Hauſe in keinen Verbrechen/ daß jedoch mit ſol-
chem Angriff etwa durch die Obrigkeit nicht allzugeſchwind und gar
unbedachtſam gehandelt werde/ welches ſich nicht geziemet; welche
Anzeigungen aber zur ſonderbaren Nachforſchung genuͤgen/ die moͤ-Verhafft und
Nachfor-
ſchungs guͤlti-
ge Anzeigen.

gen auch zur gefaͤnglichen Hafft guͤltig ſeyn/ weilen dieſe zu jener das
Vorſpiel und erſten Anfang zu machen pflegt. So gilt nun Anzeigung/
Flucht/ boͤſer Leumuth/ Bedrohung/ Feindſchafft/ eines Mannes Zeug-
niß/ auſſergerichtliche Bekaͤntniß und dergleichen.

L. 1. §. ult. ff. de pœn. L. 2. & 3. C. de Exhib. reor. L. 18. ff. de in jus vocando. P.
H O. art. 218.

§. 17. Wann nun jemand/ einer Ubelthat wegen beſchreyet/ mit der
Flucht ſich berathet/ ſo mag er freylich ungehindert ergriffen und ge-
fangen genommen werden/ zu dem Ende dann von jeder Obrigkeit
die Bedienten mit offenen Steck-Brieffen an andern Orts Obrigkei-Steck-Brieffe
Gebrauchs
Recht.

ten pflegen abgefertigt zu werden/ allenthalben damit zu erſuchen/ daß
der fluͤchtige Thaͤter auff deren Zulaſſung/ allwo er nur zu finden/ moͤ-
ge angegriffen werden/ worinn billig wegen der Anzeigen Richters
Willkuͤhr nicht auszuſchlieſſen/ welcher ſo wohl der Perſonen als Ver-Richters Will-
kuͤhr wegen
Anzeigen.

brechen Umſtaͤnde Beſchaffenheit und alle Muthmaſſungen mit Be-
ſcheidenheit beſſer und reifflich erwegen kan.

§. 18. Wann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von <hi rendition="#aq">Arre&#x017F;t</hi>en/ Bu&#x0364;rgen/ Urtheilen und Straffen.</hi></fw><lb/>
ungewi&#x017F;&#x017F;en Ausgang der Sache die Straffe noch zweiffelhafft und<lb/>
willku&#x0364;hrlich/ daß &#x017F;ie zu Leib und Leben oder &#x017F;chweren Geld-Bu&#x017F;&#x017F;en er-<lb/>
&#x017F;trecket werden mo&#x0364;chte/ oder der Verwundete etwan noch nicht au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Lebens Gefahr/ alsdann mo&#x0364;gen Richter der Flucht des Be&#x017F;chuldigten<lb/>
mit Verhafft zuvor kommen/ auff daß nicht durch ihre Ver&#x017F;a&#x0364;umniß-<lb/>
Schuld des Gerichtes Lauff zer&#x017F;to&#x0364;rt und ver&#x017F;pottet werde; Ein<lb/>
Flucht-verda&#x0364;chtiger Beklagter aber/ auch in Geld-Buß fa&#x0364;lligen La-<lb/>
&#x017F;tern/ der keinen Bu&#x0364;rgen hat/ mag gefa&#x0364;nglich eingezogen werden/ und<lb/>
&#x017F;o fern er &#x017F;ich ver&#x017F;teckt/ mo&#x0364;gen ihn die Ha&#x0364;&#x017F;cher ergreiffen/ auch in &#x017F;einem<lb/>
Hau&#x017F;e/ gleich denen/ die Armuth wegen Geld-Straffe meiden und am<lb/>
Leibe leiden.</p><lb/>
          <list>
            <item> <hi rendition="#aq">Tot. Tit. ff. de cu&#x017F;t. reor. L. 1. ff. &amp; Auth. hodie Eod. L. 1. ff. an per alium cau&#x017F;a<lb/>
appellat.</hi> </item>
          </list><lb/>
          <p>§. 16. So dann jemand einer Ubelthat durch gemeinen Leumuth<note place="right">Leumuths Ver-<lb/>
dacht und An-<lb/>
zeigen Recht.</note><lb/>
beru&#x0364;chtiget/ oder andere genug&#x017F;ame verda&#x0364;chtigen Argwohns Anzeigen<lb/>
vorhanden/ al&#x017F;o/ und nicht widrigen Falls/ mag er durch die Obrigkeit<lb/>
von Amts wegen ergriffen/ angenommen und zur Gefa&#x0364;ngniß gebracht<lb/>
werden. Auff daß dadurch niemanden an &#x017F;einen Ehren Nachtheil ge-<lb/>
&#x017F;chehe/ gilt auch Ge&#x017F;etzes Freyheit/ wegen nicht Ausziehung des Be-<lb/>
klagten aus &#x017F;einem Hau&#x017F;e in keinen Verbrechen/ daß jedoch mit &#x017F;ol-<lb/>
chem Angriff etwa durch die Obrigkeit nicht allzuge&#x017F;chwind und gar<lb/>
unbedacht&#x017F;am gehandelt werde/ welches &#x017F;ich nicht geziemet; welche<lb/>
Anzeigungen aber zur &#x017F;onderbaren Nachfor&#x017F;chung genu&#x0364;gen/ die mo&#x0364;-<note place="right">Verhafft und<lb/>
Nachfor-<lb/>
&#x017F;chungs gu&#x0364;lti-<lb/>
ge Anzeigen.</note><lb/>
gen auch zur gefa&#x0364;nglichen Hafft gu&#x0364;ltig &#x017F;eyn/ weilen die&#x017F;e zu jener das<lb/>
Vor&#x017F;piel und er&#x017F;ten Anfang zu machen pflegt. So gilt nun Anzeigung/<lb/>
Flucht/ bo&#x0364;&#x017F;er Leumuth/ Bedrohung/ Feind&#x017F;chafft/ eines Mannes Zeug-<lb/>
niß/ au&#x017F;&#x017F;ergerichtliche Beka&#x0364;ntniß und dergleichen.</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">L. 1. §. ult. ff. de p&#x0153;n. L. 2. &amp; 3. C. de Exhib. reor. L. 18. ff. de in jus vocando.</hi> P.<lb/>
H O. <hi rendition="#aq">art.</hi> 218.</item>
          </list><lb/>
          <p>§. 17. Wann nun jemand/ einer Ubelthat wegen be&#x017F;chreyet/ mit der<lb/>
Flucht &#x017F;ich berathet/ &#x017F;o mag er freylich ungehindert ergriffen und ge-<lb/>
fangen genommen werden/ zu dem Ende dann von jeder Obrigkeit<lb/>
die Bedienten mit offenen Steck-Brieffen an andern Orts Obrigkei-<note place="right">Steck-Brieffe<lb/>
Gebrauchs<lb/>
Recht.</note><lb/>
ten pflegen abgefertigt zu werden/ allenthalben damit zu er&#x017F;uchen/ daß<lb/>
der flu&#x0364;chtige Tha&#x0364;ter auff deren Zula&#x017F;&#x017F;ung/ allwo er nur zu finden/ mo&#x0364;-<lb/>
ge angegriffen werden/ worinn billig wegen der Anzeigen Richters<lb/>
Willku&#x0364;hr nicht auszu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ welcher &#x017F;o wohl der Per&#x017F;onen als Ver-<note place="right">Richters Will-<lb/>
ku&#x0364;hr wegen<lb/>
Anzeigen.</note><lb/>
brechen Um&#x017F;ta&#x0364;nde Be&#x017F;chaffenheit und alle Muthma&#x017F;&#x017F;ungen mit Be-<lb/>
&#x017F;cheidenheit be&#x017F;&#x017F;er und reifflich erwegen kan.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 18. Wann</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0094] Von Arreſten/ Buͤrgen/ Urtheilen und Straffen. ungewiſſen Ausgang der Sache die Straffe noch zweiffelhafft und willkuͤhrlich/ daß ſie zu Leib und Leben oder ſchweren Geld-Buſſen er- ſtrecket werden moͤchte/ oder der Verwundete etwan noch nicht auſſer Lebens Gefahr/ alsdann moͤgen Richter der Flucht des Beſchuldigten mit Verhafft zuvor kommen/ auff daß nicht durch ihre Verſaͤumniß- Schuld des Gerichtes Lauff zerſtoͤrt und verſpottet werde; Ein Flucht-verdaͤchtiger Beklagter aber/ auch in Geld-Buß faͤlligen La- ſtern/ der keinen Buͤrgen hat/ mag gefaͤnglich eingezogen werden/ und ſo fern er ſich verſteckt/ moͤgen ihn die Haͤſcher ergreiffen/ auch in ſeinem Hauſe/ gleich denen/ die Armuth wegen Geld-Straffe meiden und am Leibe leiden. Tot. Tit. ff. de cuſt. reor. L. 1. ff. & Auth. hodie Eod. L. 1. ff. an per alium cauſa appellat. §. 16. So dann jemand einer Ubelthat durch gemeinen Leumuth beruͤchtiget/ oder andere genugſame verdaͤchtigen Argwohns Anzeigen vorhanden/ alſo/ und nicht widrigen Falls/ mag er durch die Obrigkeit von Amts wegen ergriffen/ angenommen und zur Gefaͤngniß gebracht werden. Auff daß dadurch niemanden an ſeinen Ehren Nachtheil ge- ſchehe/ gilt auch Geſetzes Freyheit/ wegen nicht Ausziehung des Be- klagten aus ſeinem Hauſe in keinen Verbrechen/ daß jedoch mit ſol- chem Angriff etwa durch die Obrigkeit nicht allzugeſchwind und gar unbedachtſam gehandelt werde/ welches ſich nicht geziemet; welche Anzeigungen aber zur ſonderbaren Nachforſchung genuͤgen/ die moͤ- gen auch zur gefaͤnglichen Hafft guͤltig ſeyn/ weilen dieſe zu jener das Vorſpiel und erſten Anfang zu machen pflegt. So gilt nun Anzeigung/ Flucht/ boͤſer Leumuth/ Bedrohung/ Feindſchafft/ eines Mannes Zeug- niß/ auſſergerichtliche Bekaͤntniß und dergleichen. Leumuths Ver- dacht und An- zeigen Recht. Verhafft und Nachfor- ſchungs guͤlti- ge Anzeigen. L. 1. §. ult. ff. de pœn. L. 2. & 3. C. de Exhib. reor. L. 18. ff. de in jus vocando. P. H O. art. 218. §. 17. Wann nun jemand/ einer Ubelthat wegen beſchreyet/ mit der Flucht ſich berathet/ ſo mag er freylich ungehindert ergriffen und ge- fangen genommen werden/ zu dem Ende dann von jeder Obrigkeit die Bedienten mit offenen Steck-Brieffen an andern Orts Obrigkei- ten pflegen abgefertigt zu werden/ allenthalben damit zu erſuchen/ daß der fluͤchtige Thaͤter auff deren Zulaſſung/ allwo er nur zu finden/ moͤ- ge angegriffen werden/ worinn billig wegen der Anzeigen Richters Willkuͤhr nicht auszuſchlieſſen/ welcher ſo wohl der Perſonen als Ver- brechen Umſtaͤnde Beſchaffenheit und alle Muthmaſſungen mit Be- ſcheidenheit beſſer und reifflich erwegen kan. Steck-Brieffe Gebrauchs Recht. Richters Will- kuͤhr wegen Anzeigen. §. 18. Wann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/94
Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/94>, abgerufen am 10.05.2024.