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Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

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VI. Buch/ Cap. I.
verdunckelt werden/ ja wer wohl gebieten will und soll/ der muß zuvor
wohl gehorchen lernen.

L. 13. §. 4. L. 6. §. 1. ff. de re mil. C. 1. X. de postul. Prael. Gloss. in L. 5. C. de pe-
ric. tut.
Soldaten Ver-
brechen Straff
Recht.

§. 7. Jnsgemein heist es zwar bey geringem Verbrechen: all-
wo kein Kläger/ da ist kein Richter; wann aber starcke Vermuthun-
gen vorhanden/ und das gemeine Geschrey von jemanden/ wegen einer
begangenen Straff-würdigen Ubelthat da ist/ sollen alle Kriegs- und
bürgerlichen Standes Richtere/ von sich selbst und Amts wegen/ ob
schon niemand klaget/ die Thäter verfolgen/ greiffen und gebührend ab-
straffen; so fern anders die Unthat erweißlich/ weilen der Richter zu-
vor der Ubelthat gewiß seyn muß/ daß sie begangen/ ehe dann er Urtheil
fällen kan. Wann nun ein Soldat wegen Ubelthat beschreyet/ und
keine Nachricht oder Zeugen/ jedoch genugsame Anzeigungen vorhan-
den sind/ daß nichts als Thäters Bekäntniß ermangelt/ auch dafern
er Hülffe gehabt/ seine Mit-Gesellen nicht angeben will/ absonderlich
in groben schwehren Verbrechen/ als: Verrätherey/ Mord/ Strassen-
Raub und dergleichen; dadurch jederman seine Freyheit verliehret/ so
mag man ihn wohl foltern.

L. 2. C. de Exhib. vel rel. reis. Nov. 128. c. 21. P. H. O. art. 214. 215.
Soldaten fol-
tern recht.

§. 8. Ja/ weilen auch die Gesetze keinen Straff-würdigen U-
belthäter schützen/ so lassen sie wohl zu/ einen Soldaten zu foltern/ wann
er aber unschuldig gefoltert/ wird er dadurch nicht Ehr-loß/ sondern ist
billich/ zu mehrern Ehr-Erstattung/ die gebräuchliche Ceremonie/ die
Fahne über ihn zu schwengen; wer aber also unter Scharffrichters
Hände gewesen/ daß er einmahl zum Schelmen verurtheilet/ soll im La-
ger oder Vestung nicht mehr gelitten werden/ er sey dann vom Landes-
Herrn an vorigen Ehren ergäntzet.

L. 22. ff. & L. 14. C. de infam. jur. L. solet, 10. ff. de infam. jur.
Dieberey in
Hungersnoth
wie zugelassen.

§. 9. Alle Missethaten werden mehr an einem Soldaten als
andern gestrafft/ ist auch einem Soldaten nichts übel anständiger als
Dieberey/ darum Belisarius einen hencken lassen/ daß er ein Huhn ge-
stohlen; jedoch mag ein Soldat in Hungers-Noth seinen Hunger zu
stillen/ nicht aber mehr als zur Nothdurfft/ für sich und die Seinigen/
an Speise-Waaren wohl zugreiffen; bestiehlet er aber einen/ den
gleiche Noth drücket/ ist er gewöhnlich zu straffen. Ja/ alle öffentli-
che und sonderbahre Gewalt/ aus eigener Macht/ durch Befehlshaber
oder gemeine Soldaten/ an Hohen oder Privat-Personen/ und beson-

dern

VI. Buch/ Cap. I.
verdunckelt werden/ ja wer wohl gebieten will und ſoll/ der muß zuvor
wohl gehorchen lernen.

L. 13. §. 4. L. 6. §. 1. ff. de re mil. C. 1. X. de poſtul. Præl. Gloſſ. in L. 5. C. de pe-
ric. tut.
Soldaten Veꝛ-
brechen Straff
Recht.

§. 7. Jnsgemein heiſt es zwar bey geringem Verbrechen: all-
wo kein Klaͤger/ da iſt kein Richter; wann aber ſtarcke Vermuthun-
gen vorhanden/ und das gemeine Geſchrey von jemanden/ wegen einer
begangenen Straff-wuͤrdigen Ubelthat da iſt/ ſollen alle Kriegs- und
buͤrgerlichen Standes Richtere/ von ſich ſelbſt und Amts wegen/ ob
ſchon niemand klaget/ die Thaͤter verfolgen/ greiffen und gebuͤhrend ab-
ſtraffen; ſo fern anders die Unthat erweißlich/ weilen der Richter zu-
vor der Ubelthat gewiß ſeyn muß/ daß ſie begangen/ ehe dann er Urtheil
faͤllen kan. Wann nun ein Soldat wegen Ubelthat beſchreyet/ und
keine Nachricht oder Zeugen/ jedoch genugſame Anzeigungen vorhan-
den ſind/ daß nichts als Thaͤters Bekaͤntniß ermangelt/ auch dafern
er Huͤlffe gehabt/ ſeine Mit-Geſellen nicht angeben will/ abſonderlich
in groben ſchwehren Verbrechen/ als: Verraͤtherey/ Mord/ Straſſen-
Raub und dergleichen; dadurch jederman ſeine Freyheit verliehret/ ſo
mag man ihn wohl foltern.

L. 2. C. de Exhib. vel rel. reis. Nov. 128. c. 21. P. H. O. art. 214. 215.
Soldaten fol-
tern recht.

§. 8. Ja/ weilen auch die Geſetze keinen Straff-wuͤrdigen U-
belthaͤter ſchuͤtzen/ ſo laſſen ſie wohl zu/ einen Soldaten zu foltern/ wann
er aber unſchuldig gefoltert/ wird er dadurch nicht Ehr-loß/ ſondern iſt
billich/ zu mehrern Ehr-Erſtattung/ die gebraͤuchliche Ceremonie/ die
Fahne uͤber ihn zu ſchwengen; wer aber alſo unter Scharffrichters
Haͤnde geweſen/ daß er einmahl zum Schelmen verurtheilet/ ſoll im La-
ger oder Veſtung nicht mehr gelitten werden/ er ſey dann vom Landes-
Herrn an vorigen Ehren ergaͤntzet.

L. 22. ff. & L. 14. C. de infam. jur. L. ſolet, 10. ff. de infam. jur.
Dieberey in
Hungersnoth
wie zugelaſſen.

§. 9. Alle Miſſethaten werden mehr an einem Soldaten als
andern geſtrafft/ iſt auch einem Soldaten nichts uͤbel anſtaͤndiger als
Dieberey/ darum Beliſarius einen hencken laſſen/ daß er ein Huhn ge-
ſtohlen; jedoch mag ein Soldat in Hungers-Noth ſeinen Hunger zu
ſtillen/ nicht aber mehr als zur Nothdurfft/ fuͤr ſich und die Seinigen/
an Speiſe-Waaren wohl zugreiffen; beſtiehlet er aber einen/ den
gleiche Noth druͤcket/ iſt er gewoͤhnlich zu ſtraffen. Ja/ alle oͤffentli-
che und ſonderbahre Gewalt/ aus eigener Macht/ durch Befehlshaber
oder gemeine Soldaten/ an Hohen oder Privat-Perſonen/ und beſon-

dern
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[690/0697] VI. Buch/ Cap. I. verdunckelt werden/ ja wer wohl gebieten will und ſoll/ der muß zuvor wohl gehorchen lernen. L. 13. §. 4. L. 6. §. 1. ff. de re mil. C. 1. X. de poſtul. Præl. Gloſſ. in L. 5. C. de pe- ric. tut. §. 7. Jnsgemein heiſt es zwar bey geringem Verbrechen: all- wo kein Klaͤger/ da iſt kein Richter; wann aber ſtarcke Vermuthun- gen vorhanden/ und das gemeine Geſchrey von jemanden/ wegen einer begangenen Straff-wuͤrdigen Ubelthat da iſt/ ſollen alle Kriegs- und buͤrgerlichen Standes Richtere/ von ſich ſelbſt und Amts wegen/ ob ſchon niemand klaget/ die Thaͤter verfolgen/ greiffen und gebuͤhrend ab- ſtraffen; ſo fern anders die Unthat erweißlich/ weilen der Richter zu- vor der Ubelthat gewiß ſeyn muß/ daß ſie begangen/ ehe dann er Urtheil faͤllen kan. Wann nun ein Soldat wegen Ubelthat beſchreyet/ und keine Nachricht oder Zeugen/ jedoch genugſame Anzeigungen vorhan- den ſind/ daß nichts als Thaͤters Bekaͤntniß ermangelt/ auch dafern er Huͤlffe gehabt/ ſeine Mit-Geſellen nicht angeben will/ abſonderlich in groben ſchwehren Verbrechen/ als: Verraͤtherey/ Mord/ Straſſen- Raub und dergleichen; dadurch jederman ſeine Freyheit verliehret/ ſo mag man ihn wohl foltern. L. 2. C. de Exhib. vel rel. reis. Nov. 128. c. 21. P. H. O. art. 214. 215. §. 8. Ja/ weilen auch die Geſetze keinen Straff-wuͤrdigen U- belthaͤter ſchuͤtzen/ ſo laſſen ſie wohl zu/ einen Soldaten zu foltern/ wann er aber unſchuldig gefoltert/ wird er dadurch nicht Ehr-loß/ ſondern iſt billich/ zu mehrern Ehr-Erſtattung/ die gebraͤuchliche Ceremonie/ die Fahne uͤber ihn zu ſchwengen; wer aber alſo unter Scharffrichters Haͤnde geweſen/ daß er einmahl zum Schelmen verurtheilet/ ſoll im La- ger oder Veſtung nicht mehr gelitten werden/ er ſey dann vom Landes- Herrn an vorigen Ehren ergaͤntzet. L. 22. ff. & L. 14. C. de infam. jur. L. ſolet, 10. ff. de infam. jur. §. 9. Alle Miſſethaten werden mehr an einem Soldaten als andern geſtrafft/ iſt auch einem Soldaten nichts uͤbel anſtaͤndiger als Dieberey/ darum Beliſarius einen hencken laſſen/ daß er ein Huhn ge- ſtohlen; jedoch mag ein Soldat in Hungers-Noth ſeinen Hunger zu ſtillen/ nicht aber mehr als zur Nothdurfft/ fuͤr ſich und die Seinigen/ an Speiſe-Waaren wohl zugreiffen; beſtiehlet er aber einen/ den gleiche Noth druͤcket/ iſt er gewoͤhnlich zu ſtraffen. Ja/ alle oͤffentli- che und ſonderbahre Gewalt/ aus eigener Macht/ durch Befehlshaber oder gemeine Soldaten/ an Hohen oder Privat-Perſonen/ und beſon- dern

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Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/697>, abgerufen am 22.11.2024.